Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung. Zulässigkeit. Zulassung der Berufung. Streitwert. Nachholung, Berufungsgericht
Leitsatz (redaktionell)
Hatte das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung, die Zulassung der Berufung zu prüfen, weil es den Wert der Beschwer auf über 600 Euro festgesetzt hat, muss das Berufungsgericht – das nicht an die Streitwertfestsetzung des erstinstanzlichen Gerichts gebunden ist – die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung erfüllt sind.
Normenkette
ZPO § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 12.10.2007; Aktenzeichen 15 S 222/07) |
AG Bernau (Entscheidung vom 14.08.2007; Aktenzeichen 10 C 445/07) |
Gründe
I. Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, den Anbau eines neuen Balkons an seiner in B. gelegenen Wohnung zu dulden und die hierzu erforderlichen Arbeiten nicht zu behindern. Den Streitwert hat das Gericht insoweit auf 2.235,60 EUR festgesetzt.
Gegen diese Verurteilung hat der Beklagte Berufung eingelegt. Das Landgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR nicht übersteige und das Amtsgericht die Berufung nicht zugelassen habe (§ 511 Abs. 2 ZPO). Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß den nachstehenden Ausführungen eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Die Rechtsbeschwerde ist im Übrigen gemäß § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, weil es nicht die Entscheidung des Amtsgerichts nachgeholt hat, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind. Hierzu war es nach Maßgabe des - erst nach Erlass seines Beschlusses ergangenen - Senatsurteils vom 14. November 2007 (VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218) gehalten.
Hat das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen, die Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, weil es den Streitwert auf über 600 EUR festgesetzt hat und deswegen von einem entsprechenden Wert der Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, hält aber das Berufungsgericht diesen Wert nicht für erreicht, so muss das Berufungsgericht, das insoweit nicht an die Streitwertfestsetzung des Erstgerichts gebunden ist, die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind. Denn die unterschiedliche Bewertung darf nicht zu Lasten der Partei gehen (Senatsurteil, aaO., Tz. 12). Dieser Fall ist hier gegeben. Das Amtsgericht hat den Streitwert der Klage auf 2.235,60 EUR festgesetzt und ist deswegen von einem entsprechenden Wert der Beschwer des Beklagten durch das der Klage stattgebende Urteil ausgegangen, so dass es keine Veranlassung gesehen hat, die Zulassung der Berufung, wie von dem Beklagten begehrt, zu prüfen. Dagegen hat das Berufungsgericht den Wert des Beschwerdegegenstandes auf Seiten des Beklagten lediglich auf 155,40 EUR und damit auf nicht mehr als 600 EUR bemessen.
3. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Er ist daher aufzuheben, um dem Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, die ihm anstelle des Amtsgerichts obliegende Entscheidung nachzuholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung erfüllt sind.
Fundstellen