Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungsunterhalt für die Vergangenheit. Verzugsbegründende Vorausetzungen. Anerkennung der Vaterschaft. Künftiger Betreuungsunterhalt nach Vollendung des dritten Lebensjahres
Leitsatz (amtlich)
a) § 1615l Abs. 3 BGB enthält eine Rechtsgrundverweisung auf § 1613 BGB, weshalb für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB vorliegen müssen, also namentlich eine Aufforderung zur Auskunft oder eine Inverzugsetzung.
b) Ebenso wie beim Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB ist auch ein Antrag auf künftigen Betreuungsunterhalt gem. § 1615l BGB nur dann abzuweisen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres absehbar keine kind- und elternbezogenen Verlängerungsgründe mehr vorliegen (im Anschluss an BGH BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770).
c) Tatbestandliche Feststellungen des Beschwerdegerichts in einer Familienstreitsache können nicht mit der Verfahrensrüge aus §§ 74 Abs. 3 Satz 3, 71 Abs. 3 Nr. 2 lit. b FamFG oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Rechtsbeschwerdegegners angegriffen werden, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 320 ZPO (im Anschluss an BGH, Urt. v. 10.5.2011 - II ZR 227/09, NJW 2011, 2292).
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1, §§ 1613, 1615l; FamFG § 71 Abs. 3 Nr. 2 lit. b, § 74 Abs. 3 S. 3; ZPO § 320
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 4. Zivilsenats als Familiensenat des OLG Köln vom 17.4.2012 aufgehoben, soweit die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Brühl vom 16.11.2011 wegen der Verpflichtung zur Zahlung eines rückständigen Unterhalts für die Zeit von Juli 2010 bis einschließlich Februar 2011i.H.v. 1.749,92 EUR (monatlich 218,74 EUR) und eines monatlich 137 EUR übersteigenden laufenden Unterhalts für die Zeit ab Mai 2013 zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird der Beschluss des AG Brühl abgeändert und der Antrag der Antragstellerin abgewiesen.
Der vorgenannte Beschluss des OLG wird zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - FamG - Brühl vom 16.11.2011 teilweise abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin von Mai 2011 bis April 2013 einen laufenden monatlichen Unterhalt von 218,74 EUR sowie ab Mai 2013 von 137 EUR und einen rückständigen Unterhalt von 1.093,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.5.2011 zu zahlen.
Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz werden der Antragstellerin zu 1/4 und dem Antragsgegner zu 3/4 auferlegt.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
Rz. 1
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB in Anspruch.
Rz. 2
Die Beteiligten sind die nicht verheirateten Eltern eines am 9.4.2010 geborenen Kindes. Am 7.6.2010 erkannte der Antragsgegner die Vaterschaft an. Mit Schreiben vom 17.3.2011 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, rückständigen und laufenden Betreuungsunterhalt in Höhe der Differenz zwischen dem Mindestunterhaltsbedarf einer Nichterwerbstätigen von (seinerzeit) 770 EUR und der von ihr bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente von 551,26 EUR, also 218,74 EUR monatlich zu zahlen.
Rz. 3
Das AG hat den Antragsgegner zur Zahlung eines rückständigen Unterhalts i.H.v. 2.843,62 EUR (für die Zeit von April 2010 bis einschließlich April 2011 - 13x 218,74 EUR) und für die Zeit ab Mai 2011 zu einem monatlichen Unterhalt von 218,74 EUR verurteilt. Das OLG hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Gegen die Verpflichtung, Unterhalt für den Zeitraum von Juli 2010 bis Februar 2011 und für die Zeit ab Mai 2013 in einer 137 EUR übersteigenden Höhe zu leisten, wendet sich der Antragsgegner mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist in dem nach ihrer teilweisen Rücknahme aufrechterhaltenen Umfang begründet.
Rz. 5
1. Zu Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die rückwirkende Inanspruchnahme für den Zeitraum von Juli 2010 bis Februar 2011. Denn die Antragstellerin hat den Antragsgegner erst mit Schreiben vom März 2011 in Verzug gesetzt, obgleich er bereits im Juni 2010 die Vaterschaft anerkannt hatte.
