Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere räuberische Erpressung
Tenor
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 11. Oktober 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf Verfahrens- und Sachrügen gestützten Revisionen dringen mit einer Verfahrensrüge durch, so daß es auf die anderen Rügen nicht ankommt.
1. Nach den Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten unter Einsatz einer ungeladenen, defekten Gas- oder Schreckschußpistole von dem Zeugen G. eine mit Brillanten besetzte Goldkette, die sie später für 330 DM verpfändet haben, erpreßt. Sie haben ihm gegenüber als Grund für ihre Geldforderung angegeben, daß sie für eine kurz vorher an der Ehefrau des Zeugen vorgenommenen Abtreibung und für die Rückfahrt des Bruders der Ehefrau nach Polen zusammen über 500 DM verauslagt hätten, deren Erstattung der Zeuge ihnen vorher zugesagt habe.
Das Landgericht hält diese Einlassungen zum Forderungsgrund durch die Aussagen der Eheleute G. in der Hauptverhandlung für widerlegt. Der Zeuge G. hat angegeben, die Kosten für Abtreibung und Rückfahrt habe er bereits früher erstattet. Die Angeklagten hätten jetzt von ihm 600 DM für Auslagen verlangt, die aus Diskothekenbesuchen seiner Frau und der Angeklagten herrühren sollten. Seine Frau hat abweichend davon ausgesagt, den Forderungsgrund könne sie nicht mehr genau angeben, die Angeklagten hätten einfach nur Geld benötigt. Dabei hat der Tatrichter berücksichtigt, daß sich die Zeugen im Ermittlungsverfahren abweichend geäußert haben.
Zu dem, was die ebenfalls bei der Tatausführung anwesende Zeugin M. in ihrer polizeilichen Vernehmung – sie ist vor ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung nach Polen abgeschoben worden – ausgesagt hat, teilt das Urteil nur mit, daß die Angaben der Eheleute G. nicht im Widerspruch zur Aussage der Zeugin M. stehen. Diese habe das Tatgeschehen in seinen wesentlichen Zügen gleichlautend dem Vernehmungsbeamten, dem Zeugen KHK B., geschildert.
Die Verteidiger beider Angeklagten haben in der Hauptverhandlung die Vernehmung der Dolmetscherin T. beantragt, die die Aussage der Zeugin M. bei ihrer polizeilichen Vernehmung übersetzt hatte. Die Dolmetscherin wurde zum Beweis der Tatsache benannt, daß die Zeugin ausdrücklich erklärt habe, daß die Angeklagten am Tattag von dem Zeugen G. eine Erstattung von Kosten für die Abtreibung verlangt haben. Auf Rückfrage des Vorsitzenden zur Konkretisierung des Beweisantrags erklärten die Verteidiger, die Dolmetscherin könne dieses Beweisthema aus eigener Wahrnehmung bekunden. Anschließend wurde von beiden Verteidigern ein weiterer Beweisantrag auf Vernehmung der Dolmetscherin gestellt, die bekunden werde, daß die Zeugin M. spontan, sicher und ohne jeglichen Zweifel ausgesagt habe, daß die Übergabe der Halskette im Zusammenhang mit Forderungen der Angeklagten wegen verauslagter Kosten für die an der Zeugin G. vorgenommenen Abtreibung gestanden hätte.
Das Landgericht hat den ersten Beweisantrag mit der Begründung, im Ergebnis werde die Auslegung der polizeilichen Aussage der Zeugin M. beantragt, und den zweiten Beweisantrag deshalb abgelehnt, weil die Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung weder dargetan noch ersichtlich sei.
2. Das Landgericht hat beide Beweisanträge mit fehlerhaften Begründungen abgelehnt.
In dem ersten Beschluß wird keine Rechtsgrundlage für die Ablehnung benannt. Es ist auch nicht erkennbar, auf welchen der in § 244 Abs. 3 StPO genannten Gründe die Kammer ihren Beschluß stützten wollte. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift läßt sich dem Beschluß nicht entnehmen, daß das Landgericht die Zeugin als völlig ungeeignetes Beweismittel angesehen hat. Abgesehen davon, daß das Revisionsgericht in aller Regel eine fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages nicht durch eine andere Begründung ersetzen kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 244 Rdn. 86 m.w.Nachw.), fehlen Anhaltspunkte dafür, daß das Landgericht der Sache nach diesen Ablehnungsgrund gemeint haben könnte. Denn es liegt auf der Hand, daß die Dolmetscherin etwas zur Sachaufklärung hätte beitragen können (vgl. Herdegen in KK StPO 4. Aufl. § 244 Rdn. 77 m.w.Nachw.).
Die Begründung läßt zudem besorgen, daß der Tatrichter die Bedeutung der Aussage der Dolmetscherin über den Inhalt der Vernehmung der Zeugin M. zur Erforschung der Wahrheit verkannt hat. Es ging der Verteidigung beider Angeklagter ersichtlich nicht um die Auslegung der Aussage der Zeugin M., sondern um deren Inhalt, soweit es den Forderungsgrund betraf, nach dem der Beweisantrag auf Vernehmung dieser Zeugin gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt worden war. Zwar war deren Aussage in der Hauptverhandlung verlesen und der Vernehmungsbeamte dazu vernommen worden. Die Angeklagten hatten aber erkennbar den Beweisantrag gestellt, um eine weitere Zeugin – die einzige neben dem vernehmenden Polizeibeamten – zum Aussageverhalten und den Angaben der Zeugin M. zum Grund des Zahlungsbegehrens der Angeklagten zu hören, zu dem die beiden anderen unmittelbaren Tatzeugen im Laufe des Verfahrens widersprüchliche und in der Hauptverhandlung sich inhaltlich nicht deckende Angaben gemacht hatten, während nach dem Beweisthema die Zeugin bekundet hätte, daß die Zeugin M. die im wesentlichen übereinstimmenden Einlassungen der Angeklagten bestätigt hätte.
Der zweite Beweisantrag hätte nicht wegen fehlender Konnexität abgelehnt werden dürfen. Die erforderliche Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung (vgl. BGHSt 43, 321, 329 f.) bedeutet für den Fall des Zeugenbeweises nur, daß der Antrag erkennen lassen muß, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll. Dieser Zusammenhang versteht sich hier von selbst.
3. Der Senat kann entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht ausschließen, daß das Urteil auf der fehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge beruht. Angesichts der gesamten Beweislage, die zudem in den Urteilsgründen nur lückenhaft mitgeteilt wird, kann der Senat, dem eine eigene Beweiswürdigung versagt ist, nicht ausschließen, daß die Strafkammer die Einlassungen der Angeklagten und die diesen entgegenstehende Aussage des Geschädigten G. für die Angeklagten günstiger bewertet hätte, hätte sie die Dolmetscherin zu dem genannten Beweisthema vernommen.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 512727 |
NStZ-RR 2001, 43 |
StV 2001, 97 |