Tenor
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß der Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt ist, wenn ein Täter lediglich mit einer mit Platzpatronen geladenen Schreckschußwaffe aus einer Entfernung droht, bei der (für den Fall der Schußabgabe) für das Opfer keine Leibesgefahr besteht.
Gründe
Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht die Rechtsprechung des 1. Strafsenats entgegen (Beschlüsse vom 3. November 1998 – 1 StR 529/98 – und vom 14. April 1999 – 1 StR 542/98 –). An dieser Rechtsprechung hält der 1. Strafsenat fest. Der vom 2. Strafsenat beabsichtigten Auslegung des Merkmals „gefährliches Werkzeug” dürften rechtssystematische Gründe entgegen stehen; sie entspricht nicht den Intentionen des Gesetzgebers des 6. StrRG und mit ihr würde, ohne daß dafür schwerwiegende Gründe vorliegen, eine inzwischen gefestigte Rechtsprechung aufgegeben werden.
I. Die vom 2. Strafsenat vorgenommene Auslegung des Merkmals „gefährliches Werkzeug” verzichtet im Ergebnis auf das Erfordernis der objektiven Gefährlichkeit bei solchen Gegenständen, die erst durch die konkrete Art der Verwendung gefährlich sind. Damit verliert der verwendungsspezifische Gefährlichkeitsbegriff des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB seine ihm bisher von der Rechtsprechung verliehene Kontur. Das würde zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten führen.
1. Mit dem 2. Strafsenat geht der 1. Strafsenat davon aus, daß das „gefährliche Werkzeug” der Oberbegriff der in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Abs. 2 Nr. 1 StGB genannten Tatmittel ist. Innerhalb dieses Oberbegriffs hat der Bundesgerichtshof zwischen verschiedenen Tatmitteln unterschieden, die sich der Sache nach in folgende Gruppen aufteilen lassen: Waffen, generell gefährliche und nur speziell – nämlich verwendungsspezifisch – gefährliche Gegenstände.
a) Waffen sind stets „gefährliche Werkzeuge”; das ist einhellige Meinung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs.
aa) Waffen sind zunächst die mit Geschossen geladenen Schußwaffen sowie die mit Gasmunition geladenen Pistolen oder Revolver, bei denen das Gas nach vorne austritt (also Schußwaffen im Sinne des § 250 StGB a.F.).
Einigkeit besteht gleichfalls darüber, daß ungeladene Schußwaffen keine Waffen in diesem Sinne sind. Sie sind vielmehr Mittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB (BGH, Beschluß vom 29. Juli 1998 – 1 StR 370/98 –; Beschluß vom 11. Dezember 1998 – 2 StR 521/98 –; Beschluß vom 8. August 2001 – 3 StR 271/00 –; Beschluß vom 17. Mai 2001 – 4 StR 412/00 – und Beschluß vom 19. Oktober 1999 – 5 StR 502/99 –).
Auch der dazwischen angesiedelte Fall, daß die Munition für die Schußwaffe griffbereit mitgeführt wird, ist inzwischen höchstrichterlich geklärt (Munition in der Jackentasche: BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 – 1 StR 429/99 = BGHSt 45, 249; Waffe muß nur noch durchgeladen werden: BGH, Beschluß vom 9. November 1999 – 1 StR 501/99 –; Munition in Kleidung: BGH, Beschluß vom 25. Februar 2000 – 2 StR 445/99 –).
bb) Waffen sind ferner alle sonstigen Waffen im technischen Sinne, insbesondere solche, die dem Waffenrecht unterfallen (Gummiknüppel als Hiebwaffe nach § 1 Abs. 7 WaffG: BGH, Urteil vom 23. Mai 2001 – 3 StR 62/01 = BGHR StGB § 177 Abs. 3 Waffe 1).
b) Als generell, also stets „gefährliche Werkzeuge” – sofern sie nicht schon dem Waffenbegriff unterfallen – hat der Bundesgerichtshof insbesondere Messer eingestuft (BGH, Beschluß vom 17. Juni 1998 – 1 StR 270/98 = BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 1; BGH, Urteil vom 26. November 1998 – 4 StR 457/98 = NStZ 1999, 136; BGH, Beschluß vom 16. Mai 2000 – 4 StR 89/00 = NStZ-RR 2001, 41).
