Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere räuberische Erpressung
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 21. Juni 2000 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei keine Bestimmung darüber getroffen, auf welche der beiden Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten sowie von fünf Monaten (ohne Bewährung) die erlittene Untersuchungshaft anzurechnen ist. Eine solche Entscheidung ist im Gesetz (§ 51 StGB, § 450 StPO) – im Unterschied zu anderen Fallgestaltungen (vgl. §§ 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 56 f Abs. 3 Satz 2 StGB; § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB; s. auch §§ 31 Abs. 2 Satz 2, 52 JGG) – nicht vorgesehen. Es ist auch nicht erforderlich, im Falle mehrerer gleichzeitig verhängter Freiheitsstrafen einen ausdrücklichen Ausspruch über den Anrechnungsmodus in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 25, 26; Pohlmann/Jabel/Wolf Strafvollstreckungsordnung 7. Aufl. § 39 Rdn. 5 i.V.m. Rdn. 18, 22, 35; a.A. – allerdings nur obiter dictum – BGHSt 27, 287, 288; BGH NStZ 1985, 497; vgl. auch Gribbohm in LK 11. Aufl. § 51 Rdn. 50 [s. aber Rdn. 59: „in der Regel”]; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 260 Rdn. 80 m.w.N. in Fn. 174). Hiervon ist der Senat bereits in seiner Entscheidung über die insoweit ähnlich gelagerte Frage einer Anrechnung der Untersuchungshaft auf den gemäß § 67 Abs. 2 StGB vorab zu vollziehenden Teil der Strafe ausgegangen (BGH NStZ 1991, 508; s. ferner BGH NJW 1972, 730, 731): Aus Anlaß der abgeurteilten Tat erlittene Untersuchungshaft ist nämlich gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB kraft Gesetzes auf zeitige Freiheitsstrafe – und auf Geldstrafe – anzurechnen; einer gerichtlichen Entscheidung bedarf es nicht. Es ist Aufgabe der Vollstreckungsbehörde, an die sich § 51 StGB unmittelbar richtet, bei der Strafzeitberechnung (§§ 37 ff. StVollstrO) den anrechenbaren Freiheitsentzug in Ansatz zu bringen. Allein aus dem Umstand, daß eine Entscheidung des erkennenden Gerichts über die Art der Anrechnung von Untersuchungshaft auf mehrere Freiheitsstrafen konstitutiv wirken würde, kann nicht hergeleitet werden, daß eine solche Bestimmung erforderlich ist; hiervon geht auch § 39 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVollstrO aus.
Es ist in der hier gegebenen Fallgestaltung praktisch gar nicht möglich, die Frage der Anrechnung schon im Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils in einer Weise zu entscheiden, die im Blick auf die Fiktion der Strafverbüßung nach § 57 Abs. 4 StGB nicht in Widerspruch zu der materiell-rechtlichen Regelung der Mindestverbüßungszeiten in § 57 StGB und der diese sichernden verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 454 b StPO treten kann (vgl. Pohlmann/Jabel/Wolf aaO § 39 Rdn. 18). Die Anrechnung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB erstreckt sich nämlich auf die Untersuchungshaft, die der Angeklagte bis zu dem Tag erlitten hat, an dem die Entscheidung in Rechtskraft erwächst (vgl. § 39 Abs. 2 Satz 1 StVollstrO), ohne daß sich das – im wesentlichen von etwaigen Rechtsmitteln abhängige – Ausmaß dieser Zeitspanne verläßlich einschätzen ließe (vgl. BGH NStZ 1991, 508; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 51 Rdn. 6). Über die Art der Anrechnung kann daher sachgemäß erst nach Eintritt der Rechtskraft durch die Vollstreckungsbehörde befunden werden, etwa in der Weise, daß durch Aufteilung der Untersuchungshaft möglichst früh die Mindestverbüßungszeiten des § 57 StGB erreicht werden (OLG Frankfurt NStZ 1990, 147 f.); das Fehlen einer ausdrücklichen Anrechnungsregel – wie sie das Gesetz für andere Fälle vorsieht (vgl. etwa § 51 Abs. 4 Satz 1 StGB, § 450 a Abs. 1 [s. BGH NStZ 1985, 497] und 2 StPO) – steht einer solchen Bestimmung nicht entgegen. Eine gerichtliche Entscheidung über die Berechnung der erkannten Strafen ist dem Verfahren nach § 458 StPO, das dem Verurteilten den erforderlichen Rechtsschutz sichert, vorbehalten; das gilt insbesondere auch für die Anrechnung der Untersuchungshaft in einem Fall wie dem hier zu entscheidenden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 458 Rdn. 3; Paeffgen in SK-StPO § 458 Rdn. 7).
Es entspricht daher auch ständiger Übung in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Urteile, in denen der Tatrichter mehrere (Gesamt-)Freiheitsstrafen verhängt hat, ohne eine Bestimmung über die Art der Anrechnung erlittener Untersuchungshaft zu treffen, nicht zu beanstanden. Im gleichen Sinne hat das Bundesverfassungsgericht in Fällen sog. verfahrensfremder Untersuchungshaft darauf hingewiesen, daß eine in Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB gebotene Anrechnung auch im Verfahren der Strafzeitberechnung vorgenommen werden kann (BVerfG StV 1998, 664, 666; 1999, 102, 104).
An seiner entgegenstehenden Rechtsprechung im Urteil vom 18. März 1976 – 4 StR 65/76 – hält der Senat nicht fest. Über die Fälle des Zusammentreffens von Freiheits- und Geldstrafe (BGHSt 24, 29, 30; BGH bei Dallinger MDR 1970, 196; NJW 1992, 123, 125, insoweit in BGHSt 38, 7 nicht abgedruckt; ebenso schon BGH NJW 1962, 2311 und Urteil vom 6. September 1966 – 1 StR 396/66 zu § 60 StGB a.F.; BayObLG NJW 1972, 1631, 1632; Lemke in NK/StGB § 51 Rdn. 2, 22) sowie mehrerer anrechenbarer Freiheitsentziehungen (vgl. BGH NStZ 1990, 231, 232) ist hier nicht zu befinden.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen