Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.02.2003) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten K. gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 2003 wird
das Verfahren vorläufig eingestellt, soweit dem Angeklagten zur Last liegt, durch die Teilnahme an der Demonstration am 1. Mai 2001 einem Vereinsverbot zuwider gehandelt zu haben;
im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
- der Schuldspruch dahin geändert, daß er des Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit dem Zuwiderhandeln gegen ein Vereinsverbot schuldig ist;
- der Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen in vollem Umfang aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten A. gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 2003 wird
- der Schuldspruch dahin neu gefaßt, daß er des Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig ist;
- der Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Strafaussetzung zur Bewährung versagt wurde.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen „Verstoßes gegen das Vereinsgesetz in zwei Fällen, in einem Fall tateinheitlich mit Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall, der gefährlichen Körperverletzung, des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Der Angeklagte A. wurde wegen Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Beim Angeklagten K. hat das Landgericht zwei selbständige Verstöße gegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG angenommen, weil er sowohl durch seine Teilnahme an der Demonstration am 1. Mai 2001 als auch durch seine Einschaltung in die Erhebung und Verwaltung von Spenden den organisatorischen Zusammenhalt der verbotenen „DHKP-C” aufrechterhalten habe.
a) Wegen der Demonstrationsteilnahme hat der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren nach § 154 a Abs. 2 StPO beschränkt, da insoweit eine Betätigung für die „DHKP-C” auf Grund der bisherigen Feststellungen nicht ausreichend belegt ist.
b) Wegen der Einbindung des Angeklagten K. in die Spendensammeltätigkeit der „DHKP-C” sind den Feststellungen in noch hinreichendem Maße die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG zu entnehmen. Soweit diese Vorschrift die Mitgliedschaft in dem verbotenen Verein voraussetzt (die Unterstützung durch Außenstehende fällt unter § 20 Abs. 1 Nr. 3 VereinsG, vgl. Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze VereinsG § 20 Rdn. 8 ff.), entnimmt der Senat dies UA S. 20, wonach die Stellung des Angeklagten über die eines Symphatisanten hinausgegangen ist.
Dieser Verstoß steht indes in Tateinheit zu dem Tatgeschehen vom 1. Mai 2001. Da es sich bei § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG – anders als bei § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG – um ein Organisationsdelikt handelt, stellen mehrere den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG erfüllende Einzelakte eine materiellrechtliche einheitliche Tat dar (BGHSt 43, 312). Da für die Beurteilung der Konkurrenzfrage ungeachtet der Verfahrensbeschränkung nach § 154 a StPO zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden muß, seine Demonstrationsteilnahme habe ebenfalls eine Betätigung für die „DHKP-C” dargestellt, wird die mitgliedschaftliche Betätigung des Angeklagten insgesamt mit den übrigen bei der gewalttätigen Demonstration verwirklichten Tatbeständen zu einer Tat im Rechtssinne verbunden.
Dies führt zu einer Änderung des Schuldspruchs. Bei der Neufassung hat der Senat – ebenso wie beim Mitangeklagten A. – berücksichtigt, daß das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele nicht in die Urteilsformel aufgenommen wird (Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 260 Rdn. 25).
2. Soweit es das Landgericht abgelehnt hat, die gegen die Angeklagten K. und A. verhängten Freiheitsstrafen zur Bewährung auszusetzen, hält die Begründung einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Hierzu hat die Strafkammer ausgeführt, daß bei diesen Angeklagten „schon auf Grund ihrer ideologischen Voreingenommenheit” keine positive Sozialprognose gestellt werden könne. Die politische Überzeugung eines Angeklagten vermag für sich allein die Annahme einer ungünstigen Prognose nicht zu rechtfertigen (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 28 m. w. N.; BGH, Beschl. vom 18. April 2001 – 3 StR 101/01). Da beide Angeklagte bereits mehrere Jahre in der Bundesrepublik leben und noch nicht vorbestraft sind, ist die Befürchtung, sie würden ohne Strafverbüßung erneut straffällig werden, allein mit ihrer Überzeugung nicht zu belegen. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, daß sich diese beim Angeklagten A. auf eine nicht verbotene politische Gruppierung bezieht. Zwar hat das Landgericht auch die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB verneint, doch kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich die fehlerhafte Beurteilung der Sozialprognose auch auf diese Entscheidung ausgewirkt haben kann.
Im übrigen hat die Nachprüfung der Schuld- und Strafaussprüche auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch führt die Verfahrensbeschränkung und die geänderte konkurrenzrechtliche Beurteilung zu einer Aufhebung der gegen den Angeklagten K. verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und der Einzelstrafen. Die auf die Strafaussetzung zur Bewährung beschränkte Aufhebung des Strafausspruchs gegen den Angeklagten A. erstreckt sich auch auf die zu diesem Entscheidungsumfang gehörigen Feststellungen. Dazu gehört auch die von der Strafkammer angenommene „ideologische Voreingenommenheit”. Die dem zugrunde liegenden Feststellungen sind bislang widersprüchlich und nicht ausreichend belegt. Der Angeklagte A. wurde auf UA S. 8 als „Aktivist der TKP/ML” und im Gegensatz hierzu auf UA S. 14 lediglich als „Symphatisant” dieser Organisation bezeichnet. Der neue Tatrichter wird insoweit Gelegenheit zu neuer Prüfung haben, ob der von der Ausstattung der Wohnung auf die politische Eingruppierung gezogene Schluß auch dann gerechtfertigt ist, wenn es sich nur um die vorübergehende Nutzung einer möblierten Wohnung handelt.
Unterschriften
Winkler, Miebach, von Lienen, Becker, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2557987 |
NStZ-RR 2004, 201 |
BewHi 2004, 409 |
StraFo 2004, 247 |