Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 26.09.2016) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 26. September 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die Angeklagte F. unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihrer jeweils auf die Sachrüge gestützten Revision. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Nachprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen Rechtsfehler ergeben.
Rz. 3
2. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung hingegen nicht stand.
Rz. 4
a) Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht der Maßregel hat das Landgericht die am 1. August 2016 in Kraft getretene Neufassung des § 64 Satz 2 StGB (BGBl. I 2016 S. 1610) nicht bedacht. Das Landgericht hat die Nichtanordnung der Maßregel betreffend beide Angeklagte entscheidend damit begründet, dass die für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Therapie (§ 64 Satz 2 StGB) nicht bestehe, weil die voraussichtlich notwendige Dauer der Behandlung die in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB genannte Frist von zwei Jahren überschreite (UA S. 50, 53). Dabei hat sich die Strafkammer an der bisherigen Rechtsprechung einiger Strafsenate des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor der Gesetzesänderung orientiert, wonach die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB dann nicht vorliegen, wenn die Entzugsbehandlung voraussichtlich nicht innerhalb der in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Maßregel vorgesehenen Höchstfrist von zwei Jahren zum Erfolg führen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2014 – 3 StR 48/14, NStZ-RR 2014, 212, 213 mwN; Senat, Urteil vom 20. Januar 2016 – 2 StR 378/15, NStZ 2016, 683, 685; Beschluss vom 8. August 2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7, 8; vgl. auch Fischer, StGB, 64. Aufl., § 64 Rn. 19a; dagegen BGH, Urteil vom 6. Februar 1996 – 5 StR 16/96; zuletzt offengelassen BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315, 316; vgl. zum Ganzen Schneider, NStZ 2014, 617). Dieser – auf den Wortlaut des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB und den Willen des Gesetzgebers gestützten – Auslegung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292) ist mit der Neufassung des § 64 Satz 2 StGB im Zuge des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuchs und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I 2016 S. 1610) die Grundlage entzogen worden (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl., § 132 Rn. 21). Denn durch diese Gesetzesänderung enthält § 64 Satz 2 StGB nun eine entsprechende Klarstellung, indem nach dem Wort „Entziehungsanstalt” die Worte „innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3” eingefügt wurden. Damit hat der Gesetzgeber – um eine flexiblere Handhabung des § 64 StGB für den Einzelfall zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 18/7244, S. 13, 24 f.) – an die Rechtsansicht des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs angeknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, aaO), wonach für eine erfolgversprechende Behandlung im Sinne des § 64 Satz 2 StGB grundsätzlich die bei Verhängung einer Begleitstrafe geltende verlängerte Unterbringungsfrist nach § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zur Verfügung steht (Senat, Beschluss vom 15. März 2017 – 2 StR 581/16).
Rz. 5
b) Die Neufassung des § 64 Satz 2 StGB findet gemäß § 2 Abs. 6 StGB auch auf den vorliegenden Fall Anwendung (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2017 – 2 StR 581/16, juris Rn. 6). Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht, das die übrigen Voraussetzungen des § 64 StGB als gegeben angesehen hat, unter Berücksichtigung der Gesetzesänderung die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet hätte.
Rz. 6
c) Über die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist deshalb hinsichtlich beider Angeklagter neu zu befinden. Dass nur die Angeklagten Revision eingelegt haben, hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; Senat, Beschlüsse vom 15. März 2017 – 2 StR 581/16, juris Rn. 7; vom 28. Januar 2016 – 2 StR 424/15; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 7 ff.), denn die Angeklagten haben die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht vom Rechtsmittelangriff nicht ausgenommen (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363; Beschlüsse vom 15. März 2017 – 2 StR 581/16; vom 5. November 2015 – 2 StR 373/15). Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es nicht. Der Senat schließt aus, dass die Strafen geringer ausgefallen wären, wenn das Landgericht die Maßregel angeordnet hätte.
Unterschriften
Appl, Eschelbach, Bartel, Wimmer, Grube
Fundstellen
Haufe-Index 10866493 |
NJW-Spezial 2017, 442 |
StV 2019, 263 |
StraFo 2017, 245 |