Tenor
Zuständig für die Bewährungsaufsicht und die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung beziehen, ist der Jugendrichter bei dem Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt.
Gründe
Rz. 1
Das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Hannover hat durch Urteil vom 31. August 2018 die Vollstreckung der gegen den Verurteilten verhängten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat am 13. August 2020 beantragt, die Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen. Da der Verurteilte jedenfalls vor dem 11. August 2020 nach Stuttgart verzogen ist und dort – ohne gemeldet zu sein – bei den Eltern seiner Freundin lebt, hat das Amtsgericht – Jugendrichter – Hannover das Verfahren gemäß § 58 Abs. 3 Satz 2 JGG dem Amtsgericht – Jugendrichter – Stuttgart-Bad Canstatt übertragen. Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Canstatt hat die Übernahme unter Hinweis auf die nicht ermittelbare Meldeanschrift des Verurteilten abgelehnt.
Rz. 2
1. Als gemeinsames oberes Gericht nach § 58 Abs. 3 Satz 3, § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen; die Amtsgerichte Hannover (OLG Celle) und Stuttgart-Bad Cannstatt (OLG Stuttgart) liegen im Zuständigkeitsbereich verschiedener Oberlandesgerichte.
Rz. 3
2. Zuständig für die Bewährungsaufsicht und die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 31. August 2018 beziehen, ist der Jugendrichter bei dem Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt.
Rz. 4
a) Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 17. Dezember 2020 zutreffend ausgeführt, dass die förmlichen Voraussetzungen einer Übertragung gemäß § 58 Abs. 3 Satz 2 JGG vorliegen.
Rz. 5
b) Der Senat teilt auch die Auffassung des Generalbundesanwalts, dass die Übertragung der Sache weder willkürlich noch unzweckmäßig ist. Dieser hat insoweit u.a. ausgeführt:
„[D]as Amtsgericht Hannover [hat] besondere Gründe für die Übertragung der Bewährungsaufsicht auf das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt benannt. Der Verurteilte hält sich nicht nur im dortigen Zuständigkeitsbereich auf und pflegt in Stuttgart einen regelmäßigen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 1997 – 2 ARs 81/97, bei Böhm, NStZ 1997, 483). Es steht außerdem eine Anhörung zu einem beantragten Bewährungswiderruf an und die Entfernung zwischen Hannover und Stuttgart ist beachtlich. Unzweckmäßig ist die Übertragung der nachträglichen Entscheidungen im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 JGG jedoch, wenn bereits zum Zeitpunkt der Übertragung absehbar ist, dass der Aufenthalt des Verurteilten im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts, an das die Bewährungsüberwachung übertragen werden soll, nur vorübergehend und von kurzer Dauer sein wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 1995 [– 2 ARs 394/95], bei Kusch, NStZ 1996, 323, 327; und vom 25. Mai 2005 – 2 ARs 121/05, BeckRS 2005, 07006). Dies ist hier aber nicht der Fall. Der Verurteilte lebt bereits seit Mitte August 2020 in Stuttgart, ohne dass ein beabsichtigter Wechsel des Aufenthaltsortes ersichtlich wäre. Bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 58 Abs. 3 Satz 2 JGG „in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält”) kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob eine Meldeanschrift bekannt ist (vgl. Schatz, in: Diemer/Schatz/Sonnen JGG, 8. Aufl., § 58 Rn. 11; vgl. dort auch § 42 Rn. 23) – hier weigert sich der Verurteilte, den Gerichten eine solche mitzuteilen. Die Einrichtung des Postfachs in Stuttgart spricht vielmehr für seinen ständigen Aufenthalt dort.”
Unterschriften
Franke, Appl, Zeng, Grube, Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 14373088 |
StV 2022, 44 |