Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegattenerbrecht. Einreichung des Scheidungsantrags. Voraussetzungen der Scheidung. Scheitern der Ehe. Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Unterbliebene Prüfung der behaupteten Versöhnung. Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 1933 BGB kommt es für einen Ausschluss des Ehegattenerbrechts darauf an, dass die Voraussetzungen für eine Scheidung zur Zeit des Todes des Erblassers gegeben waren. Auch wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht, sie schon mehr als ein Jahr getrennt voneinander leben und einer von ihnen die Scheidung beantragt hat, setzt § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB für die Feststellung des Scheiterns der Ehe weiterhin voraus, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann.
Normenkette
BGB § 1933 S. 1, § 1565 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Fristen für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Hamm vom 9.11.2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das genannte Urteil zugelassen.
Die Sache wird unter Aufhebung dieses Urteils gem. § 544 Abs. 7 ZPO an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zurückverwiesen.
Streitwert: 356.243 EUR
Gründe
[1] I. Die Vorinstanzen haben die Stufenklage, mit der die Klägerin Pflichtteilsansprüche nach ihrem am 31.3.1990 verstorbenen Ehemann verfolgt, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung auf § 1933 Satz 1 BGB gestützt. Es hat nicht ausgeschlossen, dass für die Scheidung deutsches Recht maßgebend sei. Es hat ferner offen gelassen, ob die Klägerin der vom Erblasser beantragten Scheidung zugestimmt habe. Jedenfalls habe die Ehe nach mehr als einjähriger Trennung gem. § 1565 Abs. 1 BGB geschieden werden müssen, weil sie gescheitert gewesen sei.
[2] Insoweit hat sich das Berufungsgericht wesentlich auf die eigene Darstellung der Klägerin in einer von ihr in Spanien am 18.12.1989 eingereichten sog. Gegenklage (gegen die dort vom Erblasser erhobene Scheidungsklage) gestützt. Danach hätten sich die Ehegatten im Juli 1988 getrennt; die Klägerin habe ihre Bemühungen, die Ehe zu erhalten, im Hinblick auf das beleidigende und quälende Verhalten des Erblassers eingestellt.
[3] Mit der Beschwerde macht die Klägerin u.a. geltend, das Berufungsgericht habe sich nicht mit ihrem Vorbringen auseinander gesetzt, nach Einreichen dieser Gegenklage hätten sich die Ehepartner dahin geeinigt, ihre Ehe fortzuführen und die eingeleiteten gerichtlichen Schritte zur Auflösung der Ehe nicht weiterzuverfolgen. Von dieser gemeinsamen Entscheidung (man habe sich nunmehr endgültig "zusammengerauft") habe der Erblasser mehreren (als Zeugen benannten) Freunden im Januar und März 1990 berichtet.
[4] II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Berufungsgericht hat das Recht der Klägerin auf Gehör vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG) jedenfalls dadurch verletzt, dass es ihrem Vorbringen zu einer Versöhnung der Ehegatten in der Zeit nach Einreichen der Gegenklage nicht nachgegangen ist.
[5] Das Berufungsgericht stellt zwar einleitend und am Ende seiner Ausführungen zu § 1933 BGB fest, dass die Ehe der Klägerin "im Zeitpunkt des Erbfalls" ... "ohne den Tod des Erblassers" geschieden worden wäre. Seine Begründung des Scheiterns der Ehe bezieht das Berufungsgericht dagegen auf den Zeitpunkt "bei Einreichung der Scheidungsklage am 7.9.1989" (BU 17 zu Beginn des zweiten Absatzes). Nach § 1933 BGB kommt es indessen darauf an, dass die Voraussetzungen für eine Scheidung zur Zeit des Todes des Erblassers gegeben waren. Auch wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht, sie schon mehr als ein Jahr getrennt voneinander leben und einer von ihnen die Scheidung beantragt hat, setzt § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Feststellung des Scheiterns dieser Ehe weiterhin voraus, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann (BGHZ 128, 125, 129). Für diese Prognose, zu der das Berufungsgericht nicht näher Stellung genommen hat, war der Vortrag der Klägerin zur Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Zeit nach dem 18.12.1989 von Bedeutung. Soweit das Berufungsgericht dem Vortrag der Klägerin, sie habe schon in der Zeit seit Juli 1988 bis zum Einreichen der Gegenklage am 18.12.1989 nur vorübergehend vom Erblasser getrennt gelebt, im Hinblick darauf keinen Glauben geschenkt hat, dass sie den Sachverhalt in ihrer Gegenklage anders dargestellt und die Abweichung nicht erklärt habe, spielt diese Würdigung keine Rolle für die Frage, wie sich die Beziehungen der Ehepartner nach dem 18.12.1989 weiterentwickelt haben. Die dazu von der Klägerin unter Beweis gestellten Behauptungen insb. zu Äußerungen des Erblassers gegenüber Dritten Anfang des Jahres 1990 sind hinreichend substantiiert; wenn sie als wahr unterstellt würden, könnte nicht von einem Scheitern der Ehe ausgegangen werden, das die Beklagten zu beweisen haben.
[6] Im Übrigen fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, von welchen subjektiven Vorstellungen die konkrete Lebensgemeinschaft hier geprägt war (vgl. BGHZ 128, 125, 128). Deshalb ist fraglich, ob außereheliche Beziehungen des Erblassers, obwohl sie nach dem Vortrag der Klägerin "nicht weiter ernstzunehmen" waren, hier als Anhaltspunkt für ein Scheitern der Ehe gewertet werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 2118677 |
ErbR 2008, 371 |
ErbR 2008, 397 |
FamRB 2009, 81 |
NJW-Spezial 2008, 679 |