Verfahrensgang
LG Rostock (Entscheidung vom 29.11.2022; Aktenzeichen 11a KLs 118/22 (1)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 29. November 2022 dahin geändert, dass er des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit versuchter Ausfuhr von Betäubungsmitteln schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Zum Schuldspruch hat der Generalbundesanwalt in seiner Antrags-schrift im Wesentlichen ausgeführt:
Die Verurteilung des Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wird von den Feststellungen nicht getragen. Beim Betäubungsmittelhandel gelten für die Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Beihilfe die allgemeinen Grundsätze über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Ob ein Beteiligter eine Tat als Täter oder Gehilfe begeht, ist danach in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr sein (vgl. Senat, Urteil vom 10. März 2021 - 6 StR 317/20 -, juris Rdnr. 13; BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2020 - 1 StR 331/20 -, juris Rdnr. 3; und vom 30. August 2011 - 3 StR 270/11 -, NStZ 2012, 40, 41). Beschränkt sich - wie regelmäßig bei einem Kurier - die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, ist regelmäßig von einer untergeordneten Bedeutung auszugehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Mai 2021 - 1 StR 72/21 -, juris Rdnr. 4; und vom 13. April 2021 - 4 StR 506/20 -, juris Rdnr. 5).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist der Tatbeitrag des Angeklagten lediglich als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu bewerten. Nach den getroffenen Feststellungen wurde dem Angeklagten von einer unbekannt gebliebenen Person in Berlin angeboten, künftig Betäubungsmittel nach Schweden zu überführen. Hierfür erhielt er ein Fahrzeug, das er „weisungsgemäß“ auf seinen Namen zuließ (UA S. 3). Unmittelbar vor der Tat erhielt er „die Anweisung“, nach Gronau zu fahren, wo die Betäubungsmittel schließlich im Fahrzeug deponiert wurden, während er im Hotel übernachtete (UA S. 3). Entgegen der Ansicht des Landgerichts (UA S. 8) oblagen dem Angeklagten folglich nicht einmal die konkreten Modalitäten des Transportgeschäfts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. August 2011 - 3 StR 270/11 -, NStZ 2012, 40, 41; und vom 25. Oktober 2006 - 2 StR 359/06 -, juris Rdnr. 3). Der Umstand, dass er weder begleitet noch von anderen Tatbeteiligten observiert wurde, vermag seine bloße Gehilfenstellung nicht zu einer Täterschaft aufzuwerten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2006 - 2 StR 359/06 -, juris Rdnr. 3). (…)
Mit dem Wegfall der Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge lebt der gleichfalls verwirklichte Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ebenso wieder auf, da Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln mit täterschaftlichem Besitz derselben gemäß § 52 StGB in Tateinheit steht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. September 2017 - 1 StR 409/17 -, juris Rdnr. 3; vom 3. Juli 2014 - 4 StR 240/14 -, juris Rdnr. 6; und vom 2. Oktober 2008 - 3 StR 352/08 -, NStZ-RR 2009, 58), wie jener der versuchten Ausfuhr von Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (zur konkurrenzrechtlichen Bewertung von Beihilfe zum Handeltreiben und Einfuhr vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2012 - 2 StR 530/11 -, juris Rdnr. 4; Beschluss vom 16. Dezember 1983 - 2 StR 693/83 -, NStZ 1984, 171; Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rdnrn. 519, 534). Der Angeklagte hatte sich als Betäubungsmitteltransporteur im Bereich des Rostocker Seehafens eingefunden, bereits ein Ticket für die Überfahrt erworben und sich damit unmittelbar auf die deutsche Grenze zubewegt, um das deutsche Hoheitsgebiet mit den Betäubungsmitteln zu verlassen (vgl. Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rdnr. 797), als er von den Ermittlungsbehörden aufgegriffen worden ist.
Rz. 3
Dem schließt sich der Senat an. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 4
2. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Es ist auszuschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine niedrigere Strafe verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Strafrahmen ergibt sich nach wie vor aus § 29a Abs. 1 BtMG. Schon mit Blick auf die beträchtliche Menge von 1,221 Kilogramm Kokainhydrochlorid und die Gefährlichkeit des Betäubungsmittels scheidet die Annahme eines minder schweren Falls im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG aus.
Rz. 5
3. Angesichts des geringen Erfolges der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Sander |
|
Feilcke |
|
Tiemann |
|
Fritsche |
|
Arnoldi |
|
Fundstellen
Haufe-Index 15745585 |
NStZ 2023, 685 |
NStZ-RR 2023, 6 |