Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 30.03.2004) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 30. März 2004 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Der Angeklagte hat seine Ehefrau heimtückisch von hinten erschossen. Anschließend schoß er sich selbst in den Kopf. Dadurch traten schwere Dauerschäden – Erblindung eines Auges, Persönlichkeitsveränderung, Sprachstörungen – ein. Bei der Tat war er nur eingeschränkt schuldfähig (§ 21 StGB), was in erster Linie mit einem Eifersuchtswahn zusammenhängt.
Deshalb war er u.a. wegen Mordes zu elf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Seine hiergegen gerichtete Revision war zum Schuldspruch erfolglos geblieben, hatte jedoch wegen eines Wertungsfehlers im Zusammenhang mit dem Eifersuchtswahn zur Aufhebung des Strafausspruchs geführt. Sämtliche Urteilsfeststellungen blieben aufrecht erhalten, der Senat wies jedoch darauf hin, daß ergänzende Feststellungen, die den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen, zulässig bleiben (Senatsbeschluß vom 16. Juli 2003 – 1 StR 251/03 = NStZ-RR 2003, 362 f.). Nunmehr wurde der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine erneute, auf eine Verfahrenrüge und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verfahrensrüge richtet sich gegen einen Teil der Bescheidung eines Beweisantrags. Danach sollte ein „sozialmedizinisches” Gutachten darüber erhoben werden, daß beim Angeklagten „aufgrund der Schußverletzung derart schwerwiegende … Dauerschäden (Erblindung des linken Auges, massive Sprachstörungen, Konzentrationsmängel) verblieben sind, daß von seiner 100%igen Schwerbehinderung auf Dauer auszugehen ist”. Den behaupteten Grad der Behinderung hat die Strafkammer als wahr unterstellt und den Antrag hinsichtlich der einzelnen Gesundheitsschäden deshalb als unzulässig zurückgewiesen, weil die Tatfolgen im ersten Urteil bereits bindend festgestellt seien.
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten sind aus alledem nicht ersichtlich.
a) Gegen die Wahrunterstellung wendet sich die Revision nicht. Der Senat braucht daher der Frage nicht nachzugehen, ob es bei einer erkennbar schwerwiegenden Behinderung hier für die Strafzumessung überhaupt von Bedeutung sein kann, wie die zuständige Behörde den Grad der Behinderung exakt quantifizieren würde, wenn der Angeklagte dort einen entsprechenden Antrag stellen würde (vgl. § 69 SGB IX).
b) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, ergibt der Antrag nicht, daß auch über die Behinderung selbst und nicht nur über die sozialrechtliche Quantifizierung Beweis erhoben werden sollte. Dagegen spricht schon, daß die Fragen nach Erblindung und den genannten weiteren Schäden keine sozialmedizinischen sondern augenärztliche oder neurologisch-psychiatrische Kenntnisse erfordern. Sozialmedizinische Kenntnisse sind für deren sozialrechtliche Quantifizierung erforderlich. Im übrigen wird nicht deutlich, wieso, auch unabhängig von der Bindungswirkung des früheren Urteils, die Frage etwa der (teilweisen) Erblindung zweifelhaft und daher beweisbedürftig geworden sein könnte.
c) Hat der Tatrichter einen Antrag, bei dem es sich – hinsichtlich der Schäden – nicht um einen Beweisantrag handelt, nach Beweisantragsgrundsätzen verbeschieden, begründet dies die Revision nur, wenn zugleich die Aufklärungspflicht verletzt ist (vgl. BGH StV 1996, 581 m.w.N.). Hierfür fehlen Anhaltspunkte. Von teilweiser Erblindung ist die Strafkammer ebenso ausgegangen (UA S. 7) wie von einer Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit (UA S. 6). Im übrigen hat sich der Angeklagte zur Sache eingelassen. Daß die Strafkammer unter diesen Umständen der Beratung darüber bedurft hätte, wie gut oder schlecht der Angeklagte sprechen kann (ob seine Sprachstörungen „massiv” sind), ist nicht erkennbar.
d) Von alledem abgesehen enthält das erste Urteil entgegen dem Vorbringen der Revision aber auch detaillierte Ausführungen zum Grad der Sprachstörungen, die hinsichtlich des Sprachverständnisses als „geringfügig” und hinsichtlich der Sprachwiedergabe als „etwas stärker” – als geringfügig – gekennzeichnet sind (dort UA S. 28 i.V.m. UA S. 32). Daß die Feststellung „massiver” Sprachstörungen hiermit unvereinbar wäre, ist offenkundig. Daß mit dem genannten Antrag die – ergänzende und daher zulässige – Feststellung begehrt worden wäre, die Sprachstörungen hätten sich seit damals verschlimmert, ist nicht ersichtlich. Im übrigen hätte dies gegebenenfalls in der Hauptverhandlung klargestellt werden müssen (vgl. BGH StV 1989, 465; Beschluß vom 24. August 1999 – 1 StR 672/98 jeweils m.w.N.).
2. Der Senat hatte seinen Beschluß vom 16. Juli 2003 damit begründet, die Strafkammer sei sich nicht erkennbar bewußt gewesen, daß ein von ihr strafschärfend herangezogener Gesichtspunkt „nur nach dem Maß der geminderten Schuld” hätte berücksichtigt werden dürfen. Dementsprechend hat die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer ausgeführt, dieser Gesichtspunkt habe hier ein geringeres Gewicht als bei einem voll schuldfähigen Täter.
Die Revision führt zur Sachrüge im einzelnen aus, diesem Gesichtspunkt hätte aus Rechtsgründen keinerlei Gewicht beigemessen werden dürfen. Ohne daß es auf weiteres ankäme, wäre der Strafkammer eine solche Bewertung im Hinblick auf die genannten Ausführungen des Senats gemäß § 358 Abs. 1 StPO verwehrt gewesen.
3. Auch im übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat verweist auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts, die durch die Revisionserwiderung vom 31. August 2004 nicht entkräftet werden.
Unterschriften
VRiBGH Nack ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Wahl, Wahl, Kolz, Elf, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2557550 |
NStZ-RR 2004, 370 |
www.judicialis.de 2004 |