Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe bei fehlender Bereitschaft zur Kostenaufbringung durch die wirtschaftlich Beteiligten trotz Zumutbarkeit zur Kostenaufbringung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zuzumuten sind Vorschüsse auf die Prozesskosten nur solchen Beteiligten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und deren zu erwartender Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozessrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten.

2. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, Prozesskostenhilfe in denjenigen Fällen auszuschließen, in denenh hinter der Partei kraft Amtes wirtschaftliche Beteiligte stehen, welche die zur Prozessführung erforderlichen Mittel aufbringen können und denen dies auch zumutbar ist.

 

Normenkette

ZPO § 116 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 22.12.2011; Aktenzeichen 10 U 78/06)

BGH (Entscheidung vom 21.12.2010; Aktenzeichen X ZR 122/07)

OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 13.07.2007; Aktenzeichen 10 U 78/06)

LG Wiesbaden (Entscheidung vom 08.03.2006; Aktenzeichen 11 O 83/04)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. K. wird abgelehnt.

 

Gründe

Rz. 1

Gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO kann einer Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe nur gewährt werden, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen.

Rz. 2

Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Die Kosten der Rechtsverteidigung können zwar aus der Insolvenzmasse nicht aufgebracht werden. Es gibt aber zumindest vier wirtschaftlich Beteiligte, denen zuzumuten ist, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen.

Rz. 3

Die Kostentragung ist solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch die Eigeninteressen sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverteidigung voraussichtlich deutlich größer sein wird als die von ihnen aufzubringenden Kosten des Rechtsstreits (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 II ZR 211/08, in […], m.w.N.).

Rz. 4

Bei einer wertenden Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls ist es nach dem Vortrag des Klägers der Volksbank F. e.G., der C.-Bank AG, der T.-Krankenkasse und dem Finanzamt zuzumuten, die Kosten aufzubringen. Bei einem Erfolg der Rechtsverteidigung des Klägers erhielten sie eine Quote von 100 % und damit ein Vielfaches der im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde voraussichtlich entstehenden Kosten von 11.508,25 EUR. Der Koordinierungsaufwand des Klägers ist insoweit gering, weil er die Leistung des Kostenvorschusses nur mit diesen Gläubigern abstimmen muss. Sollten diese trotz Zumutbarkeit nicht bereit sein, die Kosten aufzubringen, änderte dies nichts daran, dass die Voraussetzungen für eine Gewährung von Prozesskostenhilfe im konkreten Fall nicht vorliegen. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist nicht dahingehend restriktiv auszulegen, dass Prozesskostenhilfe auch dann zu gewähren ist, wenn die wirtschaftlich Beteiligten trotz Zumutbarkeit zur Kostenaufbringung nicht bereit sind (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 1998 – XI ZR 4/98, BGHZ 138, 188, 193 f.).

 

Unterschriften

Eick, Safari, Chabestari, Leupertz, Kosziol, Kartzke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3609644

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