Verfahrensgang
LG Marburg (Urteil vom 18.12.2019; Aktenzeichen 2 Js 8377/17 12 KLs) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 18. Dezember 2019, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dies gilt auch für die vom Landgericht getroffene Einziehungsanordnung.
Rz. 3
2. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 4
a) Bereits die Strafrahmenwahl der Strafkammer begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 5
Das Landgericht hat der Festsetzung der Einzelstrafen den Strafrahmen für besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 1a StGB von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zugrunde gelegt. Dabei ist es vom Vorliegen zweier Regelbeispiele gemäß § 335 Abs. 2 Nr. 2 StGB und § 335 Abs. 2 Nr. 3 Var. 1 StGB ausgegangen und hat (trotz festgestellter strafmildernder Umstände) ein Entfallen der bei Vorliegen eines Regelbeispiels gegebenen Regelwirkung verneint. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft.
Rz. 6
Die Strafkammer hat zu Unrecht die Voraussetzungen des Regelbeispiels nach § 335 Abs. 2 Nr. 2 StGB angenommen. Danach liegt ein besonders schwerer Fall in der Regel vor, wenn der Täter fortgesetzt Vorteile annimmt, die er als Gegenleistung dafür gefordert hat, dass er eine Diensthandlung künftig vornehme. Diese Voraussetzungen sind nach den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Der Angeklagte hat zwar fortgesetzt Vorteile für pflichtwidrige Diensthandlungen angenommen, hat sie aber nicht als Gegenleistung hierfür gefordert. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift sind damit nur diejenigen Fälle erfasst, in denen ein Amtsträger sich aus eigenem Antrieb ständig für die Verletzung von Diensthandlungen bezahlen lässt (vgl. BT-Drucks. 13/5584, S. 17). Hier aber ist der Mitangeklagte L. von sich aus an den Angeklagten herangetreten und hat erklärt, in Zukunft einen 10%-igen Gebührenabschlag vorzunehmen und im Gegenzug auch zukünftig einen Großteil der im Rahmen seiner Tätigkeiten anstehenden Beurkundungen im Notariat des Angeklagten vornehmen zu lassen. Der Angeklagte hat sich darauf nach den Feststellungen des Landgerichts in dem Bewusstsein eingelassen, dass er durch die faktische Unterschreitung der gesetzlichen Beurkundungsgebühren seine Pflicht zur Gebührenerhebung aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO verletzt, hat damit aber nicht von sich aus die Bezahlung seiner pflichtwidrigen Diensthandlung „gefordert”.
Rz. 7
Der Senat kann – trotz des Umstands, dass das Landgericht rechtsfehlerfrei ein weiteres Regelbeispiel nach § 335 Abs. 2 StGB angenommen hat – nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung das Vorliegen eines besonders schweren Falles verneint hätte und bei Zugrundelegung des Normalstrafrahmens zu geringeren Einzelstrafen gelangt wäre.
Rz. 8
b) Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen und entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Da es sich um einen bloßen Wertungsfehler handelt, bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Rz. 9
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe seine Taten durch Wiedereinbuchung der offenen Restbeträge mit dem Datum der Rechnungserstellung bzw. des Gebührenstornos vertuscht, rechtlich nicht unbedenklich erscheint (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl., § 46 Rn. 49).
Unterschriften
Franke, Krehl, Eschelbach, Zeng, Meyberg
Fundstellen
Haufe-Index 14373037 |
wistra 2021, 278 |
NStZ-RR 2021, 109 |
StV 2021, 735 |