c) Andere Gegenstände hat der Bundesgerichtshof erst wegen ihres Einsatzes unter besonderen Bedingungen – also verwendungsspezifisch – als „gefährliche Werkzeuge” eingestuft. Diese spezielle Gefährlichkeit ist untrennbar mit der tatsächlichen, konkreten Verwendung verbunden. Mit anderen Worten: Diese Tatmittel sind an sich – also generell – keine „gefährlichen Werkzeuge”. Zu solchen werden sie vielmehr erst aufgrund ihrer speziellen Verwendung. Erst dadurch sind sie geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen.
aa) Zu den erst verwendungsspezifisch gefährlichen Werkzeugen gehört insbesondere der Einsatz – wobei die Drohung mit dem Einsatz genügt – von Gegenständen als Schlagwerkzeug (auch von geladenen oder ungeladenen Schußwaffen). So hat der 2. Strafsenat einerseits einen Holzknüppel nicht als „gefährliches Werkzeug” eingestuft, weil er nicht verwendet wurde (Beschluß vom 4. September 1999 – 2 StR 390/98 = StV 1999, 91) und andererseits ein Winkeleisen nur deshalb als „gefährliches Werkzeug” behandelt, weil es zur Bedrohung des Tatopfers eingesetzt wurde (Beschluß vom 22. November 2001 – 2 StR 400/01 –). Der 4. Strafsenat hat einen Besenstiel, der als Drohmittel zur Herausgabe verwendet wurde (Beschluß vom 20. Mai 1999 – 4 StR 168/99 = NStZ-RR 1999, 355), und eine gegen das Opfer „eingesetzte” Schranktür (Beschluß vom 16. Juni 1998 – 4 StR 255/98 –) als „gefährliches Werkzeug” angesehen.
bb) Dasselbe gilt für den Einsatz von an sich ungefährlichen Gegenständen als Stichwerkzeug (Kugelschreiber an den Hals gedrückt: BGH, Beschluß vom 15. Februar 2001 – 3 StR 6/01 –; Vorhalten einer Injektionsspritze, deren Nadel auf das Opfer gerichtet war: BGH, Beschluß vom 22. Mai 2001 – 3 StR 130/01 –) und für sonstige Mittel (Kampfhund: BGH, Beschluß vom 8. Dezember 1998 – 4 StR 584/98 = NStZ-RR 1999, 174; Mitschleifen im Auto: BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 – 4 StR 90/00 = NStZ 2000, 530; Treten mit beschuhten Füßen: BGH, Beschluß vom 28. November 2000 – 4 StR 474/00 –).
cc) Bei der Einordnung von Fesselungsmitteln hat der Bundesgerichtshof gleichfalls auf die Art der Verwendung abgestellt (BGH, Beschluß vom 4. September 1999 – 2 StR 390/98 = StV 1999, 91; „sie sind zwar verwendet worden, waren aber in der konkreten Art ihrer Verwendung keine „gefährlichen Werkzeuge”: Beschluß vom 25. November 1998 – 2 StR 546/98 –; kurzzeitige Drosselung mit einem Gürtel: Beschluß vom 27. Juni 2001 – 3 StR 64/01 –; Hände mit Kabelbinder gefesselt: Beschluß vom 12. Januar 1999 – 4 StR 688/98 –).
2. Aus dem Umstand, daß der Bundesgerichtshof nicht generell gefährliche Gegenstände erst durch die Art der Verwendung als – speziell – „gefährliche Werkzeuge” eingestuft hat, leitet der Senat ab, daß der Begriff des „gefährlichen Werkzeugs” in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht vollständig deckungsgleich ist mit dem des „gefährlichen Werkzeugs” in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB. Diese Konsequenz hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs schon in seiner Antwort (Beschluß vom 26. Februar 1999 – 3 ARs 1/99 = NStZ 1999, 301) auf die Anfrage des 4. Strafsenats (Beschluß vom 3. Dezember 1998 – 4 StR 380/98 = StV 1999, 151) aufgezeigt. Der unterschiedliche Begriff des gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB folgt daraus, daß dieser untrennbar mit dem dort zusätzlich genannten Merkmal „verwendet” verbunden ist. Erst durch seine Verwendung wird ein generell ungefährlicher Gegenstand zu einem speziell „gefährlichen Werkzeug”.
