Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 27.04.2001) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten Dana W. wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 27. April 2001, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch und im Ausspruch über die Entschädigung des Verletzten mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie wegen versuchter Nötigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Überdies hat es die Angeklagte und die drei Mitangeklagten, die keine Revision eingelegt haben, dazu verurteilt, als Gesamtschuldner an den Verletzten Danny S. ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 DM zu bezahlen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat auf die zur Tatzeit 20 Jahre und sechs Monate alte Angeklagte gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewendet. Die Verhängung einer Jugendstrafe hat es gemäß § 17 Abs. 2 JGG auf die Schwere der Schuld gestützt. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen jedoch die Erwägungen, mit welchen die Jugendkammer die Höhe der Strafe begründet. Auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe bemißt sich ihre Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, daß dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (vgl. BGH GA 1982, 416; BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 1 und § 18 Abs. 2 Erziehung 8 und 9 jew. m.w.N.). Diesen Anforderungen genügen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht.
Das Landgericht hat ausgeführt, gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 105 Abs. 3 JGG betrage der Strafrahmen, welcher der Bemessung der Jugendstrafe zugrundezulegen sei, sechs Monate bis zehn Jahre Jugendstrafe. Schuldminderungs- und Schuldausschließungsgründe, die „eine Verschiebung dieses Strafrahmens rechtfertigen würden”, habe die Jugendkammer nicht festgestellt. Schon diese Formulierung läßt besorgen, daß das Landgericht entgegen § 18 Abs. 1 Satz 3 JGG i.V.m. § 105 JGG entscheidend auf die Grundsätze der Strafzumessung des allgemeinen Strafrechts abgestellt und den Erziehungsgedanken nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt hat. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, daß die Jugendkammer lediglich Strafzumessungserwägungen anführt, die auch bei einem Erwachsenen hätten berücksichtigt werden müssen, und nur formelhaft mitteilt, die verhängte Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sei „auch aus erzieherischen Gründen (die) ausreichende wie erforderliche Sanktion”. Daß bei der Angeklagten ein Erziehungsbedürfnis vorliegt, welches die Verhängung einer lang dauernden und zu verbüßenden Haftstrafe erfordert, ist dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen. Dies versteht sich hier auch nicht von selbst, sondern hätte einer eingehenden Erörterung bedurft. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft nämlich „durchaus positiv” gestaltet. Aus der Gruppe der Mitangeklagten hat sie sich offenbar gelöst. Sie ist nach der Haftentlassung eine feste Beziehung zu einem neuen Partner eingegangen, lebt mit diesem zusammen und erwartet ein Kind. Es liegt deshalb nahe, daß durch die Verbüßung einer längeren Jugendstrafe die Grundlagen dieser – auch nach Auffassung des Landgerichts – positiven Entwicklung wieder beseitigt würden. Mit diesen Umständen hätte sich die Jugendkammer auseinandersetzen und das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen einer längeren Haftverbüßung für die weitere Entwicklung der Angeklagten abwägen müssen.
2. Auch der Ausspruch über die Verpflichtung der Angeklagten, als Gesamtschuldnerin an den Verletzten Danny S. 4.000 DM Schmerzensgeld zu bezahlen, kann nicht bestehen bleiben. Im Fall der Anwendung von Jugendstrafrecht schließt § 109 Abs. 2 i.V.m. § 81 JGG auch im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die Anwendung der Vorschriften über die Entschädigung des Verletzten nach §§ 403 bis 406 c StPO aus (vgl. BGHR StPO § 406 Abs. 1 Entscheidung 1; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 403 Rdn. 8).
3. Der neu erkennende Tatrichter wird bei der Strafzumessung auch die seit Verkündung des angefochtenen Urteils eingetretene Verfahrensverzögerung, die die Angeklagte nicht zu vertreten hat, zu berücksichtigen haben.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Athing, Solin-Stojanović, Sost-Scheible,
Fundstellen
Haufe-Index 2565514 |
StV 2003, 458 |