Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsauslgeich, hier: keine Dynamisierung der zum Ruhegehalt eines Beamten gezahlten jährlichen Sonderzuwendung
Leitsatz (amtlich)
Die zum Ruhegehalt gezahlte, seit 1994 auf den Stand der Bezüge für Dezember 1993 festgeschriebene jährliche Sonderzuwendung unterliegt als einheitlicher Bestandteil der Beamtenversorgung keiner Dynamisierung in entsprechender Anwendung des § 1587 a Abs. 3 und 4 i.V.m. Abs. 5 BGB.
Normenkette
BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3-5; SZG §§ 7, 13
Verfahrensgang
OLG Hamm (Aktenzeichen 8 UF 205/98) |
AG Dorsten (Aktenzeichen 12 F 91/97) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 1 werden der Beschluß des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. August 1998 aufgehoben und der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Dorsten vom 14. April 1998 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Zu Lasten der Versorgungsanwartschaften der Antragstellerin bei der Bundesanstalt für Arbeit (Personalnummer: … ….) werden auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen Nr. .. ……. … monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 100,88 DM, bezogen auf den 31. März 1997, begründet.
Der Monatsbetrag der zu begründenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 1.000 DM.
Gründe
I.
Auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 16. April 1997 zugestellten Scheidungsantrag der Ehefrau (Antragstellerin) hat das Amtsgericht die am 19. Dezember 1986 geschlossene Ehe der Parteien vorab geschieden.
Während der Ehezeit (1. Dezember 1986 bis 31. März 1997, § 1587 Abs. 2 BGB) waren beide Ehegatten als Beamte im öffentlichen Dienst tätig. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die am 15. Februar 1962 geborene Ehefrau bei der Bundesanstalt für Arbeit ehezeitbezogene Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 891,60 DM erworben, der am 28. Februar 1954 geborene Ehemann bei der Deutschen Post AG solche von monatlich 689,84 DM, jeweils einschließlich der jährlich gewährten Sonderzuwendung.
Einem von den Parteien notariell vereinbarten Ausschluß des Versorgungsausgleichs hat das Amtsgericht die erforderliche Genehmigung versagt und den Versorgungsausgleich durchgeführt, indem es gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB zu Lasten der werthöheren Versorgungsanwartschaften der Ehefrau für den Ehemann gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 93,13 DM begründet hat. Dabei hat es die zur Versorgung gehörende Sonderzuwendung als nicht dynamisch angesehen und dem Versorgungsausgleich dementsprechend nur den jeweils abgezinsten Betrag der Sonderzuwendung zugrunde gelegt.
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Bundesanstalt für Arbeit hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt die Bundesanstalt ihr Ziel, den Versorgungsausgleich auf der Grundlage des Nominalbetrags der Sonderzuwendung durchzuführen, weiter.
II.
Die weitere Beschwerde hat Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat die Auffassung vertreten, daß die zur Beamtenversorgung gehörende jährliche Sonderzuwendung aufgrund des Umstands, daß sie hinsichtlich ihrer Bemessungsgrundlagen auf dem Stand der Bezüge von Dezember 1993 eingefroren ist und diese Festschreibung auf unbestimmte Zeit gilt, nicht mehr als dynamischer Bestandteil der Beamtenversorgung angesehen werden könne, sondern wie eine statische Versorgung behandelt werden müsse. Dementsprechend müsse bei der Ermittlung der in den Versorgungsausgleich einzustellenden ehezeitanteiligen Beamtenversorgung der jeweilige Ehezeitanteil der Sonderzuwendung herausgerechnet und gesondert entsprechend § 1587 a Abs. 3 und 4 BGB wie eine statische Betriebsrente mit Hilfe der Faktoren der Barwertverordnung und der jährlich bekannt gemachten Rechengrößen in eine dynamische Rente umgerechnet werden. Das Oberlandesgericht ist dabei der Berechnung des Amtsgerichts gefolgt, welches auf der Grundlage der mitgeteilten Versorgungsauskunft der Bundesanstalt für Arbeit für die Ehefrau ein ehezeitanteiliges Ruhegehalt von 827,05 DM und eine ehezeitanteilige Sonderzuwendung von 64,55 DM (umgelegt auf den Monat) angenommen und letztere in einen (dynamischen) Betrag von 5,96 DM umgerechnet hat, so daß für die Ehefrau von einer ausgleichspflichtigen Versorgung von insgesamt 833,01 DM auszugehen sei. Für den Ehemann wurden, ausgehend von der Auskunft der Deutschen Post AG, ein ehezeitanteiliges Ruhegehalt von 639,84 DM und eine ehezeitanteilige Sonderzuwendung von (umgelegt) 50 DM ermittelt und letztere in einen (dynamischen) Betrag von 6,92 DM umgerechnet, so daß für den Ehemann von einer ehezeitanteiligen Versorgung von insgesamt 646,76 DM ausgegangen wurde. In Höhe der Hälfte der beiderseitigen Differenz, nämlich 93,13 DM ((833,01 DM - 646,46 DM): 2) hat es zu Lasten der Ehefrau für den Ehemann gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB monatliche Rentenanwartschaften begründet.
