Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung darüber, ob Härtegründe i.S. von § 1587 c Nr. 1 BGB, die noch einer Entwicklung unterliegen, einen Ausschluß des Versorgungsausgleichs rechtfertigen, muß bereits im Ausgangsverfahren – gegebenenfalls im Wege einer Prognose – getroffen werden. Sie kann nicht einem späteren Abänderungsverfahren vorbehalten werden, da Härtegründe für sich allein die Voraussetzungen des § 10 a Abs. 1 Nr. 1–3 VAHRG nicht erfüllen (im Anschluß an Senatsbeschluß vom 15. März 1989 – IVb ZB 183/87 – FamRZ 1989, 725).
Normenkette
BGB § 1587c Nr. 1; VAHRG § 10a; VAHRG § 10a Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 28.05.1993) |
AG Langenfeld |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Mai 1993 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Antragsgegnerin erkannt wurde.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 9.107,76 DM
Tatbestand
I.
Der am 2. November 1939 geborene Ehemann (Antragsteller) und die am 25. Juni 1937 geborene Ehefrau (Antragsgegnerin) haben am 22. Oktober 1959 die Ehe geschlossen, aus der ein 1960 geborener Sohn hervorgegangen ist. Seit April 1980 haben die Parteien getrennt gelebt. Am 26. Oktober 1990 ist der Ehefrau der Scheidungsantrag des Ehemannes zugestellt worden.
Beide Parteien haben in der Ehezeit (1. Oktober 1959 bis 30. September 1990, § 1587 Abs. 2 BGB) gesetzliche Rentenanwartschaften erworben. Der Ehemann, von Beruf Krankenpfleger, hat ferner ein Anrecht auf eine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Die Ehefrau ist als Sonderschullehrerin im Beamtenverhältnis tätig gewesen, 1979 ausgeschieden und in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden. Danach ist sie von 1980 bis 1983 im Schuldienst zunächst als pflichtversicherte Angestellte tätig gewesen. Ab August 1983 ist sie wieder in das Beamtenverhältnis eingetreten und hat hieraus Anwartschaften auf Beamtenversorgung erworben.
Das Amtsgericht hat die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, daß es gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB zu Lasten der Beamtenversorgungsanwartschäften der Ehefrau für den Ehemann gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 955,07 DM, bezogen auf den 30. September 1990, begründet hat. Es ist hierbei auf seiten des Ehemannes von gesetzlichen Rentenanwartschaften in Höhe von 1.523,70 DM und einer dynamisierten Anwartschaft auf Versicherungsrente in Höhe von 70,94 DM ausgegangen, auf Seiten der Ehefrau von gesetzlichen Rentenanwartschaften in Höhe von 1.286,40 DM und Anwartschaften auf Beamtenversorgung in Höhe von 2.218,38 DM, jeweils monatlich und bezogen auf die Ehezeit.
Hiergegen hat die Ehefrau, die im Verlauf des Beschwerdeverfahrens mit Wirkung vom 1. September 1992 wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden ist, Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Versorgungsausgleich gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB auszuschließen. Außerdem haben die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und das Landesamt für Besoldung und Versorgung Beschwerde wegen Überschreitung des Höchstbetrags (§ 1587 b Abs. 5 BGB) eingelegt.
Das Oberlandesgericht hat auf der Grundlage neu eingeholter Auskünfte über die Versorgungsanrechte der Parteien der Beschwerde der Ehefrau nur teilweise stattgegeben und den für den Ehemann zu begründenden Ausgleichsbetrag gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB auf 758,98 DM monatlich herabgesetzt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Ehefrau mit der zugelassenen weiteren Beschwerde, mit der sie ihr Begehren auf vollständigen Ausschluß des Versorgungsausgleichs weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Oberlandesgericht hat die auf der Grundlage des neuen, ab 1. Januar 1992 geltenden Rentenrechts errechneten gesetzlichen Rentenanwartschaften der Ehegatten und die aufgrund der vorzeitigen Pensionierung sich ergebende Beamtenversorgung der Ehefrau sowie die Zusatzversorgung des Ehemannes neu ermittelt. Danach stehen sich folgende Versorgungsanrechte der Ehegatten, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit, gegenüber: Auf Seiten der Ehefrau gesetzliche Rentenanwartschaften von 1.280,58 DM und eine Beamtenversorgung in Höhe von 2.824,66 DM, insgesamt somit 4.105,24 DM; auf Seiten des Ehemannes gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von 1.523,03 DM sowie eine unverfallbare Anwartschaft auf eine nicht dynamische Versicherungsrente der Rheinischen Zusatzversorgungskasse in Höhe von 278,60 DM, die einer dynamischen Rente von 65,79 DM entspricht, insgesamt somit 1.588,82 DM. Der an sich zu Lasten der Beamtenversorgung der Ehefrau auszugleichende hälftige Wertunterschied betrüge damit 1.258,21 DM. Der zulässige Höchstbetrag beläuft sich jetzt auf 930,93 DM. Einen Ausgleich in dieser Höhe hat das Oberlandesgericht in Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB aus zwei Gründen für grob unbillig gehalten: Zum einen sei wegen der langen, von April 1980 bis zum Ende der Ehezeit Ende September 1990 (10,5 Jahre) andauernden Trennung, in der eine Versorgungsgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr bestanden, sondern sich jeder wirtschaftlich verselbständigt habe und seiner Berufstätigkeit nachgegangen sei, eine Teilhabe an den in der Trennungszeit erworbenen Versorgungsanrechten nicht gerechtfertigt. Zum anderen dürfe auch der Umstand der vorzeitigen Pensionierung der Ehefrau, der rechnerisch zu einer kürzeren Gesamtzeit und damit zu einem höheren Ehezeitanteil der Beamtenversorgung führe, ihr nicht zum Nachteil gereichen, da sie im Gegensatz zum Ehemann aufgrund ihrer Erkrankung aller Voraussicht nach keine weiteren Versorgungsanrechte mehr werde erwerben können.
Das Oberlandesgericht hat demgemäß bei der Beamtenversorgung der Ehefrau die auf der vorzeitigen Pensionierung beruhende Erhöhung des Ehezeitanteils außer Betracht gelassen und außerdem bei allen Versorgungsanrechten der Ehegatten die auf die Trennungszeit entfallenden Anteile herausgerechnet. Auf seiten der Ehefrau ergaben sich damit eine Beamtenversorgung in Höhe von 1.393,95 DM und gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von 1.154,81 DM, insgesamt 2.548,66 DM, auf seiten des Ehemannes gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von 1.004,39 DM und eine Anwartschaft auf Zusatzversorgung in Höhe von dynamisiert 26,32 DM, zusammen 1.030,71 DM, jeweils monatlich. In Höhe des hälftigen Wertunterschieds von 758,98 DM hat es zugunsten des Ehemannes gesetzliche Rentenanwartschaften gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB begründet.
Diese Ausführungen stehen in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats und lassen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. zur Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB bei vorzeitiger Pensionierung: Senatsbeschluß BGHZ 82, 66, 79; Senatsbeschlüsse vom 18. Januar 1989 – IVb ZB 82/87 – FamRZ 1989, 727, 728; vom 9. Mai 1990 – XII ZB 58/89 – FamRZ 1990, 1341, 1342; und bei längerer Trennung: Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 1982 – IVb ZB 781/80 – FamRZ 1983, 35, 36; und vom 28. Oktober 1992 – XII ZB 42/91 – FamRZ 1993, 302). Fehler bei der Berechnung der gekürzten Ehezeitanteile sind ebenfalls nicht ersichtlich. Auch die weitere Beschwerde greift diese Beurteilung als ihr günstig nicht an.
