Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich. Niederländische Rentenanwartschaften. Niederländische AOW-Pension
Leitsatz (amtlich)
Im Versorgungsausgleich ist die niederländische AOW-Pension zwar in die Ausgleichsbilanz nach § 1587 BGB einzustellen. Steht sie dem ausgleichspflichtigen Ehegatten zu, kann sie jedoch selbst nicht in den Formen des öffentlich-rechtlichen Ausgleichs, sondern - bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 1587 f, 1587g BGB) - nur schuldrechtlich ausgeglichen werden (Fortführung des Senatsbeschlusses v. 6.2.2008 - XII ZB 66/07, FamRZ 2008, 770).
Normenkette
BGB §§ 1587, 1587b, 1587f, 1587g; VAHRG §§ 1-2, 3b
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf vom 29.9.2006 wird auf Kosten des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Beschwerdewert: 1.000 EUR
Gründe
I.
[1] Die Parteien streiten um den Versorgungsausgleich.
[2] Die am 30.9.1981 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den am 6.8.2003 zugestellten Antrag durch Verbundurteil des AG - Familiengericht - vom 27.1.2006 geschieden (insoweit rechtskräftig seit 28.4.2006) und der Versorgungsausgleich geregelt.
[3] In der Ehezeit (1.9.1981 bis 31.7.2003, § 1587 Abs. 2 BGB) haben die Parteien gesetzliche Rentenanwartschaften erworben, und zwar der Antragsgegner (geboren am 2.7.1943; im Folgenden: Ehemann) i.H.v. 146,27 EUR und die Antragstellerin (geboren am 18.9.1956; im Folgenden: Ehefrau) i.H.v. 142,61 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf das Ehezeitende. Außerdem hat die Ehefrau in der Ehezeit in den Niederlanden Anwartschaften nach dem Allgemeinen Altersgesetz (Algemene Ouderdomswet - AOW) i.H.v. 344,85 EUR erworben.
[4] Das AG hat den Versorgungsausgleich dahin durchgeführt, dass es vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Beteiligten zu 1) auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Beteiligten zu 2) Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 1,83 EUR, bezogen auf den 31.7.2003, übertragen hat. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das OLG die Entscheidung des AG abgeändert und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet; die weitergehende Beschwerde, mit der der Ehemann - im Hinblick auf die niederländische Rentenanwartschaft der Ehefrau - einen Ausgleich zu seinen Gunsten erstrebt, hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Ehemann mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde.
II.
[5] Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
[6] 1. Nach Auffassung des OLG ist die Anwartschaft der Ehefrau auf die niederländische AOW-Rente nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, da es sich um eine aus Steuermitteln gespeiste Volksrente handele. Ein Versorgungssausgleich zugunsten des Ehemannes komme deshalb nicht in Betracht. Der sich rechnerisch zugunsten der Ehefrau ergebende Versorgungsausgleich wäre jedoch grob unbillig und sei deshalb nach § 1587c BGB auszuschließen. Denn die Alterssicherung der 50-jährigen Ehefrau sei deutlich besser als die des 63-jährigen Ehemannes. Dies beruhe zu einem wesentlichen Teil auf der AOW-Rente der Ehefrau. Auch wenn diese Rente nicht in die Ausgleichsbilanz einzustellen sei, stelle sie im Ergebnis aber doch in gleicher Weise wie die deutsche Rentenversicherung eine Alterssicherung dar.
[7] 2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
[8] Wie der Senat - nach Erlass des angefochtenen Beschlusses - entschieden hat, stellt die niederländische AOW-Rente eine gesetzliche Altersversorgung dar, die trotz ihres Charakters als Volksrente als Grundversicherung unter § 1587 Abs. 1 Satz 1 BGB fällt (BGH v. 6.2.2008 - XII ZB 66/07, FamRZ 2008, 770 f.). Deshalb ist die AOW-Rente der Ehefrau mit ihrem ehezeitanteiligen Wert in die Versorgungsausgleichsbilanz einzustellen mit der Folge, dass der Wert der von der Ehefrau in der Ehezeit erworbenen Versorgungen den Wert der vom Ehemann in der Ehezeit erworbenen Versorgung übersteigt und ein Versorgungsausgleich zugunsten der Ehefrau deshalb nicht in Betracht kommt. Auf die Voraussetzungen des § 1587c BGB kommt es insoweit nicht an.
