Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 06.07.2009) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 6. Juli 2009
mit den Feststellungen aufgehoben
- soweit der Angeklagte B. in den Fällen II 3, 5, 8, 9, 12, 13, 14 und 19 wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges sowie darüber hinaus im Fall II 6 der Urteilsgründe wegen Hehlerei, der Angeklagte T. in den Fällen II 3, 5, 12, 13, 14 sowie 19, der Angeklagte H. (in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis) in den Fällen II 3, 8, 9, 12, 13, 14 sowie 19 und der Angeklagte D. in den Fällen II 3, 5, 12, 13 sowie 14 jeweils wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges verurteilt worden sind,
- soweit es den Angeklagten B. betrifft, darüber hinaus im Ausspruch über die Einzelstrafe in Fall II 4 der Urteilsgründe (Verurteilung wegen Diebstahls),
- hinsichtlich aller Angeklagter in den Aussprüchen über die jeweilige Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in acht Fällen, wegen Diebstahls in zwei Fällen und wegen Hehlerei unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Schwerin vom 2. März 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg.
Rz. 2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen (vollendeten) Betruges in den Fällen II 3, 5, 8, 9, 12, 13, 14 sowie 19 kann nicht bestehen bleiben.
Rz. 3
a) In den Fällen des Selbstbedienungstankens setzt die Annahme eines vollendeten Betruges voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen von Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. An der erforderlichen Irrtumserregung fehlt es, wenn das Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt nicht bemerkt wird. Ist dies der Fall, kommt jedoch regelmäßig ein Betrugsversuch in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 5. Mai 1983 – 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827 m. Anm. Gauf/Deutscher NStZ 1983, 505; Senatsbeschlüsse vom 28. Juli 2009 – 4 StR 254 u. 255/09, NStZ 2009, 694).
Rz. 4
b) Die Urteilsfeststellungen belegen in keinem der vom Landgericht festgestellten Fälle, dass die Tankvorgänge von dem jeweiligen Kassenpersonal wahrgenommen wurden. Ungeachtet möglicher Kontrollen durch Video-Überwachung oder ähnliche technische Vorrichtungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Tankvorgänge vom Kassenpersonal nicht bemerkt wurden, insbesondere bei weitläufigen, unübersichtlichen Tankstellen mit zahlreichen Zapfsäulen, bei großem Kundenandrang oder bei Inanspruchnahme durch Kassier- oder sonstige Verkaufstätigkeiten. Die Tatsache allein, dass das Betanken in allen Fällen zur Nachtzeit stattfand, also zu einem Zeitpunkt, zu welchem üblicherweise mit geringerem Kundenaufkommen zu rechnen ist, rechtfertigt für sich gesehen ebenso wenig den Schluss, das jeweilige Kassenpersonal habe das Betanken der Fahrzeuge durch den Angeklagten und seine Mittäter auch tatsächlich wahrgenommen. Auch die zu verschiedenen Einzelfällen vom Landgericht getroffene Feststellung, der Tankvorgang sei entsprechend dem zuvor gefassten Tatplan von einem Teil der Mittäter jeweils abgesichert worden, trägt noch nicht die von der Strafkammer gezogene Schlussfolgerung, durch Vortäuschung einer nicht vorhandenen Zahlungsbereitschaft sei beim Kassenpersonal jeweils ein entsprechender Irrtum erweckt worden, was zur Gestattung des Einfüllens des Kraftstoffs geführt habe.
Rz. 5
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Hehlerei im Fall II 6 der Urteilsgründe begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 6
Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass der gesondert verfolgte Tobias O. im Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter an einer Tankstelle in Wittenburg insgesamt 242,33 Liter Superbenzin im Wert von 331,75 EUR tankte, ohne zu bezahlen, und dass dieser Kraftstoff an den Angeklagten gelangte, der diesen in Kenntnis der strafbaren Vortat auch annahm. Im Hinblick darauf, dass das Landgericht an anderer Stelle festgestellt hat, dass die Angeklagten sich zusammengeschlossen hatten, um arbeitsteilig mit weiteren, gesondert verfolgten Mittätern Kraftstoff zu erlangen, lässt die Bewertung der Tathandlung als Hehlerei im Sinne von § 259 Abs. 1 StGB besorgen, dass das Landgericht übersehen hat, dass der Angeklagte im Fall mittäterschaftlicher Begehung der Vortat als tauglicher Täter der Hehlerei ausscheidet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 7, 134, 137; 33, 50, 52).
Rz. 7
3. Ferner kann im Fall II 4 der Urteilsgründe der Strafausspruch nicht bestehen bleiben, da das Landgericht die Tatzeit in den Urteilsgründen nicht mitteilt und dem Revisionsgericht somit die Prüfung der Frage nicht möglich ist, ob auch insoweit die Voraussetzungen der Einbeziehung der durch das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 2. März 2009 verhängten Freiheitsstrafe von neun Monaten gemäß § 55 Abs. 1 StGB vorgelegen haben.
Rz. 8
4. Die Rechtsfehler führen in den Fällen II 3, 4, 5, 6, 8, 9, 12, 13, 14 und 19 der Urteilsgründe zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Gemäß § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang auf die Mitangeklagten T., H. und D. zu erstrecken, soweit sie ebenfalls wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges verurteilt worden sind. Für die neue Verhandlung und Entscheidung merkt der Senat an, dass hinsichtlich des Angeklagten B. auch die Verweigerung der Strafrahmenmilderung nach § 46 a Nr. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB rechtlichen Bedenken begegnet. Die vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 3. November 2009 zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung herangezogene Senatsentscheidung (Senatsbeschluss vom 18. November 1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 205) verhält sich zur Anwendbarkeit von § 46 a Nr. 2 StGB bei Zahlung eines Geldbetrages zur Minderung des einer juristischen Person entstandenen Schadens und betrifft deshalb eine mit dem vorliegenden Fall in wesentlichen Punkten nicht vergleichbare Sachverhaltskonstellation. Es kommt hinzu, dass die Strafkammer ausdrücklich festgestellt hat, dass der Angeklagte zur Wiedergutmachung des im vorliegenden Fall rein rechnerisch bestimmbaren Schadens einen Kredit in Höhe von 3.000 EUR aufgenommen und damit den entstandenen Schaden im Wesentlichen ersetzt hat.
Unterschriften
Tepperwien, Athing, Solin-Stojanović, Ernemann, Franke
Fundstellen