a) Gerade die Fesselungsmittel zeigen anschaulich, daß es bei solchen Gegenständen von der Art der Verwendung abhängt, ob das Werkzeug gefährlich ist. Der Täter kann ein Seil bei sich führen, um dieses lediglich als Fesselungsmittel einzusetzen; dann macht er sich nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB strafbar. Verwendet er das Seil hingegen als Drosselungsmittel, dann wird das Seil – wegen der Art der Verwendung – zu einem „gefährlichen Werkzeug” im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Tritt der Täter mit seinem beschuhten Fuß gegen den Kopf des Opfers, so verwendet er ein – speziell – „gefährliches Werkzeug” und begeht erst dadurch einen schweren Raub (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB).
b) Wären solche Gegenstände unabhängig von ihrer Verwendung, also bei bloßem Beisichführen, „gefährliche Werkzeuge” im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, dann könnte ein schwerer Raub nur noch durch (ungeschriebene) subjektive Merkmale („Verwendungsabsicht” oder „Verwendungsvorbehalt”) verneint werden. Eine solche Einschränkung lehnt der 2. Strafsenat aber mit überzeugender Begründung ab. Er verlangt zu Recht eine Abgrenzung anhand objektiver Kriterien. Deshalb ist bei der Einordnung solcher Gegenstände als „gefährliches Werkzeug” maßgeblich auf die Art der Verwendung abzustellen. Die tatsächliche Verwendung ist ein solches objektives Kriterium, denn sie umschreibt Umstände der Tatausführung.
c) Nur bei einem verwendungsspezifischen Gefährlichkeitsbegriff läßt sich auch die vom Gesetzgeber gewollte Kongruenz mit dem Begriff des „gefährlichen Werkzeugs” im Sinne des § 224 Nr. 2 StGB erreichen. Dann ergibt sich die Kongruenz zwanglos daraus, daß dem „Verwenden” (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) die Worte „die Körperverletzung mittels … eines anderen ‚gefährlichen Werkzeugs’ … begeht” (§ 224 Nr. 2 StGB) entsprechen. Hätte der Begriff des gefährlichen Werkzeugs in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB hingegen denselben Inhalt wie der in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, dann ergäben sich – worauf der Anfragebeschluß zutreffend hinweist – auch systematische Schwierigkeiten bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals.
3. Diese Auslegungsgrundsätze müssen auch für die mit Platzpatronen geladene Schreckschußwaffe (bei welcher der Gasdruck nach vorne austritt) gelten.
a) Dieses Tatmittel hat der Bundesgerichtshof bisher nicht als generell „gefährliches Werkzeug” eingestuft. Zu einem „gefährlichen Werkzeug” (Waffe) wird eine solche Schreckschußwaffe erst durch die Art ihrer Verwendung. Der dafür maßgebliche Grund ist, daß nur die Schußabgabe aus kurzer Distanz zu Verletzungen führen kann, während ein Schuß aus größerer Distanz objektiv ungefährlich ist. Das für die Gefährlichkeit ausschlaggebende Kriterium ist deshalb konsequenterweise die räumliche Distanz („Entfernungs-Kriterium”) zwischen Täter und Opfer (BGH, Beschlüsse vom 3. November 1998 – 1 StR 529/98 –; vom 14. April 1999 – 1 StR 542/98 –; vom 19. August 1998 – 3 StR 333/98 = BGHR StGB § 250 Abs. 2 Waffe 2; Beschluß vom 19. Mai 1998 – 4 StR 204/98 = BGHR StGB § 250 „gefährliches Werkzeug” 1 und vom 23. Juni 1998 – 4 StR 245/98 –).
aa) Stellt das Tatgericht fest, daß der Täter dem Opfer lediglich aus nicht bekannter Entfernung mit einer Schreckschußwaffe droht, so ist das Tatmittel objektiv ungefährlich, weil hier die Leibesgefahr für das Opfer fehlt. In diesen Fällen täuscht der Täter mit einer Schreckschußwaffe, die häufig in ihrem äußeren Erscheinungsbild echten Schußwaffen nachgebildet ist, das Opfer. Dieses nimmt an, der Täter könne, wie bei einer echten Schußwaffe, durch die Abgabe eines Schusses eine schwere oder gar tödliche Verletzung herbeiführen. Der Täter nutzt diese Täuschung aus, um allein durch die Drohung den erwarteten Widerstand zu brechen. Dann kommt allein § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB zur Anwendung (BGH, Beschlüsse vom 3. November 1998 – 1 StR 529/98 –und vom 23. Juni 1998 – 4 StR 245/98 –).