[9] Der Umstand, dass die AOW-Rente der Ehefrau im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen ist, bedeutet indes nicht, dass diese Rente selbst zum öffentlich-rechtlichen Ausgleich des sich aus der Ausgleichsbilanz ergebenden Wertunterschiedes herangezogen werden kann. Ausländische Versorgungsanrechte unterliegen nicht der Jurisdiktionsgewalt deutscher Gerichte; sie können deshalb nur schuldrechtlich ausgeglichen werden (vgl. etwa Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl., § 1587a Rz. 243). Ebenso kann ein inländisches Anrecht des ausgleichspflichtigen Ehegatten nicht zum Ausgleich seines bei einem ausländischen Träger begründeten Anrechts herangezogen werden (§ 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG); auch kann der ausgleichspflichtige Ehegatte nicht (nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG) verpflichtet werden, zum Ausgleich seines ausländischen Anrechts für den ausgleichsberechtigten Ehegatten Rentenanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Beitragszahlung zu begründen. § 3b Abs. 2 (i.V.m. § 3a Abs. 5) VAHRG beschränkt ein erweitertes Splitting oder Quasi-Splitting ebenso wie einen Ausgleich durch Beitragszahlung vielmehr ausdrücklich auf den Ausgleich inländischer Anrechte. Die niederländische AOW-Rente der Ehefrau kann deshalb nicht in den von § 1587b BGB, § 1 VAHRG vorgesehenen öffentlich-rechtlichen Ausgleichsformen ausgeglichen werden. Ebenso kann die inländische gesetzliche Rente der Ehefrau nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 nicht zum Ausgleich ihrer AOW-Rente herangezogen oder diese durch die Verpflichtung zur Entrichtung von Beitragszahlungen ausgeglichen werden.
[10] Möglich ist allerdings, die AOW-Rente der Ehefrau, soweit diese nicht bereits mit den ihre eigene gesetzliche Rente überschießenden gesetzlichen Rentenanrechten des Ehemannes zu verrechnen ist, schuldrechtlich auszugleichen. Der schuldrechtliche Ausgleich setzt voraus, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte aus dem schuldrechtlich auszugleichenden Versorgungsausgleich bereits eine Versorgung bezieht (§ 1587g Abs. 1 Satz 2 BGB) und der ausgleichsberechtigte Ehegatte den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich beantragt (§ 1587 f BGB). Beides ist hier nicht der Fall. Die 1956 geborene Ehefrau bezieht aus den für sie bestehenden Anrechten aus der AOW-Versorgung noch keine Rente. Der Ehemann hat im Hinblick auf diese Versorgung lediglich begehrt, ihm - falls insoweit kein öffentlich-rechtlicher Ausgleichsanspruch bestehe - "die Möglichkeit einzuräumen, im Erreichensfall Ansprüche aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs geltend zu machen".
[11] Das OLG hat deshalb im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Diese Feststellung ist zwar im Tenor der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich auf den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich beschränkt. Diese Beschränkung ergibt sich jedoch aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe, nach denen das OLG ersichtlich nur über den ihm angefallenen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, nicht aber auch über einen gar nicht beantragten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich entscheiden konnte und wollte. Der von der Rechtsbeschwerde gerügte Umstand, dass das OLG den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht ausdrücklich vorbehalten hat, ist ohne Belang; einem solchen Ausspruch käme ohnehin nur deklaratorische Bedeutung zu (Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 1587 f Rz. 22).
[12] Nach allem war die Rechtsbeschwerde des Ehemannes mit der - klarstellenden - Maßgabe zurückzuweisen, dass ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Fundstellen
BGHR 2009, 74 |
FamRZ 2008, 2263 |
FuR 2009, 34 |
NJW-RR 2009, 219 |
MDR 2009, 91 |
FamRBint 2009, 1 |
NJW-Spezial 2009, 102 |
ZFE 2009, 42 |