Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 13.02.2020; Aktenzeichen 412 Js 111/19 II 2.a KLs 7/19) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 13. Februar 2020 wird
- das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen Ziffer II.10 bis II.20, III.21 bis III.24 und III.26 bis III.28 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last;
das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft,
aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist
- des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs und Überlassens einer vollautomatischen Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb einer Schusswaffe und mit vorsätzlichem Überlassen einer Schusswaffe an einen Nichtberechtigten sowie
- des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Schusswaffen zur Überlassung an einen Nichtberechtigten in sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Erwerb, Besitz und Führen erlaubnispflichtiger halbautomatischer Kurzwaffen und mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Schusswaffen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Munition und mit vorsätzlichem unerlaubten Überlassen von Munition an einen Nichtberechtigten;
bb) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben;
cc) im Ausspruch über die Einziehung dahin abgeändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.050 EUR angeordnet wird.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen „vorsätzlichen Erwerbs und Überlassens einer verbotenen vollautomatischen Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichen Erwerbs und Überlassens einer erlaubnispflichtigen halbautomatischen Schusswaffe sowie wegen vorsätzlichen Erwerbs erlaubnispflichtiger halbautomatischer Schusswaffen in Überlassungsabsicht jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichen Erwerbs, Besitzes und Führens erlaubnispflichtiger halbautomatischer Kurzwaffen und vorsätzlichen Handeltreibens mit erlaubnispflichtigen halbautomatischen Schusswaffen in jeweils sieben Fällen, davon in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit vorsätzlichen Erwerbs und Überlassens erlaubnispflichtiger Munition und wegen vorsätzlichen Besitzes und Führens erlaubnispflichtiger halbautomatischer Kurzwaffen in Tateinheit mit vorsätzlichen Handeltreibens mit erlaubnispflichtigen halbautomatischen Schusswaffen in jeweils 15 Fällen und wegen vorsätzlichen Erwerbs und Besitzes erlaubnispflichtiger Munition in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichen Erwerbs und Besitzes einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe” zu der Gesamtstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung des Wertes des „Erlangten” in Höhe von 54.450 EUR angeordnet.
Rz. 2
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur teilweisen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO, einer Änderung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung der Einzelstrafen in den verbleibenden Fällen. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe sowie eine Änderung der Einziehungsentscheidung nach sich. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 3
1. Soweit der Angeklagte in den Fällen II.10 bis II.20, III.21 bis III.24 und III.26 bis III.28 der Urteilsgründe wegen vorsätzlichen Besitzes und Führens erlaubnispflichtiger halbautomatischer Kurzwaffen in Tateinheit mit vorsätzlichem Handeltreiben mit erlaubnispflichtigen halbautomatischen Schusswaffen sowie wegen vorsätzlichen Erwerbs und Besitzes erlaubnispflichtiger Munition in Tateinheit mit vorsätzlichem Erwerb und Besitz einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe verurteilt worden ist, stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil sich auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen das konkurrenzrechtliche Verhältnis dieser (Verkaufs-) Fälle zu den (Erwerbs-) Fällen I.1 bis I.9 der Urteilsgründe nicht sicher beurteilen lässt (zur konkurrenzrechtlichen Bewertung vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. März 2006 – 4 StR 596/05, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 1; vom 30. November 2010 – 1 StR 574/10 Rn. 7 u. 13).
Rz. 4
2. Die Teileinstellung des Verfahrens führt zu einer Änderung des Schuldspruchs, den der Senat neu gefasst hat, sowie zum Wegfall der für diese Taten verhängten Einzelstrafen. Darüber hinaus entzieht sie der insoweit angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen die Grundlage. Der Senat ändert die Einziehungsentscheidung entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts vom 20. Januar 2021 ab.
Rz. 5
3. Auch der Strafausspruch in den verbleibenden Fällen I.1 bis I.9 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Strafmilderung wegen einer vom Angeklagten geleisteten Aufklärungshilfe (§ 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 6
a) Der fakultative Strafmilderungsgrund der Aufklärungshilfe gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB kommt in Betracht, wenn der Täter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Straftat nach § 100a Abs. 2 StPO, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, wobei sich sein Aufklärungsbeitrag in Fällen, in denen er – wie hier – an der Tat beteiligt war, über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken muss (§ 46b Abs. 1 Satz 3 StGB). Einem Aufklärungserfolg im Sinne dieser Vorschrift kann auch dann noch wesentliches Gewicht für die Aufklärung der Tat eines anderen Beteiligten zukommen, wenn hierdurch wichtige Tatsachen oder Beweise offenbart werden oder den bereits vorhandenen Erkenntnissen eine sicherere Grundlage verschafft wird (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2019 – 5 StR 479/18, NStZ-RR 2019, 112, 114; Beschlüsse vom 27. August 2019 – 1 StR 586/18, NStZ-RR 2019, 371, 372 und vom 9. Januar 2020 – 4 StR 345/19, NStZ 2020, 556 Rn. 9 [zu § 31 BtMG]).