2. Dieser an § 1587 a Abs. 3 und 4 BGB ausgerichteten Berechnungsmethode kann nicht gefolgt werden, da sie nicht der Systematik des Gesetzes entspricht.
Versorgungsempfängern wird – ebenso wie aktiven Beamten gemäß § 67 BBesG – eine jährliche Sonderzuwendung nach Maßgabe des Gesetzes über die jährliche Sonderzuwendung gewährt (vgl. §§ 2 Abs. 2, 50 Abs. 4 BeamtVG i.V.m. dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung – SZG – in der Fassung des Art. VI Nr. 2 des Zweiten BesVNG vom 23. Mai 1975, BGBl. I S. 1173, zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes zur Umsetzung des Versorgungsberichts – Versorgungsreformgesetz 1998 – vom 29. Juni 1998, BGBl. I S. 1666).
Seit 1994 wird diese Sonderzuwendung aufgrund von Sparmaßnahmen nicht mehr wie bisher in Höhe der jeweiligen laufenden Bezüge für den Monat Dezember gewährt, sondern sie ist hinsichtlich ihrer Bemessungsgrundlagen (Grundgehalt, Familienzuschlag, Amts- und Stellenzulagen etc., vgl. § 6 SZG) auf den Stand von Dezember 1993 eingefroren. Diese zunächst auf die Folgejahre 1994 bis 1996 beschränkte Regelung (Art. 4 des Beamtenbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes vom 24. August 1994, BGBl. I S. 2229) wurde durch Art. 4 des Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 1996/97 vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 590) für zeitlich unbefristet erklärt (vgl. Kümmel Beamtenversorgungsgesetz Kommentar Stand März 1998 § 50 BeamtVG Anm. 20; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer Beamtenversorgungsgesetz Kommentar Stand September 1998 Erl. 2.4 zu § 2 und Erl. 9.1.2.2. zu § 50 BeamtVG). Nach der Übergangsregelung des § 13 SZG in der Fassung des Versorgungsreformgesetzes 1998 wird die Sonderzuwendung mit Hilfe eines vom Bundesminister des Innern jährlich bekannt gemachten Bemessungsfaktors ermittelt, der sich nach dem Verhältnis zwischen den Bezügen, die regelmäßig angepaßt werden, im Dezember 1993 und jeweils im Dezember des laufenden Jahres richtet. Er wird auf die jeweiligen Dezemberbezüge im Sinne des § 7 SZG angewandt. Er betrug für 1995 und 1996 (mangels Besoldungserhöhung) einheitlich 0,95, für 1997 0,9378 und für 1998 0,9239. Änderungen der persönlichen Bemessungsgrundlagen in der Zeit ab Dezember 1993, wie etwa Änderung der Besoldungsgrößen durch Beförderungen, Erhöhung der Dienstaltersstufen, Amts- und Stellenzulagen oder familienbezogene Erhöhungen werden berücksichtigt, ebenso die durch das Dienstrechtsreformgesetz vom 24. Februar 1997 (BGBl. I S. 322) bedingten Veränderungen. Der Versorgungsempfänger nimmt daher bei der Ermittlung des Grundbetrages der Sonderzuwendung an den Änderungen seiner persönlichen Verhältnisse sowie an Auswirkungen dienstrechtlicher Regelungen teil, nicht aber an den allgemeinen Anpassungen der Versorgungsbezüge (Kümmel aaO § 50 Anm. 20; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer aaO Erl. 9.1.2.2. zu § 50).
Dem Oberlandesgericht ist zwar darin beizupflichten, daß die Sonderzuwendung faktisch zu einer statischen Leistung geworden ist. Eine Dynamik ergibt sich – für die Zwecke des Versorgungsausgleichs – entgegen der Auffassung der Versorgungsträger auch nicht aus dem Umstand, daß Veränderungen der persönlichen Bemessungsgrundlagen in die Berechnung einfließen und zu Erhöhungen führen können. Denn im Rahmen des Versorgungsausgleichs haben solche Veränderungen, soweit sie nach Ehezeitende eintreten, außer Betracht zu bleiben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. September 1991 - XII ZB 161/88 - FamRZ 1991, 1421, 1424; vom 10. September 1997 - XII ZB 35/95 - FamRZ 1998, 94, 96; Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 3. Aufl. § 1587 Rdn. 37; § 10 a VAHRG Rdn. 16 u. 29 jeweils m.w.N.). Daraus folgt andererseits jedoch nicht, daß die Sonderzuwendung als statischer Bestandteil aus der Beamtenversorgung ausgesondert und – ähnlich einer statischen betrieblichen oder sonstigen Versorgung – gemäß § 1587 a Abs. 3 und 4 BGB in eine dynamische Versorgung umgerechnet werden muß. Dies widerspräche nicht nur der Natur der Sonderzuwendung als Bestandteil der Beamtenversorgung, sondern auch dem System der Wertermittlung gemäß § 1587 a BGB.