Rz. 6
a) Das Beschwerdegericht hat hierzu ausgeführt, dass die Antragstellerin auch ohne Verzug den von ihr ab April 2010 beanspruchten Betreuungsunterhalt gem. § 1615l BGB verlangen könne. Das ergebe die Auslegung der Vorschrift des § 1615l Abs. 3 Satz 1 und 3 BGB i.V.m. § 1613 Abs. 2 BGB. Der Gesetzgeber habe neben der allgemeinen Verweisung auf die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten gem. § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB in § 1615l Abs. 3 Satz 3 BGB zudem ausdrücklich § 1613 Abs. 2 BGB für entsprechend anwendbar erklärt. Bei dieser Verweisung handele es sich nicht um ein gesetzgeberisches Versehen, sondern um den - allerdings unvollkommenen - Ausdruck dafür, dass Betreuungsunterhalt gem. § 1615l BGB rückwirkend für ein Jahr nach Entstehung des Anspruchs ohne die verzugsbegründenden Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB verlangt werden könne, wenn - wie vorliegend - bei der Geburt des Kindes nach § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB aus rechtlichen Gründen die Geltendmachung nicht möglich war. Denn erst mit der Anerkennung der Vaterschaft gemäß der Anerkennungsurkunde vom 7.6.2010 sei das rechtliche Hindernis weggefallen. Da die Rechtswirkung des § 1615l BGB aber nicht geltend gemacht werden könnte, bevor die Vaterschaft anerkannt oder gerichtlich festgestellt sei, erscheine es wegen der besonderen Rechtsnatur des Anspruchs der nichtehelichen Mutter zwingend, nicht zu unterscheiden zwischen den Zeiten vor und nach der Anerkennung.
Rz. 7
b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 8
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob in Fällen der vorliegenden Art die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen müssen, also namentlich eine Inverzugsetzung erforderlich ist.
Rz. 9
Anders als das Beschwerdegericht, das sich der Auffassung des OLG Schleswig (FamRZ 2004, 563) angeschlossen hat, stellt die wohl herrschende Auffassung in der Literatur maßgeblich auf die Verweisung in § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB ab und will § 1613 BGB insgesamt und ohne Modifikationen zur Anwendung bringen (Staudinger/Engler BGB [2000] § 1615l Rz. 28; Derleder DEuFamR 1999, 84, 87 f.; Wendl/Bömelburg Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl., § 7 Rz. 199; NK-BGB/Schilling 2. Aufl., § 1615l Rz. 45 m.w.N.; s. auch Erman/Hammermann BGB, 13. Aufl., § 1615l Rz. 52).
Rz. 10
Daneben wird im Schrifttum auch die Meinung vertreten, aus der in § 1615l Abs. 3 Satz 3 BGB ausgesprochenen Verweisung auf § 1613 Abs. 2 BGB folge, dass die in Abs. 2 Nr. 1 enthaltene einjährige "Ausschlussfrist" nicht nur für den dort allein aufgeführten Sonderbedarf, sondern für den gesamten Unterhaltsanspruch der Mutter gelten soll (Göppinger/Wax/Maurer Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rz. 1343).
Rz. 11
Der Senat folgt der Auffassung, die maßgeblich auf den Verweis in § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB abstellt und § 1613 BGB insgesamt und ohne Modifikationen anwenden will. Danach enthält § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB eine Rechtsgrundverweisung auf § 1613 BGB, weshalb für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen müssen, also eine Aufforderung zur Auskunft, eine Inverzugsetzung oder aber die Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs.
Rz. 12
aa) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 1615l Abs. 3 BGB. Nach dessen Satz 1 sind die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten entsprechend anzuwenden, also auch § 1613 Abs. 2 BGB. Insoweit besagt die gesonderte Verweisung in § 1615l Abs. 3 Satz 3 BGB auf § 1613 Abs. 2 BGB nichts anderes.
Rz. 13
bb) Darüber hinaus sprechen sowohl der Wille des Gesetzgebers als auch eine teleologische Auslegung für eine Rechtsgrundverweisung auf § 1613 BGB.
Rz. 14
Wie sich der vom Beschwerdegericht zitierten Gesetzesbegründung aus dem Jahr 1967 zum Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.8.1969 (BGBl. I, 1243) entnehmen lässt, sollte es der Mutter ermöglicht werden, Unterhalt für die Vergangenheit auch dann zu erlangen, wenn sie nicht in der Lage war, den Unterhaltspflichtigen in Verzug zu setzen oder zu verklagen. In der Begründung heißt es ausdrücklich, dass "die Unterhaltsansprüche der Mutter unter denselben Voraussetzungen wie die des Kindes (§ 1615d E) auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden können" sollen (BT-Drucks. V/2370, 57). § 1615d BGB, der ebenso wie § 1615l BGB a.F. mit Wirkung zum 1.7.1970 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden ist, lautete wie folgt: "Das Kind kann von seinem Vater Unterhaltsbeträge, die fällig geworden sind, bevor die Vaterschaft anerkannt oder rechtskräftig festgestellt war, auch für die Vergangenheit verlangen." In der Begründung zu dieser Norm, deren entsprechende Anwendung § 1615l Abs. 3 Satz 4 BGB a.F. anordnete, heißt es wiederum: "Es besteht aber kein gerechtfertigter Grund, dem unehelichen Kind auch nach Anerkennung oder rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft noch eine Sonderstellung einzuräumen", weshalb von ihm verlangt werden müsse, dass es "den Vater rechtzeitig in Verzug setzt oder seinen Unterhaltsanspruch rechtshängig macht" (BT-Drucks. V/2370, 47).