bb) Bringt der Täter dagegen dem Opfer bei einer Schußdistanz von wenigen Zentimetern (relativer Nahschuß) oder bei einem Schuß mit auf die Körperoberfläche aufgesetzter Laufmündung (absoluter Nahschuß) durch die austretenden Explosionsgase und die mitgerissenen Munitionspartikel (vgl. Rothschild, Zur Gefährlichkeit freiverkäuflicher Schreckschußwaffen, NStZ 2001, 406, 407, 410) eine erhebliche Verletzung bei oder droht er dem Opfer mit einer solchen Vorgehensweise, dann wird die Schreckschußwaffe aufgrund ihrer konkreten Verwendung zu einem „gefährlichen Werkzeug” im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, nämlich zu einer Waffe (vgl. Boetticher/Sander NStZ 1999, 292, 293; BGH, Beschluß vom 9. November 1999 – 1 StR 501/99 –; BGH, Beschluß vom 19. August 1998 – 3 StR 333/98 = BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 2; BGH, Beschluß vom 4. Januar 1999 – 3 StR 517/98 –; BGH, Urteil vom 26. November 1998 – 4 StR 457/98 = NStZ 1999, 136; BGH, Beschluß vom 30. November 2000 – 4 StR 493/00 = StV 2001, 274).
b) Der 2. Strafsenat will eine verwendungsspezifische – spezielle – Gefährlichkeit auch deshalb annehmen, weil die Schreckschußwaffe innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden kann („Zeit-Kriterium”).
aa) Daran ist sicher richtig, daß der Täter – binnen Sekunden – mit wenigen Schritten die Distanz überwinden und damit die spezielle Gefährlichkeit herbeiführen kann. Insofern ist – worauf der 2. Strafsenat abhebt – zwar eine gewisse Vergleichbarkeit mit dem Messer gegeben. Bei der entscheidends-erheblichen Frage der objektiven Gefährlichkeit des angedrohten Einsatzes können beide Tatmittel indessen nicht gleichgesetzt werden. Droht der Täter an, sein Messer einzusetzen, so droht er zugleich damit, den Abstand zum Opfer zu überwinden und mit dem Messer – aus einer Nahdistanz – auf das Opfer einzustechen. Anders ist es bei der Drohung mit dem Einsatz der Schreckschußwaffe. Hier droht der Täter grundsätzlich damit, einen Schuß aus der Position abzugeben, in der er sich gerade befindet. Macht der Täter in diesem Fall seine Drohung wahr, so ist der angedrohte Einsatz gleichwohl objektiv ungefährlich, wenn die Schußabgabe aus größerer Distanz erfolgt. Davon geht auch der 2. Strafsenat aus, wenn er (Beschluß S. 6 unten) ausführt, daß ihr Einsatz aus größerer Distanz „die Zufügung einer erheblichen Körperverletzung (gerade) noch nicht gestattet.”
bb) Würde man genügen lassen, daß die Schreckschußwaffe innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden kann, dann würde eine objektiv (noch) ungefährliche Schreckschußwaffe unabhängig von der Art ihres tatsächlichen Einsatzes nahezu stets zu einem „gefährlichen Werkzeug”. Schon die potentielle Gefährlichkeit würde danach ausreichen. Durch eine solche Auslegung mittels des Zeit-Kriteriums wird der Begriff des gefährlichen Werkzeuges bei solchen Tatmitteln von der Art der Verwendung abgekoppelt. Dies gilt nicht nur bei Schreckschußwaffen, sondern auch bei anderen generell nicht gefährlichen Gegenständen. Damit wären auch die meisten anderen Gegenstände nahezu stets ein „gefährliches Werkzeug” im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB.
c) Zwar versucht der 2. Strafsenat eine so weit reichende Abkoppelung vom Merkmal der Verwendung durch die fallbezogene Formulierung der Vorlegungsfrage zu vermeiden. Diese bezieht sich ausdrücklich nur auf mit Platzpatronen geladene Schreckschußpistolen, bei welcher der Gasdruck nach vorne austritt. Auch soll nur das „gefährliche Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB” betroffen sein. Die Möglichkeit des Nahschusses soll zudem nur eine weitere Art („verwendet auch”) des Verwendens sein.