Die in einem Sondergesetz geregelte Sonderzuwendung zählt zwar nicht zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen des § 5 BeamtVG (Kümmel aaO § 5 BeamtVG Anm. II 3). Sie ist aber Bestandteil der Besoldung aktiver Beamter (vgl. §§ 1 Abs. 3 Nr. 2 und 67 BBesG) und gehört kraft ausdrücklicher Bestimmung in §§ 2 Abs. 2 und 50 Abs. 4 BeamtVG zur Versorgung der Ruhestandsbeamten (zur Entwicklung und Grundlage dieser Regelung vgl. Kümmel aaO § 2 Anm. III 7.1; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer aaO Erl. 2 zu § 2 Anm. 2.1 und 2.2).
§ 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Bestandteilen der Versorgung aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, sondern sieht sie als einheitliche Versorgung an, die insgesamt nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB zu bewerten ist. Dabei gibt das Gesetz vor, daß die Beamtenversorgung – ebenso wie die gesetzliche Rentenversicherung – als dynamisch anzusehen und ohne Rücksicht auf ihre jeweiligen Steigerungsraten immer mit ihrem Nominalbetrag auszugleichen ist. Das folgt auch aus § 1587 a Abs. 3 und 4 BGB, wo die Beamtenversorgung und die ihr gleichgestellte gesetzliche Rente zum Vergleichsmaßstab für Anrechte nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 bis 5 BGB (betriebliche und sonstige Versorgungen sowie private Rentenversicherungen) bestimmt werden. Da diese Anrechte zum Zwecke der Saldierung in den Einmalausgleich einbezogen werden müssen, jedoch oft unterschiedlicher Qualität sind und nicht oder nicht im gleichen Umfang an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt werden, müssen sie zuvor in vergleichbare Werte umgerechnet werden, um eine gleichmäßige Teilhabe der Ehegatten an den ehezeitbezogenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten (Johannsen/Henrich/Hahne aaO § 1587 a Rdn. 231). Diese Umrechnung ist jedoch nur für die in § 1587 a Abs. 3 und 4 BGB genannten Versorgungsanrechte nach Abs. 2 Nr. 3 bis 5 BGB vorgesehen. Sie kann auf die Sonderzuwendung, die ihrerseits als Bestandteil der Beamtenversorgung zu jenem Vergleichsmaßstab gehört, an dem sich die anderen Versorgungen ausrichten, nicht angewendet werden. Dies kann auch nicht mit einer analogen Anwendung des § 1587 a Abs. 5 BGB begründet werden (so aber OLG Hamm FamRZ 1998, 1361, 1362). Dieser dient als Auffangtatbestand für alle Versorgungen, die sich weder ihrer Art noch ihrer Berechnungsmodalität nach einer der in § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 bis 5 BGB genannten Versorgungen zuordnen lassen und ermöglicht für diesen Fall eine Berechnung nach billigem Ermessen in sinngemäßer Anwendung der in Nr. 1 bis 5 aufgezählten Berechnungsmöglichkeiten. Dazu gehört die Sonderzuwendung indessen nicht, da sie Bestandteil der in Nr. 1 genannten Beamtenversorgung ist.
Die Festschreibung der Sonderzuwendung führt zwar zu einer Verringerung der Dynamik. Diese wirkt sich aber nicht isoliert auf die Sonderzuwendung aus, sondern erfaßt die Beamtenversorgung insgesamt. Entsprechendes würde auch gelten, wenn einzelne ruhegehaltfähige Zulagen von der linearen Erhöhung der Beamtenversorgung ausgenommen würden. Der Gesetzgeber könnte statt dessen auch, wie bereits geschehen, die jährlichen Anpassungsraten der Grundversorgung verringern oder zeitweise entfallen lassen. In ihrer Wirkung auf die Dynamik der Beamtenversorgung stehen sich solche Sparmaßnahmen des Gesetzgebers gleich. Sie rechtfertigen es aber nicht, die Sonderzuwendung aus dem gesamten Versorgungsgefüge herauszulösen und einer Sonderbehandlung zu unterziehen (wie hier Kemnade FamRZ 1998, 1363).
3. Damit können die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht bestehenbleiben. Der Senat kann auf der Grundlage der vorgelegten Versorgungsauskünfte, gegen die von seiten der Beteiligten keine Einwände erhoben wurden und auch sonst keine Bedenken ersichtlich sind, selbst entscheiden. Danach sind für den Ehemann – dem Antrag der Bundesanstalt für Arbeit entsprechend – gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB zu Lasten der Versorgungsanwartschaften der Ehefrau bei der Bundesanstalt für Arbeit monatliche Rentenanwartschaften von 100,88 DM ((891,60 DM - 689,84 DM): 2) auf seinem Rentenversicherungskonto bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen zu begründen. Weitere in die Ehezeit fallende Versorgungsanrechte haben die Parteien nicht.
Gegen die Versagung der Genehmigung des vereinbarten Versorgungsausgleichsverzichts in erster Instanz haben die Parteien kein Rechtsmittel eingelegt.
Unterschriften
Blumenröhr, Zysk, Hahne, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 539526 |
FamRZ 1999, 713 |
NJW-RR 1999, 802 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 1999, 608 |
ZBR 1999, 228 |
DÖD 2000, 30 |
MDR 1999, 483 |
FF 1999, 144 |