2. Den von der Ehefrau unter Hinweis auf ihren krankheitsbedingten Mehrbedarf begehrten Ausschluß oder zumindest eine weitere Herabsetzung des Versorgungsausgleichs hat das Oberlandesgericht zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Ergebnis verneint und hierzu im wesentlichen ausgeführt: Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Abwägung der „beiderseitigen Verhältnisse” im Sinne des § 1587 c Nr. 1 BGB auch eine Krankheit, die sich auf die Erwerbsfähigkeit eines Ehegatten auswirke, sowie ein gegebenenfalls damit einhergehender krankheitsbedingter Mehrbedarf zu beachten. Dem Umstand der Dienstunfähigkeit der Ehefrau habe man indes bereits durch die Teilkürzung des Versorgungsausgleichs, mit der der rechnerisch erhöhte Ehezeitanteil der Beamtenversorgung aus der Ausgleichsberechnung herausgenommen worden sei, Rechnung getragen. Die Belastung mit Mehrkosten für Diät und zwei Haushaltshilfen in Höhe von 1.500 DM monatlich, die der Ehefrau nach ihrer Behauptung entstünden, weil sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, ihren Haushalt selbst zu versorgen, könne derzeit noch nicht in die Beurteilung einbezogen werden. Denn sie wirke sich in der Beziehung zum Versorgungsausgleich erst künftig aus, wenn der Rentenfall beim Ehemann eintrete und der derzeitige Bestandsschlitz der Versorgung der Ehefrau wegen der dann erfolgenden Kürzung ihrer Versorgungsbezüge entfalle. Ob sich zu diesem künftigen, für die Beurteilung gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB maßgebenden Zeitpunkt (Eintritt des Rentenfalles des Ehemannes) eine grobe Unbilligkeit für die Ehefrau ergebe, lasse sich jetzt noch nicht verläßlich feststellen. Denn dazu müsse auch die bis zu jenem Zeitpunkt eingetretene nacheheliche Entwicklung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten mit einbezogen werden. Insoweit lasse sich aber heute nicht ausschließen, daß sich der – auch psychisch bedingte – schlechte Gesundheitszustand der Ehefrau wieder stabilisieren und sie künftig ohne Fremdhilfe im Haushalt auskommen werde. Ebensowenig lasse sich vorhersagen, ob nicht auch der Ehemann künftig erhebliche krankheitsbedingte Mehrkosten habe und daher angesichts des ohnehin bestehenden Einkommens- und Versorgungsgefälles auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu seinen Gunsten angewiesen sei, um seine Bedürfnisse im Alter decken zu können. Da es unmöglich sei, die für die Abwägung nach § 1587 c Nr. 1 BGB entscheidenden, in ihrer Entwicklung noch nicht abgeschlossenen beiderseitigen Verhältnisse für den in der Zukunft liegenden maßgeblichen Zeitpunkt verläßlich voraussehen und feststellen zu können, müsse diese Billigkeitsprüfung im vorliegenden Verfahren unterbleiben und einem späteren Abänderungsverfahren gemäß § 10 a VAHRG vorbehalten bleiben. Dieses lasse eine solche Vorgehensweise auch zu. Zwar sei § 10 a Abs. 1 VAHRG in seiner jetzigen Fassung auf einen solchen Fall nicht unmittelbar anwendbar, da er in seinem Absatz 1 Nr. 1–3 Gründe des § 1587 c Nr. 1 BGB als „Einstiegsvoraussetzungen” in ein Abänderungsverfahren nicht nenne, sondern nur auf Veränderungen der einzubeziehenden Versorgungsanrechte abstelle. Der Gesetzgeber habe jedoch das unabweisliche Bedürfnis, den rechtskräftig durchgeführten Versorgungsausgleich auch allein wegen nachträglich eingetretener Härtegründe im Sinne des § 1587 c BGB in einem Abänderungsverfahren herabsetzen oder ausschließen zu können, übersehen, so daß diese Lücke im Wege einer analogen Anwendung des § 10 a Abs. 1 VAHRG zu schließen sei. Die Ehefrau könne daher später, wenn ihre Versorgungsbezüge nach Eintritt des Rentenfalles des ausgleichsberechtigten Ehemannes gekürzt werden, ihre gegebenenfalls weiter vorhandenen krankheitsbedingten Mehrkosten als Abänderungsgrund analog § 10 a Abs. 1 Nr. 2 VAHRG geltend machen und eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs verlangen, wenn sich ihre Belastung im Vergleich zu der dann gegebenen wirtschaftlichen und versorgungsrechtlichen Situation des Ehemannes als grob unbillig erweise. Das Oberlandesgericht hat wegen dieser Frage, mit der es von der Senatsentscheidung vom 15. März 1989 (IV b ZB 183/87 = FamRZ 1989, 725 f) abweicht, die weitere Beschwerde zugelassen.
3. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand. Wie die weitere Beschwerde zutreffend rügt, beruht die Auffassung des Oberlandesgerichts auf einem unzutreffenden Verständnis des maßgeblichen Zeitpunktes für die Prüfung der Härtegründe des § 1587 c Nr. 1 BGB und des von § 10 a Abs. 1 VAHRG erfaßten Regelungsbereichs.
a) Gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Ein Ausschluß oder eine Herabsetzung kommt danach immer dann in Betracht, wenn der Versorgungsausgleich sein Ziel, zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten für den Fall des Alters oder der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beizutragen, nicht erreichen, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen würde. Davon kann dann ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsaugleich klar abzusehen ist, daß der Ausgleichsberechtigte bei Erreichen der Altersgrenze über eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig hohe Altersversorgung verfügen wird oder bereits anderweitig angemessen abgesichert ist, während der Ausgleichspflichtige auf die vom ihm ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (Senatsbeschluß vom 2. Dezember 1987 – IVb ZB 34/86 – FamRZ 1988, 489, 490; vgl. auch MünchKomm/Dörr BGB 3. Aufl. § 1587 c Rdn. 19 m.w.N.). In die dazu erforderliche Gesamtabwägung sind sämtliche Lebensumstände der Ehegatten einzubeziehen, die für ihren gegenwärtigen oder zukünftigen wirtschaftlichen Stand von Bedeutung sind (Senatsbeschluß vom 9. Dezember 1981 – IVb ZB 569/80 – FamRZ 1982, 475, 477). Dazu gehören auch, wovon das Oberlandesgericht zutreffend ausgeht, krankheitsbedingte Umstände (Senatsbeschluß vom 29. April 1981 – IVb ZB 813/80 – FamRZ 1981, 756, 757).
Richtig ist ferner, daß nicht nur die bis zum Ehezeitende eingetretenen Umstände, sondern auch danach stattfindende Entwicklungen mit in Betracht zu ziehen sind (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Juli 1986 – IVb ZB 4/85 – FamRZ 1987, 49, 51). Maßgebender Beurteilungszeitpunkt bleibt jedoch derjenige der letzten Tatsacheninstanz im Erstverfahren. Soweit es sich daher um Umstände handelt, deren weitere künftige Entwicklung über diesen Zeitpunkt hinausreicht, muß das Gericht eine Prognose treffen. Dabei kann sich jene künftige Entwicklung auf die Bewertung aber nur auswirken, wenn sie – im Zeitpunkt der tatrichterlichen Beurteilung – nicht nur möglich erscheint, sondern sicher zu erwarten ist (Senatsbeschluß vom 1. Juni 1988 – IVb ZB 58/86 – FamRZ 1988, 940, 941). Das hat das Oberlandesgericht anhand der im Entscheidungszeitpunkt gegebenen Verhältnisse gemäß § 12 FGG zu ermitteln und zu entscheiden, ob auf dieser Grundlage der Versorgungsausgleich uneingeschränkt durchzuführen oder gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB ganz oder teilweise auszuschließen ist. Einer solchen Entscheidung kann es auch nicht mit dem Einwand ausweichen, es handele sich um Umstände, deren Entwicklung sich erst in Zukunft erweise. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs, der ohnehin auf Fiktivberechnungen der künftigen Versorgungen aufbaut, sind häufig Prognosen anzustellen, so etwa bei der Beurteilung, ob ein Versorgungsanrecht dynamisch ist oder nicht, oder bei der Frage, ob ein ausgleichsberechtigter Ehegatte im Gegensatz zum ausgleichsverpflichteten Ehegatten bis zur Altersgrenze noch ausreichende eigene Versorgungsrechte wird erwerben können (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Mai 1990 a.a.O. 1342). Lassen sich nicht genügend Anhaltspunkte feststellen, die die sichere Erwartung rechtfertigen, der uneingeschränkte Versorgungsausgleich werde sich grob unbillig zu Lasten des Ausgleichsverpflichteten auswirken, so kann die Entscheidung des Gerichts nur dahin lauten, daß der Versorgungsausgleich ohne Anwendung der Ausnahmeregelung des § 1587 c BGB durchzuführen ist. Denn da § 1587 c BGB keine anspruchsbegründende, sondern eine anspruchsbegrenzende Norm ist, muß der Ausgleichspflichtige, der die erstrebte Herabsetzung des Versorgungsausgleichs geltend machen will, hierfür nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln die tatsächlichen Voraussetzungen geltend machen und bei ihrer Nichterweislichkeit die Nachteile tragen (Senatsbeschluß vom 9. Mai 1990 a.a.O. S. 1342). Das gilt auch, soweit die im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung vorliegenden Tatsachen noch nicht ausreichen, um die sichere Erwartung einer unbilligen Härte zu begründen.
b) Dagegen ist es nicht möglich, die Abwägung im Erstverfahren dadurch zu umgehen, daß man den Ausgleichsverpflichteten wegen der Geltendmachung von Härtegründen auf ein späteres Abänderungsverfahren nach § 10 a VAHRG verweist. Vielmehr ist über die Anwendung oder Nichtanwendung des § 1587 c BGB bereits im Erstverfahren zu befinden (BVerfG Beschluß vom 29. Oktober 1992 – 1 BvR 1962/91 – FamRZ 1993, 405). Das gilt auch für den Fall, daß – wie hier – aufgrund eines derzeitigen Bestandschutzes der Versorgung des Ausgleichsverpflichteten nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs erst eintreten, wenn die Versorgung des ausgleichspflichtigen Ehegatten mit Eintritt des Rentenfalles des Ausgleichsberechtigten Ehegatten gekürzt wird. Wie der Senat bereits ausgeführt und wie auch das Bundesverfassungsgericht entschieden hat (Senatsbeschluß vom 15. März 1989 aaO; BVerfG Beschluß vom 29. Oktober 1992 aaO), reichen Härtegründe im Sinne des § 1587 c Nr. 1–3 BGB für sich allein nicht aus, den Einstieg in ein Abänderungsverfahren zu ermöglichen und den Versorgungsausgleich herabzusetzen. Daran wird festgehalten.
Der Gesetzgeber hat bei Schaffung der Abänderungsmöglichkeit die Durchbrechung der Rechtskraft auf die in § 10 a Abs. 1 Nr. 1–3 VAHRG geregelten Fälle beschränkt. Ihnen ist gemeinsam, daß sich nachträgliche Veränderungen oder später entdeckte Berechnungs- und Bewertungsfehler auf die Versorgungsanrechte selbst beziehen. Das Bedürfnis nach einer Abänderung war nach den seit Einführung des Versorgungsausgleichs gemachten Erfahrungen hier am größten, weil sich im Bereich der Versorgungsanrechte am häufigsten Veränderungen rechtlicher oder tatsächlicher Art ergaben, die mit dem Grundsatz der Halbteilung nicht mehr in Einklang standen (Senatsbeschluß vom 15. März 1989 a.a.O. S. 726). Die Einstiegsvoraussetzungen für ein Abänderungsverfahren auf Fälle außerhalb dieses auf die Versorgungen selbst bezogenen Regelungsbereichs zu erweitern und die Abänderung auch aus anderen, nämlich Härtegründen im Sinne des § 1587 c BGB zuzulassen, stünde dagegen weder mit dem Wortlaut des § 10 a Abs. 1 VAHRG noch mit der Zielsetzung des Gesetzes in Einklang. Mit der Scheidung und den im Verbund hiermit zu regelnden Folgesachen soll eine Entflechtung der personellen und wirtschaftlichen Beziehungen der Ehegatten erreicht werden. Dazu gehört auch die Aufteilung der in der Ehe durch gemeinschaftliche Lebensleistung erworbenen Versorgungsanrechte, die ihr Vorbild sowohl im güterrechtlichen Prinzip der Vermögensteilung in Weiterentwicklung des Zugewinnausgleichsgedankens als auch in unterhaltsrechtlichen Überlegungen zur Sicherung der Altersversorgung hat (BT-Drucks. 