Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 15.05.2015) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 15. Mai 2015 im Ausspruch gemäß § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte J. wegen Untreue in 34 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten Ja. hat es wegen Beihilfe zur Untreue in 13 tateinheitlichen Fällen zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Ferner hat es „festgestellt, dass wegen eines Geldbetrags in Höhe von 3.943.855,66 Euro, den die Angeklagte aus den Taten erlangt hat, und wegen eines Geldbetrags in Höhe von 1.122.147,40 Euro, den der Angeklagte aus der Tat erlangt hat, abzüglich am 13.06.2014 gezahlter 11.250 Euro, am 31.07.2014 gezahlter 80.000 Euro sowie am 25.08.2014 gezahlter 18.625,05 Euro, von der Anordnung von Wertersatzverfall nur deshalb abgesehen wird, weil Ansprüche von Verletzten entgegenstehen”. Hiergegen richten sich die mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründeten Revisionen der Beschwerdeführer. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die jeweils nur allgemein erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Rz. 3
2. Die Schuld- und Strafaussprüche halten der materiell-rechtlichen Überprüfung stand, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.
Rz. 4
3. Keinen Bestand haben jedoch die vorzitierten Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO.
Rz. 5
Die Wirtschaftsstrafkammer hat die Summe des von den beiden Angeklagten jeweils Erlangten durch eine Addition der verursachten Vermögensschäden ermittelt und die so errechneten Summen als die Beträge bezeichnet, die bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegen. Auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung hat der Tatrichter indes die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB zu beachten (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 50; Beschlüsse vom 29. Februar 2012 – 2 StR 639/11, wistra 2012, 264, 265, vom 17. Juli 2013 – 4 StR 208/13, wistra 2013, 386, und vom 27. Februar 2014 – 4 StR 498/13). Deren Prüfung ist hier rechtsfehlerhaft unterblieben. Dafür, dass die Voraussetzungen des § 73c StGB im vorliegenden Fall nicht zu erörtern gewesen wären, bieten die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten keinen Anhalt.
Rz. 6
4. Der neue Tatrichter wird die Vermögensverhältnisse der Angeklagten im Zeitpunkt seiner Entscheidung festzustellen haben. Daran anknüpfend wird sich das Landgericht mit den weiteren Voraussetzungen für die Anwendung des § 73c Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen haben (vgl. zur Systematik des § 73c Abs. 1 StGB BGH, Urteile vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86, und vom 26. März 2015 – 4 StR 463/14, NStZ-RR 2015, 176; zur Frage einer unbilligen Härte nach Pfändung tätereigener Vermögensgegenstände BGH, Urteil vom 26. März 2015, aaO).
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Cierniak, Mutzbauer, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 8773595 |
wistra 2016, 152 |