Leitsatz (amtlich)
Das rechtliche Gehör kann verletzt sein, wenn das Beschwerdegericht in der mündlichen Verhandlung die Zurückverweisung der Sache zur weiteren Aufklärung als sicher darstellt und deshalb der Beschwerdeführer davon absieht, zu einem gerichtlichen Hinweis Stellung zu nehmen.
Normenkette
MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin gegen den am 14.8.2000 an Verkündungs statt zugestellten Beschluss des 32. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des BPatG wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Anmelderin hat mit der am 30.9.1997 eingereichten Anmeldung die Eintragung des Zeichens MAZ als Wortmarke für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 38 und 41 beantragt.
Die Markenstelle des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung für die Waren der Klassen 9 (Verlagserzeugnisse im Bereich der elektronischen Medien) und 16 (Waren aus Papier, Verlagserzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Zeitungen u. a.) wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Anmelderin ist hinsichtlich der Waren der Klasse 16 "Zeitschriften, Zeitungen, Magazine und Werbematerialien" erfolglos geblieben.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der (nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt und geltend macht, der angefochtene Beschluss sei nicht mit Gründen versehen.
II. Das BPatG hat die Auffassung vertreten, die angemeldete Marke sei gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die Waren "Zeitschriften, Zeitungen, Magazine und Werbematerialien" von der Eintragung ausgeschlossen. Es hat ausgeführt:
Für die Waren, deren Eintragung versagt worden sei, sei "MAZ" eine die Art und den Ursprung beschreibende Angabe. Der Buchstabenbestandteil "AZ" stelle für Zeitschriften, Zeitungen und Magazine die im Verkehr gebräuchliche Abkürzung für den Gattungsbegriff "Allgemeine Zeitung" dar. Dabei sei es üblich, der Abkürzung "AZ" den Anfangsbuchstaben des Ortsnamens oder der Region voranzustellen. An derartigen Abkürzungen bestehe für Zeitschriften, Zeitungen und Magazine sowie darauf bezogene Werbematerialien ein Freihaltebedürfnis, ohne dass es darauf ankomme, ob und wie häufig eine derartige Abkürzung bereits verwendet werde.
III. Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin hat keinen Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch ohne Zulassung durch das BPatG statthaft, weil die Anmelderin im Gesetz aufgeführte, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfahrensmängel konkret rügt (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.2002 - I ZB 27/00, BGHReport 2003, 517 = GRUR 2003, 546 f. = WRP 2003, 655 - TURBO-TABS).
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht gegeben sind.
a) Das Verfahren vor dem BPatG verletzt die Anmelderin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).
Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfG v. 19.5.1992 - 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133 [144]).
Die Rechtsbeschwerde rügt, der Anmelderin habe keine angemessene Frist zur Verfügung gestanden, sich zu dem in der mündlichen Verhandlung vor dem BPatG neu hervorgetretenen Gesichtspunkt zu äußern, das Zeichen "MAZ" sei auf dem Zeitungssektor als gebräuchliche Abkürzung eine freizuhaltende Angabe. Eine substantiierte Stellungnahme hierzu sei in der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen. Eine Schriftsatzfrist habe der Verfahrensbevollmächtigte der Anmelderin beim BPatG nicht beantragt, weil das Gericht zu erkennen gegeben habe, dass es den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patentamts aufheben und die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverweisen werde.
Aus dem Vorbringen der Anmelderin ergibt sich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Frage eines Freihaltebedürfnisses des Zeichens "MAZ" für die in Rede stehenden Waren des Zeitungssektors ist in der mündlichen Verhandlung vor dem BPatG erörtert worden (§ 76 Abs. 4 MarkenG). Sie war schon durch den Vortrag in der Beschwerdebegründung veranlasst. Hierin hatte die Anmelderin zum Beleg der Vieldeutigkeit von "MAZ" als Abkürzung außer für die vom Deutschen Patentamt ermittelten Begriffe "magnetische Bildaufzeichnung" und "Magnetaufzeichnung" darauf hingewiesen, dass die Abkürzung auch für "Märkische Allgemeine Zeitung" stehe. Soweit der Anmelderin eine Stellungnahme zu dem ihr neu erscheinenden rechtlichen Gesichtspunkt, diese Abkürzung sei für Zeitungen freizuhalten, in der mündlichen Verhandlung nicht möglich war, hätte sie eine Schriftsatzfrist zur Stellungnahme beantragen, § 82 Abs. 1 MarkenG i.V. mit § 283 ZPO, oder auf die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hinwirken können, § 82 Abs. 1 MarkenG i.V. mit § 156 ZPO (vgl. hierzu BGH v. 11.2.1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365 [371] = MDR 1999, 671). