Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 30.04.2015) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 30. April 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in dreizehn Fällen, davon in acht Fällen tateinheitlich mit unerlaubtem Einführen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, wobei er insbesondere die Nichtanordnung einer Maßregel nach § 64 StGB beanstandet. Insoweit hat sein Rechtsmittel auch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Die Erwägungen, mit denen das Landgericht von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat, halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 3
1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte von 1993 bis 1995 heroinabhängig. In der Folgezeit wurde er mit Methadon substituiert, wobei dies teilweise unter ärztlicher Aufsicht, teilweise in Eigenregie mit Methadon vom Schwarzmarkt geschah. Der Angeklagte konsumierte überwiegend Methadon, gelegentlich fand ein Konsum von Heroin statt. Im Jahre 2012 befand sich der Angeklagte in der LWL-Klinik in D. zu einer Entgiftung. Dort erhielt er 20 bis 40 ml Methadon täglich. Er verließ die Klinik nach sieben Tagen gegen ärztlichen Rat. In der Untersuchungshaft wurde der Angeklagte von 40 mg Methaddict (Tabletten) auf 40 mg Methadon (flüssig) umgestellt. Die Dosierung wurde während des halben Jahres bis zum Schluss der Hauptverhandlung auf die Hälfte reduziert. Seinen Lebensunterhalt bestritt der Angeklagte überwiegend aus dem Verkauf von Heroin.
Rz. 4
Das Landgericht hat einen Hang des Angeklagten verneint, weil zwar ein gelegentlicher Heroinkonsum vorliege, dieser aber im Tatzeitraum nicht die Qualität einer ernsthaften Suchterkrankung erreicht habe. Körperliche Entzugssymptome hätten nicht festgestellt werden können. Der Angeklagte befinde sich in einem guten körperlichen Zustand, die Leberwerte seien im normalen Bereich, die Arbeits- und Leistungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der reflektierte Umgang mit Heroin und Methadon spreche gegen eine klassische Abhängigkeit. Es liege lediglich ein Methadonmissbrauch, kombiniert mit gelegentlichem, kontrolliertem Heroinmissbrauch vor.
Rz. 5
2. Die Ausführungen der Strafkammer zur Verneinung eines Hanges beziehen sich allein auf den festgestellten Konsum von Heroin. Die Strafkammer hat aber ersichtlich nicht berücksichtigt, dass auch Methadon ein berauschendes Mittel im Sinne des § 64 StGB darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2002 – 4 StR 207/02, NStZ 2003, 484; Beschluss vom 27. Juni 2001 – 2 StR 204/01, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 7; Beschluss vom 5. Juli 2000 – 2 StR 87/00, NStZ-RR 2001, 12). Sowohl die Tatsache, dass der Angeklagte bei der Entgiftungsbehandlung in der LWL-Klinik Methadon erhielt als auch der Umstand, dass er in der Untersuchungshaft mit Methadon substituiert wird, legen einen bei ihm vorhandenen Hang zum Opiatkonsum nahe. Auch die Strafkammer geht von einem Methadonmissbrauch aus, erörtert diesen aber nicht im Zusammenhang mit einem Hang des Angeklagten.
Rz. 6
Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen den Taten und einem Hang lässt sich nach den Urteilsgründen nicht ausschließen. Die Strafkammer konnte für den Tatzeitraum kein legales Einkommen des Angeklagten feststellen, so dass es nahe liegt, dass er mit den Taten auch seinen Methadonkonsum finanziert hat. Dass beim Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs nicht besteht, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 1999 – 3 StR 303/99 mwN).
Rz. 7
3. Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatrichterlicher Prüfung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht der Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen. Der Strafausspruch wird von der Teilaufhebung nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter, der beim Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB zur Zeit der Taten rechtsfehlerfrei verneint hat, bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt geringere Strafen verhängt hätte.
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Cierniak, Mutzbauer, Quentin
Fundstellen