aa) Die Anwendung des Zeit-Kriteriums führt zunächst dazu, daß ein Täter, der eine Schreckschußwaffe bloß bei sich führt, nahezu stets einen schweren Raub im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB begeht. Die rechtssystematische Konsequenz einer solchen Auslegung wäre, daß – anders als es der 1. Strafsenat aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgeleitet hat – der Begriff des „gefährlichen Werkzeugs” in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB weitgehend identisch wäre. Daß der 2. Strafsenat – von seinem Ansatz aus konsequent – von einem solchen einheitlichen Begriff des „gefährlichen Werkzeugs” ausgeht, zeigt die Begründung auf S. 4 unten und S. 5 Mitte des Anfragebeschlusses. Daraus folgt aber zugleich, daß die auf die Auslegung des „gefährlichen Werkzeugs” (nur) im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB beschränkte Vorlegungsfrage zu eng gefaßt ist. Da es bereits auf die Möglichkeit des Einsatzes aus kurzer Distanz ankommen soll, ändert diese Auslegung auch die bisherige Rechtsprechung zum Begriff des „gefährlichen Werkzeugs” im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB.
bb) Der so ausgelegte Begriff des „gefährlichen Werkzeugs” würde aber auch für jeden anderen generell noch nicht gefährlichen Gegenstand gelten.
Das gilt zunächst für ungeladene Schußwaffen oder Scheinwaffen. Reicht die Drohung mit der vermeintlich möglichen Schußabgabe nicht aus, so können diese – binnen Sekunden – immer noch als Schlagwerkzeug eingesetzt werden. Für deren Einstufung in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB bliebe dann kaum noch Raum. Auch andere Gegenstände wie Schals, Gürtel (sie können schnell als Drosselungswerkzeuge gebraucht werden), Kugelschreiber (als Stichwerkzeug) oder Schuhe müßten bei Anwendung des Zeit-Kriteriums als (potentiell) „gefährliche Werkzeuge” angesehen werden. Da aber nahezu jeder Täter solche oder ähnliche Gegenstände „bei sich führt” (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) und „diese innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden können”, würde der einfache Raub in den meisten Fällen zu einem schweren Raub.
cc) Diese Konsequenzen lassen sich nicht dadurch vermeiden, daß der 2. Strafsenat die Einstufung als „gefährliches Werkzeug” ausdrücklich nur bei einem „derart verletzungsgeeigneten Gegenstand” und wegen der insoweit angenommenen Vergleichbarkeit der Schreckschußpistole mit einem Messer vornehmen will. Da mit der potentiellen Gefährlichkeit ein weitergehender Auslegungsansatz gewählt wird, läßt sich dessen umfassende Anwendung nicht nur auf die tatsächlichen Gegebenheiten der Schreckschußwaffe beschränken.
Damit würde die Grenzziehung zwischen objektiv gefährlichen und objektiv ungefährlichen Werkzeugen bzw. Waffen wegen eines nur für möglich angesehenen Tatverlaufs aufgegeben. Einen Erfahrungssatz, daß ein objektiv ungefährliches Tatmittel stets gefährlich eingesetzt wird, gibt es nicht. Ebenso kann nicht unterstellt werden, daß ein Täter regelmäßig eine derartige, die Gefährlichkeit erhöhende Absicht hat. Der Anknüpfung an einen nur potentiellen Geschehensablauf widersprechen gerade die häufig von den Tatgerichten getroffenen Feststellungen, nach denen es beim Raub aus unterschiedlichsten Gründen – erfolgreiche Täuschung des Opfers, Furcht des Täters u.a. – bei dem objektiv ungefährlichen Einsatz des Tatmittels bleibt.
Käme es auf die potentielle Gefährlichkeit an, so müßten die Tatgerichte aufgrund der richterlichen Aufklärungspflicht oder aufgrund von Beweisanträgen weitere Ermittlungen zu den örtlichen Gegebenheiten – dem Abstand zwischen Täter und Opfer, den Sichtverhältnissen und insbesondere zu der Möglichkeit, die Distanz zwischen Täter und Opfer zu überwinden – anstellen. Ebenso wäre das Merkmal „binnen kürzester Zeit und ohne weitere Vorbereitungen” unterschiedlichster Auslegung zugänglich. Insoweit verweist der Senat auch auf die Stellungnahme des 5. Strafsenats (Beschluß vom 19. Februar 2002 – 5 ARs 6/02 –).