Rz. 7
b) Die Ablehnung der Anwendung des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB mit der Begründung, der Angeklagte habe die Angaben des vormals Mitangeklagten V. lediglich bestätigt und teilweise ergänzt, aber nicht dazu beigetragen, dass weitere Taten des V. aufgedeckt wurden, greift zu kurz und lässt besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Verständnis des Rechtsbegriffs des wesentlichen Aufklärungserfolgs im Sinne des § 46b StGB ausgegangen ist. Ein Aufklärungserfolg im Sinne des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB kann auch dann vorliegen, wenn die Angaben des Angeklagten den bisher zu diesem Zeitpunkt gewonnenen Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden eine sicherere Grundlage verschafft haben; zu dieser naheliegenden Möglichkeit verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
Rz. 8
c) Darüber hinaus hat das Landgericht bei seiner Entscheidung nicht in den Blick genommen, dass der Angeklagte über seine Angaben zu den eigenen Waffenankäufen von dem Verurteilten V. hinaus umfassende Angaben zu seinen Abnehmern gemacht hat, die den Ermittlungsbehörden zuvor unbekannt waren.
Rz. 9
Zwar verlangt § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, dass die aufgedeckte Tat mit der abgeurteilten im Zusammenhang steht. Ein solcher Zusammenhang setzt jedoch nicht voraus, dass die Taten Teil derselben prozessualen Tat sind. Vielmehr genügt es, dass sie Einzeldelikte eines kriminellen Gesamtgeschehens sind, mithin ein innerer oder inhaltlicher Bezug zwischen ihnen besteht (BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2020 – 3 StR 141/20 Rn. 5; vom 1. Juli 2020 – 2 StR 91/20, NStZ-RR 2020, 304, 305 und vom 3. März 2015 – 3 StR 595/14 Rn. 9; vgl. außerdem Beschluss vom 27. Januar 2015 – 5 StR 603/14 [tatplangemäßer Weiterverkauf an einen Hehler]; Urteil vom 20. März 2014 – 3 StR 429/13, StV 2014, 619, 620 [zu § 31 BtMG]; BT-Drucks. 17/9695, S. 8). Ein solcher innerer Bezug zwischen den Ankäufen und Weiterverkäufen der Waffen liegt hier ungeachtet der konkurrenzrechtlichen Einordnung der An- und Verkäufe bereits deshalb nahe, weil der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen sämtliche von dem Verurteilten V. erworbenen Waffen – wie von Anfang an geplant – ausschließlich an die von ihm benannten Abnehmer weiterverkaufte.
Rz. 10
d) Der Senat vermag ein Beruhen des Strafausspruchs auf diesem Rechtsfehler nicht auszuschließen (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
Rz. 11
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 12
Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird gegebenenfalls die Prüfungsreihenfolge bei Zusammentreffen von minder schwerem Fall und vertyptem Strafmilderungsgrund zu beachten haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2020 – 4 StR 345/19 Rn. 11; vom 11. Juli 2019 – 1 StR 94/19 Rn. 5).
Rz. 13
Die im Rahmen der Bemessung der Gesamtstrafe angestellte strafschärfende Erwägung, dass „die Taten ausschließlich der eigenen Gewinnerzielung dienten”, ist rechtlich nicht unbedenklich. Sie lässt besorgen, dass das Landgericht ein Tatbestandsmerkmal, das in den Fällen I.1 bis I.7 bereits Bestandteil des Waffenhandels ist (zum Begriff des Waffenhandels vgl. Abschnitt 2 Nr. 9 der Anlage 1 zum Waffengesetz), entgegen § 46 Abs. 3 StGB bei der Strafzumessung rechtsfehlerhaft erneut zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat.
Unterschriften
Sost-Scheible, Quentin, Bartel, Rommel, Maatsch
Fundstellen
Haufe-Index 14373095 |
NStZ-RR 2021, 207 |
StV 2022, 387 |
StraFo 2021, 214 |