Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheit des Vollstreckungstitels. Berechnung des Zahlungsanspruchs im Vollstreckungstitel
Leitsatz (amtlich)
Der in einem Prozessvergleich ausgewiesene bezifferte Zahlungsbetrag ist vollstreckungsrechtlich bestimmt.
Normenkette
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Potsdam v. 19.1.2005 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des AG Potsdam v. 19.11.2004 wird zurückgewiesen.
Der Schuldner trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
Wert: 5.578,68 EUR
Gründe
I.
Die Gläubigerin betreibt aus einem Vergleich im Scheidungsverfahren wegen eines Unterhaltsrückstands für die Monate Februar und März 2004 von je 28,69 EUR sowie wegen des laufenden Unterhalts ab April 2004i.H.v. monatlich 464,89 EUR die Zwangsvollstreckung.
Der Vergleich lautet u.a.:
"Der Ehemann (= Schuldner) zahlt an die Ehefrau (= Gläubigerin) ab 1.5.1997 eine lebenslängliche Leibrente von monatlich 1.250 DM. Diese monatliche Leibrente ändert sich in dem Verhältnis, wie sich die Bezüge eines Professors der Vergütungsgruppe C 4 der H. -Universität in B. verändern. Der Ehemann verpflichtet sich, der Ehefrau unverzüglich entsprechende Änderungen mitzuteilen und die Leibrente entsprechend der Änderung zu zahlen ...
Die Rechte aus § 323 ZPO behält der Ehemann sich bezüglich der Leibrente (Ehegattenunterhalt) insoweit vor, als sein Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit das der Ehefrau um weniger als 10 % übersteigt ..."
Das AG P. erließ auf Antrag der Gläubigerin am 29.4.2004 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in der beantragten Höhe.
Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Schuldners, in der er die Bestimmtheit des Titels beanstandete, hat das AG P. mit Beschluss v. 19.11.2004 zurückgewiesen.
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das LG P. den Beschluss des AG P. v. 19.11.2004 und den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG P. v. 29.4.2004 aufgehoben. Es hat die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich für den Zeitraum, in dem im Rahmen der Bezüge eines Professors der Vergütungsgruppe C 4 der H. -Universität in B. Sonderzahlungen nach dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung des Landes B. zu berücksichtigen sind, für unzulässig erklärt.
Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin die Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und Wiederherstellung des Beschlusses des AG.
II.
Die gem. §§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2, 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des AG P. v. 19.11.2004.
1. Das LG ist der Ansicht, der Schuldner könne sich mit Erfolg darauf berufen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem FamG geschlossenen Vergleich mangels hinreichender Bestimmbarkeit des Zahlungstitels zurzeit unzulässig sei.
Die Berechnung eines Zahlungsanspruchs im Vollstreckungstitel könne offen bleiben, wenn sie ohne weiteres dadurch möglich sei, dass auf außerhalb des Titels liegende Bemessungsmaßstäbe Bezug genommen werde, welche eindeutig und allgemein zugänglich seien. Dies sei im Hinblick auf die Gewährung einer jährlichen Sonderzulage (Weihnachtsgeld), das nicht mehr prozentual, sondern in einem Betrag von 640 EUR geleistet werde, ab dem Jahre 2003 nicht mehr der Fall. Da die Addition des Betrages von 640 EUR zu den jeweiligen Altersstufen der Gehaltsgruppe C 4 zu unterschiedlichen prozentualen Verschiebungen führe, könne eine Berechnung anhand der Besoldungstabelle nicht mehr erfolgen, sondern nur durch Auskunft des Schuldners bzw. der zuständigen Besoldungsbehörde. Der Titel sei daher nicht vollstreckungsfähig (Bezug auf BGH, Urt. v. 24.10.1956 - V ZR 127/55, BGHZ 22, 54 [57]).
2. Die dagegen gerichtete Rüge der Gläubigerin hat Erfolg.
Sie beanstandet zu Recht, dass das Beschwerdegericht bei seiner Beurteilung maßgebend auf S. 2 des Vergleichs abstellt und den für die Auslegung des Titels entscheidenden S. 1 nicht in rechtlich gebotener Weise berücksichtigt. Nach S. 1 des Vergleichs zahlt der Ehemann (= Schuldner) an die Ehefrau (= Gläubigerin) eine lebenslängliche Leibrente von monatlich 1.250 DM. Dieser Betrag ist bestimmt. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung wegen Unterhaltsrückstandes aus einem Teil dieses Betrags. Hinsichtlich dieses Betrages ist und bleibt der Vergleich, ungeachtet der Regelung in S. 2, vollstreckbar. Soweit der Schuldner die Ansicht vertritt, es sei wegen der veränderten Sonderzahlung zu seinen Ungunsten eine Änderung eingetreten, die zur Reduzierung seiner Zahlungsverpflichtung führe, handelt es sich um eine materiell-rechtliche Einwendung, die nichts an der Bestimmtheit des Titels ändert (BGH, Urt. v. 16.4.1997 - VIII ZR 239/96, MDR 1997, 776 = NJW 1997, 2887, m.w.N.) und die im vorliegenden Verfahren nicht erhoben werden kann, vielmehr im Rahmen der für eine derartige Änderung eröffneten prozessualen Vorgehensweisen verfolgt werden muss.
Das LG stützt seine abweichende Ansicht zu Unrecht auf die Entscheidung des BGH v. 24.10.1956 (BGH, Urt. v. 24.10.1956 - V ZR 127/55, BGHZ 22, 54 [57]). Dort war die Unterhaltsrente nicht in einem bestimmten Betrag bezeichnet, sondern mit 50 % der monatlichen Höchstpension eines Bayerischen Notars. Hier hingegen ist die Leibrente mit 1.250 DM monatlich bestimmt.
Fundstellen
Haufe-Index 1461266 |
BGHR 2006, 262 |
FamRZ 2006, 202 |
NJW-RR 2006, 148 |
WM 2006, 596 |
InVo 2006, 108 |
MDR 2006, 536 |
Rpfleger 2006, 140 |
FamRB 2006, 144 |
NotBZ 2006, 57 |
ZFE 2006, 71 |