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn das BPatG ungeachtet seiner Aufgabe, Tatsachen selbst zu ermitteln und festzustellen, in der mündlichen Verhandlung die Aufhebung der patentamtlichen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache zur weiteren Sachaufklärung als sicher dargestellt und dadurch die Anmelderin von weiterem Sachvortrag nach der mündlichen Verhandlung abgehalten hätte. Denn die wirksame Wahrnehmung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anhörungsrechts bedingt, dass ein Gericht, das von Hinweisen an die Partei zur Sach- oder Rechtslage oder zum weiteren Verfahrensgang wiederum abrücken will, den Parteien erneut Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Im Streitfall ist jedoch nicht davon auszugehen, dass das BPatG in der mündlichen Verhandlung eine Aufhebung der Entscheidung des Deutschen Patentamts und eine Zurückverweisung der Sache als sicher dargestellt und dadurch die Anmelderin veranlasst hat, nach Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mehr zur Frage eines Freihaltebedürfnisses vorzutragen. Soweit in der Begründung der Rechtsbeschwerde und der ihr beigefügten Äußerung des Vertreters der Anmelderin in dem Verfahren vor dem BPatG geltend gemacht wird, das BPatG habe deutlich zu erkennen gegeben, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patentamt zurückzuverweisen, enthält dies nur eine Wiedergabe des Eindrucks des Verfahrensbevollmächtigten auf Grund der mündlichen Verhandlung. Dagegen folgt aus der von der Rechtsbeschwerde ebenfalls in Bezug genommenen Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Anmelderin v. 25.5.2000 zum Verlauf der mündlichen Verhandlung vom Vortag nicht, dass das BPatG die abschließende Beurteilung des Freihaltebedürfnisses von "MAZ" für Zeitungen nach einer Zurückverweisung dem Deutschen Patentamt überlassen wollte. In dem Sitzungsbericht heißt es:
"Der Senat beabsichtigt deshalb, die Sache in diesem Punkt an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen und dieses aufzufordern, von den beteiligten Verbänden wie etwa dem Verband der Zeitungsverleger eine Stellungnahme darüber einzuholen, ob eine Notwendigkeit gesehen wird, die Bezeichnung MAZ freizuhalten. Ob eine solche Bitte um Stellungnahme überhaupt etwas bringt, kann man im Vorhinein natürlich nicht sagen. Es ist jedenfalls durchaus üblich, dass entweder das BPatG selbst oder auch das Deutsche Patent- und Markenamt eigene Ermittlungen durch Einholung solcher Stellungnahmen anstellt."
Mit Schriftsatz v. 2.6.2000 äußerte sich die Anmelderin gegenüber dem Beschwerdegericht wie folgt:
"... sind die Waren "Zeitungen, Zeitschriften und Magazine" für die Markenanmelderin nicht verzichtbar, so dass um Entscheidung gebeten wird. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH verfügt übrigens über die eingetragene Deutsche Marke 2034777, Wort: F.A.Z. Ausweislich des in der Anlage beigefügten Datenbankauszugs ist diese Marke offensichtlich auch ohne Geltendmachung einer Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden."
Aus alledem ergibt sich, dass nach dem Verfahrensablauf die Anmelderin sich nicht gewiss sein durfte, dass das Beschwerdegericht zu der offen gebliebenen Frage keine abschließende Entscheidung treffen würde und sich deshalb weitere Ausführungen zur Sache erübrigten.
b) Die Rüge der Anmelderin, der Beschluss sei nicht mit Gründen versehen (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG), greift ebenfalls nicht durch.
Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die Begründung der Beschwerdeentscheidung sei völlig inhaltslos und beschränke sich auf leere Redensarten. Das vom BPatG angenommene Freihaltebedürfnis sei nicht andeutungsweise durch tatsächliche Feststellungen belegt. Mit diesem Vorbringen hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.
Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG soll allein den Begründungszwang sichern. Es kommt deshalb darauf an, ob erkennbar ist, welcher Grund - mag dieser tatsächlich vorgelegen haben oder nicht, mag er rechtsfehlerhaft beurteilt worden sein oder nicht - für die Entscheidung über die einzelnen Ansprüche und Verteidigungsmittel maßgebend gewesen ist; dies kann auch bei lückenhaften und unvollständigen Begründungen der Fall sein. Dem Erfordernis einer Begründung ist deshalb schon dann genügt, wenn die Entscheidung zu jedem selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel Stellung nimmt, das ein Verfahrensbeteiligter vorgebracht hat oder dessen Behandlung sich aufdrängt (vgl. BGH v. 2.10.2002 - I ZB 27/00, BGHReport 2003, 517 = GRUR 2003, 546 [548] - TURBO-TABS, m. w. N.).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss gerecht. Ihm ist zu entnehmen, aus welchen Gründen das BPatG das angemeldete Zeichen für die Waren des Zeitschriftensektors als freihaltebedürftig angesehen hat. Die Angabe dieser Gründe macht erkennbar, welche Tatsachen für die Entscheidung des BPatG maßgebend waren.
Fundstellen
Haufe-Index 971073 |
BGHR 2003, 1304 |
GRUR 2003, 901 |
WRP 2003, 1233 |
BPatGE 2003, 279 |
ProzRB 2003, 319 |