7/650 S. 61, 155; 7/4361 S. 18, 19; BVerfGE 53, 257 f = FamRZ 1980, 326, 333). Zugleich mit dem Ausspruch der Scheidung soll das versorgungsmäßige Schicksal der Ehegatten voneinander gelöst und dem Ausgleichsberechtigten eine eigenständige Alters- und Invaliditätsversorgung geschaffen werden (vgl. BT-Drucks. 10/5447 S. 16). Ebenso wie nach rechtskräftig durchgeführtem Zugewinnausgleich ein späterer Vermögenserwerb oder Vermögensverfall zum allgemeinen Lebensrisiko eines Ehegatten zählt, das er selbst zu tragen hat, und ebenso wie bei nachhaltiger Sicherung des Unterhalts durch eigene Erwerbstätigkeit (§ 1573 Abs. 4 BGB) oder durch eigenes Vermögen (§ 1577 Abs. 4 BGB) der andere Ehegatte bei späterem Wegfall dieser Sicherung nicht mehr zum Unterhalt herangezogen werden kann, wird auch der Versorgungsausgleich von dem Grundgedanken beherrscht, daß jeder Ehegatte das Risiko einer angemessenen Alterseicherung ab der Scheidung selbst trägt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz läßt § 10 a Abs. 1 VAHRG lediglich dort zu, wo sich Umstände ergeben, die rückwirkend betrachtet den auf die Ehezeit bezogenen Wert einer Versorgung verändern (Abs. 1 Nr. 1) oder zu Umstellungen in der Ausgleichsform führen (Abs. 1 Nr. 2 und 3). Die Abänderung der Erstentscheidung hat „entsprechend”, d.h. nach Maßgabe dieser Veränderungen zu erfolgen (BT-Drucks. 10/6369 S. 21).
Wollte man darüber hinaus jede andere Veränderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Lebensumständen eines geschiedenen Ehegatten, die sich lediglich mittelbar auf seine Versorgungssituation auswirkt – z.B. eine reiche Wiederheirat, Vermögenserwerb oder Vermögensverfall – als selbständige Abänderungsvoraussetzung zulassen, würde das Ziel einer weitgehenden Entflechtung der wirtschaftlichen und personellen Beziehungen der Ehegatten unterlaufen. Denn jeder Ehegatte könnte auch nach Scheidung den Lebensweg des anderen daraufhin verfolgen, ob sich Lebensumstände ergeben haben, die im Nachhinein besehen die Auswirkungen des durchgeführten Versorgungsausgleichs grob unbillig machen, und allein hierauf gestützt ein Abänderungsverfahren einleiten. Für eine derart weitgehende Öffnung des Einstiegs in die Abänderungsmöglichkeit findet sich weder im Gesetz selbst noch in den Gesetzesverhandlungen ein Anhaltspunkt. Sowohl die Fassung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 10/5447 S. 5 f, 16 f) als auch die Gesetz gewordene Fassung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 10/6369 S. 10, 20 f) beziehen sich ausschließlich auf Umstände, die den Wert oder die Ausgleichsform der Versorgungsanrechte betreffen. Eine vom Oberlandesgericht vermutete Regelungslücke, die im Analogiewege zu schließen wäre, ist nicht ersichtlich (wie hier OLG Koblenz FamRZ 1992, 687; Soergel/Minz BGB 12. Aufl. 6. Ergänzungslieferung Oktober 1994 § 10 a VAHRG Rdn. 5; zur Entstehungsgeschichte vgl. auch Hahne FamRZ 1987, 217, 219 f und Wagenitz JR 1987, 53, 54; a.A. Bergner NJW 1990, 678, 680; wohl auch MünchKomm/Dörr BGB 3. Aufl. § 10 a VAHRG Rdn. 8 f, insbesondere 10 a.E.; Soergel/Vorwerk/Lipp a.a.O. 5. Ergänzungslieferung August 1993 vor § 1587 Rdn. 7).