II. Gegen die beabsichtigte Änderung der Rechtsprechung sprechen auch die Motive des Gesetzgebers des 6. StrRG.
1. Mit der Einführung der abgestuften Qualifikationstatbestände mit den Mindeststrafandrohungen von drei Jahren bzw. fünf Jahren wollte der Gesetzgeber Wertungswidersprüche auflösen, die sich in der Rechtsprechung der Gerichte ergeben hatten. Obwohl § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. für sämtliche Tathandlungen des schweren Raubes das einheitliche Mindestmaß von fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsah, hätten die Gerichte aus seiner Sicht zu oft den mit einer Höchststrafe von fünf Jahren bedrohten minder schweren Fall nach § 250 Abs. 2 StGB a.F. angenommen (vgl. Entwurfsbegründung BTDrucks. 13/8587 S. 44). Durch die Einführung eines Qualifikationstatbestandes mit einem „mittleren” Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB n.F. und die Anhebung der Höchststrafe für den minder schweren Fall sollten die Strafrahmen angemessen abgestuft werden. § 250 Abs. 1 StGB n.F. sollte namentlich in solchen Fällen zur Anwendung kommen, in denen die Rechtsprechung bisher auf den Strafrahmen für minder schwere Fälle nach § 250 Abs. 2 StGB a.F. „ausgewichen” war: „Überfälle mit einer Spielzeugpistole, mit einer mit vier Platzpatronen geladenen Schreckschußwaffe oder unter Vorhalt einer ungeladenen Gaspistole” (aaO S. 44).
2. Der Gesetzgeber wollte also zum einen verhindern, daß ein Raub durch Bedrohung mit objektiv ungefährlichen Schußwaffen zum minder schweren Fall herabgestuft wird. Zum andern hat er gerade für diese Fälle den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB mit einem mittleren Strafrahmen geschaffen (vgl. Boetticher/Sander NStZ 1999, 292 ff.; ausführlich auch Hohmann/Sander Strafrecht BT I 2. Aufl. § 6 Rdn. 4 ff.) und damit verdeutlicht, daß er solche Fallgestaltungen – unter ausdrücklicher Erwähnung der mit Platzpatronen geladenen Schreckschußwaffe – mit dem Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB n.F. bedroht wissen wollte.
III. Die vom 2. Strafsenat vorgenommene Auslegung des Begriffs des „gefährlichen Werkzeugs” würde schließlich eine inzwischen gefestigte Rechtsprechung aufgeben, ohne daß dafür schwerwiegende Gründe vorliegen.
Der teilweise unsystematischen Neubeschreibung der Qualifikationsmittel in den abgestuften Tatbeständen des schweren Raubes durch das 6. StrRG hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mittlerweile eine für die Praxis handhabbare Kontur gegeben. Nahezu alle praktisch wichtigen Fallgruppen sind inzwischen höchstrichterlich geklärt.
Die Strafsenate haben die in Rede stehenden Merkmale im wesentlichen übereinstimmend ausgelegt und in einer Vielzahl von Entscheidungen eine für die tatrichterliche Praxis hinreichend klare Abgrenzung zwischen den Tatbestandsmerkmalen „Waffe oder anderes gefährliches Werkzeug” (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB) und „Werkzeug oder Mittel” (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB) geschaffen. Dadurch konnten die durch das Ersetzen der „Schußwaffe” zunächst hervorgerufenen Unzuträglichkeiten bei der neuen Systematisierung der Tatmittel und ihrer Zuordnung zu den beiden unterschiedlichen Qualifikationstatbeständen des schweren Raubes soweit wie möglich beseitigt werden. Für eine Änderung der nunmehr als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung vermag der 1. Strafsenat – ebenso wie der 5. Strafsenat (Beschluß vom 19. Februar 2002 – 5 ARs 6/02 –) – keine Gründe von Gewicht zu erkennen.
Unterschriften
Schäfer, Nack, Boetticher, Schluckebier, Hebenstreit
Fundstellen
Haufe-Index 2559335 |
ZAP 2002, 618 |
NStZ-RR 2002, 265 |