Rz. 15
cc) Demgegenüber war der gesonderte Verweis in § 1615l Abs. 3 Satz 4 BGB a.F. (nunmehr Satz 3) auf § 1613 Abs. 2 BGB a.F. (jetzt § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB) ursprünglich von dem Gedanken getragen, den durch den weiteren Verweis auf § 1615d BGB a.F. erweiterten Anspruch der Mutter zugunsten des Unterhaltspflichtigen einzuschränken. Nach § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB kann der Anspruch auf Sonderbedarf nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung nur geltend gemacht werden, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist. Der Gesetzgeber wollte diese Regelung ursprünglich nicht nur auf den Sonderbedarf, sondern auf den gesamten Unterhaltsanspruch der Mutter aus § 1615l BGB anwenden, um zu verhindern, dass der Vater noch nach "unangemessen langer Zeit" in Anspruch genommen werden kann (BT-Drucks. V/2370, 57; s. auch Göppinger/Wax/Maurer Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rz. 1343). Ob für die gesonderte Verweisung auf § 1613 Abs. 2 BGB angesichts der Änderungen, die § 1615l BGB und § 1613 BGB zwischenzeitlich erfahren haben, ein eigenständiger Anwendungsbereich im Sinne einer einjährigen Ausschlussfrist bezogen auf die Fälle des § 1613 Abs. 2 Nr. 2 BGB verbleibt (so Göppinger/Wax/Maurer Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rz. 1343; a.A. Wendl/Bömelburg Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl., § 7 Rz. 199; s. auch NK-BGB/Schilling 2. Aufl., § 1615l Rz. 45), kann hier dahin stehen, da der Zeitraum vor Anerkennung der Vaterschaft nicht mehr Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist.
Rz. 16
c) Da die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Sonderbedarf) hier ersichtlich nicht vorliegen, wäre eine Befreiung von den Anforderungen des § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB nur hinsichtlich des § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB einschlägig, der im Jahr 1998 (BGBl. I, 666) die Regelung des § 1615d BGB ersetzt hat. Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nur für den im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr streitgegenständlichen Zeitraum von April bis Juni 2010 vor.
Rz. 17
Deshalb hätte die Antragstellerin entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts den Antragsgegner nach dessen Vaterschaftsanerkennung wegen des Betreuungsunterhalts zur Auskunft auffordern, in Verzug setzen oder aber den Unterhaltsanspruch rechtshängig machen müssen. Sie hätte dann i.V.m. § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB einen lückenlosen Unterhaltsanspruch geltend machen können.
Rz. 18
2. Für den Zeitraum ab Mai 2013 hat die Rechtsbeschwerde, die sich nur noch gegen die Verpflichtung zur Zahlung eines monatlich 137 EUR übersteigenden Betrages wendet, ebenfalls Erfolg.
Rz. 19
a) Dass das Beschwerdegericht von einer Befristung des Unterhalts abgesehen hat, ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde allerdings nicht zu beanstanden.
Rz. 20
Der Senat hat bereits mit Urteil vom 18.3.2009 (BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rz. 41) entschieden, dass eine Befristung des Betreuungsunterhaltsanspruchs nach der Systematik des § 1570 BGB nicht geboten ist. Danach steht dem betreuenden Elternteil ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt für mindestens drei Jahre nach der Geburt mit Verlängerungsmöglichkeit aus kind- und elternbezogenen Gründen zu. Der Betreuungsunterhalt während der ersten drei Lebensjahre des Kindes und ein daran anschließender weiterer Betreuungsunterhaltsanspruch bilden somit einen einheitlichen Unterhaltsanspruch. Nur dann, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres absehbar keine kind- und elternbezogenen Verlängerungsgründe mehr vorliegen, ist ein Antrag auf künftigen Betreuungsunterhalt abzuweisen.
Rz. 21
Diese Ausführungen gelten gleichermaßen für den Betreuungsunterhaltsanspruch aus § 1615l BGB. Dass sich beide Betreuungsunterhaltsansprüche bezogen auf die Dauer der Anspruchsberechtigung nicht voneinander unterscheiden, ergibt sich bereits aus dem insoweit identischen Wortlaut beider Tatbestände, wonach der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt "für mindestens drei Jahre nach der Geburt" verlangen kann (§ 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB einerseits und § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB andererseits). Im Übrigen verbietet es Art. 6 Abs. 5 GG, hinsichtlich der Dauer des aus kindbezogenen Gründen geschuldeten Betreuungsunterhalts zwischen der Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder zu differenzieren (BVerfG FamRZ 2007, 965).
