Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 06.12.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 6. Dezember 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Sperre von zwei Jahren für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis verhängt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Rz. 3
2. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand, soweit eine Entscheidung über das Verhängen einer Maßregel nach § 64 StGB unterblieben ist. Das Landgericht durfte diese Rechtsfolge nicht unerörtert lassen.
Rz. 4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte seit seinem 17. Lebensjahr regelmäßig Marihuana und Haschisch, zuletzt ein bis zwei Gramm täglich. Die abgeurteilte Tat beging er, um mit dem Kurierlohn seine finanzielle Notlage, die seinem Drogenkonsum geschuldet war, zu verbessern. Der Angeklagte hat seine Bereitschaft gezeigt, sich wegen seines Drogenmissbrauchs einer Therapie zu unterziehen. Daher hätte das Landgericht die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt prüfen müssen (siehe nur BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 – 3 StR 458/08, NStZ 2009, 261). Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte seit seiner Festnahme am 10. Mai 2017 kein Marihuana einnahm und nach den ersten Tagen in der Untersuchungshaft nicht mehr unter Entzugserscheinungen litt. Sofern das Landgericht mit dieser Feststellung die Annahme einer Gefahr der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten infolge des Drogenmissbrauchs (§ 64 Abs. 2 StGB) ausschließen wollte, hätte es dies erörtern müssen, insbesondere angesichts des Umstands, dass sich der Angeklagte selbst für therapiebedürftig hält.
Rz. 5
b) Auf eine fehlende Beschwer des Angeklagten, der die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht von seinem Revisionsangriff ausgenommen hat, kommt es insoweit nicht an (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; siehe nur BGH aaO; Beschluss vom 6. Februar 2018 – 3 StR 629/17, juris Rn. 13 mwN).
Rz. 6
c) Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss nach alledem – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – neu verhandelt und entschieden werden. Dabei genügt für die Annahme eines Hanges (§ 64 Satz 1 StGB) bereits eine erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine psychische Abhängigkeit bestehen muss (siehe nur BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018 – 3 StR 629/17 Rn. 12 mwN). Die Beeinträchtigung der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Rauschmittelkonsum indiziert zwar einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB, ihr Fehlen schließt diesen indes nicht aus (BGH aaO mwN). Im Falle der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sind die Bestimmungen des § 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StGB zu beachten; dazu hat das neue Tatgericht die voraussichtliche Dauer der Behandlung zu ermitteln und gegebenenfalls den Umfang der vollzogenen Untersuchungshaft zu berücksichtigen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 – 5 StR 551/08, NStZ-RR 2009, 233; Beschluss vom 12. Dezember 2008 – 2 StR 518/08, juris Rn. 3; Beschluss vom 30. Januar 2008 – 2 StR 4/08, juris Rn. 2 f.).
Rz. 7
3. Die verhängte Strafe bleibt hiervon unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Tatgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
Unterschriften
Gericke, Spaniol, Tiemann, Hoch, Leplow
Fundstellen
Dokument-Index HI11743714 |