Eine davon zu unterscheidende Frage ist, ob Härtegründe nach § 1587 c BGB im Rahmen einer bereits aus den Gründen des § 10 a Abs. 1 Nr. 1–3 VAHRG eröffneten Abänderungsmöglichkeit Berücksichtigung finden können, und zwar auch über den durch § 10 a Abs. 3 VAHRG gezogenen Rahmen hinaus. Das hat der Senat in der Entscheidung vom 15. März 1989 (a.a.O. S. 726) offengelassen und in der Entscheidung vom 30. September 1992 (XII ZB 142/91 – FamRZ 1993, 175) für den Sonderfall bejaht, daß sich die Ausgleichspflicht aufgrund später eingetretener Umstände im Sinne des § 10 a Abs. 1 Nr. 1–3 VAHRG, die zu einem Abänderungsverfahren führen, umkehrt. Einer endgültigen Entscheidung bedarf diese Frage auch hier nicht.
c) Die Feststellung von Härtegründen und die Beurteilung, ob hinreichende Anhaltspunkte für die sichere Erwartung gegeben sind, der Versorgungsausgleich werde bei Abwägung aller Umstände zu einer groben Unbilligkeit zu Lasten des Ausgleichsverpflichteten führen, ist in erster Linie Sache des Tatrichters. Dessen Beurteilung kann das Gericht der weiteren Beschwerde nur darauf überprüfen, ob der Entscheidung ein Irrtum über den Rechtsbegriff zu entnehmen ist oder ob die wesentlichen Umstände berücksichtigt sind und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (BGHZ 74, 38, 84; Senatsbeschluß vom 9. Mai 1990 a.a.O. S. 1342). Das Oberlandesgericht hat hier zwar im Ergebnis den von der Ehefrau wegen krankheitsbedingter Mehrkosten begehrten völligen Ausschluß des Versorgungsausgleichs verneint. Es hat aber Feststellungen zu der Frage unterlassen, ob die Erkrankung der Ehefrau so schwerwiegend und auf Dauer angelegt ist, daß sie mit hinreichender Sicherheit auch künftig hilfsbedürftig sein und Mehrkosten im behaupteten Umfang haben wird, oder ob die vorgelegten Tatsachen eine solche Erwartung nicht rechtfertigen und damit für eine Anwendung des § 1587 c BGB keine ausreichende Grundlage gegeben ist. Auch fehlt ein Vergleich der beiderseits insgesamt erworbenen Versorgungen, aus dem sich zumindest annähernd Rückschlüsse auf ein grob unbilliges Ausgleichsergebnis ziehen lassen. So würde der Ehemann nach Durchführung des Versorgungsausgleichs in der vom Oberlandesgericht angenommenen Höhe von 758,98 DM über Versorgungsanrechte von insgesamt rund 2.736 DM verfügen, die Ehefrau über solche von 3.933 DM, also rund 1.200 DM mehr, wobei allerdings noch die Frage eines Hinzuerwerbs auf seiten des Ehemannes abzuwägen wäre. Das Oberlandesgericht hat solche Erwägungen nicht angestellt, sondern sie einem späteren Abänderungsverfahren vorbehalten. Eine dem Senat nachprüfbare Ermessensentscheidung liegt damit nicht vor, so daß die Sache zur Nachholung der entsprechenden Würdigung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen ist.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Zysk, Hahne, Gerber
Fundstellen
Haufe-Index 1128076 |
BGHZ |
BGHZ, 344 |
NJW 1997, 56 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1997, 60 |