Rz. 22
Dass im Zeitpunkt der Entscheidung für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes absehbar keine Verlängerungsgründe mehr vorgelegen haben, ist nach den Feststellungen des Beschwerdebeschlusses auszuschließen.
Rz. 23
b) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde jedoch, dass das Beschwerdegericht den Unterhalt der Höhe nach fehlerhaft ermittelt hat. Das Beschwerdegericht hat verkannt, dass der Antragsgegner nicht in vollem Maße leistungsfähig i.S.v. § 1615l Abs. 3 BGB i.V.m. § 1603 Abs. 1 BGB ist.
Rz. 24
aa) Das OLG hat von dem von ihm festgestellten unterhaltsrechtlich bereinigten Einkommen des Antragsgegners i.H.v. 1.461,65 EUR den ungedeckten Bedarf der Antragstellerin von 218,74 EUR abgezogen. Die sich hieraus ergebende Summe (1.242,91 EUR) hat es - vor Abzug des Kindesunterhalts von 225 EUR - an dem dem Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Anspruch aus § 1615l BGB zu belassenden Selbstbehalt gemessen.
Rz. 25
bb) Dies ist rechtsfehlerhaft. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass das OLG vor der Prüfung, ob der dem Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Anspruch aus § 1615l BGB zu belassende Selbstbehalt gewahrt ist, den im Rang vorgehenden Kindesunterhalt hätte abziehen müssen. Erst anhand der sich hieraus ergebenden Differenz lässt sich ersehen, ob der Unterhaltspflichtige leistungsfähig ist. Bei Vorwegabzug des Kindesunterhalts schuldet der Antragsgegner aufgrund seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit bei einem seit dem Jahr 2013 gegenüber dem Anspruch aus § 1615l BGB maßgeblichen Selbstbehalt von 1.100 EUR für den hier noch im Streit stehenden Zeitraum ab Mai 2013 einen monatlichen Unterhalt von gerundet 137 EUR.
Rz. 26
cc) Die Rechtsbeschwerdeerwiderung vermag das gefundene Ergebnis nicht zu erschüttern.
Rz. 27
(1) Zwar rügt die Antragstellerin, die Ermittlung des - ihrer Auffassung nach zu gering bemessenen - Einkommens des Antragsgegners beruhe auf unzureichenden Feststellungen. Dieser, der Sache nach als Gegenrüge zu qualifizierende, Einwand ist jedoch unbeachtlich, weil das Beschwerdegericht die Höhe des Einkommens im unstreitigen Tatbestand seiner Entscheidung wiedergegeben hat.
Rz. 28
Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht mit der Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden (BGH, Urt. v. 10.5.2011 - II ZR 227/09, NJW 2011, 2292 Rz. 19 m.w.N.).
Rz. 29
Entsprechendes gilt in Familienstreitsachen, wie sich aus §§ 74 Abs. 3 Satz 3, 71 Abs. 3 Nr. 2 lit. b FamFG und § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 320 ZPO (vgl. dazu Keidel/Weber FamFG 17. Aufl., § 113 Rz. 4 [zu § 42 FamFG]) ergibt.
Rz. 30
Dass die Antragstellerin einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt hat, ist weder dargetan noch aus den Akten ersichtlich. Demgemäß ist der Senat an die im unstreitigen Tatbestand getroffenen Feststellungen zum Einkommen des Antragsgegners gebunden.
Rz. 31
(2) Auch geht der Einwand der Rechtsbeschwerdeerwiderung fehl, wonach die Voraussetzungen für eine Erhöhung des dem Antragsgegner zu belassenden Selbstbehalts nicht vorgelegen hätten.
Rz. 32
Unstreitig ist insoweit, dass die monatliche Miete von 510 EUR mit 110 EUR über den im Selbstbehalt für die Miete vorgesehenen Pauschalbetrag von 400 EUR liegt (Anm. D. II. der Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2013). Hierzu hat das Beschwerdegericht ausgeführt, dass es ihm im Hinblick auf die zu Lasten des Antragsgegners erfolgte vollständige Anrechnung seiner Nebentätigkeit angemessen erscheine, den erhöhten Wohnbedarf leistungsmindernd zu berücksichtigen. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. auch BGH, Urt. v. 20.12.2006 - XII ZR 137/04, FamRZ 2007, 375, 376).
Rz. 33
3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der Beschluss des Beschwerdegerichts in dem im Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben. Die Sache ist zur Entscheidung reif, so dass der Senat in der Sache abschließend entscheiden kann (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG).
Fundstellen
Haufe-Index 5652665 |
BGHZ 2014, 242 |