Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 17.03.2020; Aktenzeichen 6813 Js 54584/19 34 KLs 12/19) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17. März 2020 wird als unbegründet verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen.
2. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorgenannte Urteil – soweit es ihn betrifft – im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten, den Angeklagten R. wegen schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die hiergegen gerichtete auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten K. ist im Umfang der Beschlussformel erfolgreich (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie – wie die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten R. – unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Im den Angeklagten K. betreffenden Schuldspruch hält das Urteil der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand. Der Senat kann angesichts der übrigen Beweislage ausschließen, dass der Schuldspruch im Fall 3 der Urteilsgründe auf der unzureichenden Darstellung der Ergebnisse der DNA-Analyse beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187; und vom 8. Juli 2020 – 5 StR 140/20).
Rz. 3
2. Der Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe kann hingegen keinen Bestand haben.
Rz. 4
Obgleich hierzu Anlass bestand, hat die Jugendkammer nicht erörtert, ob die Voraussetzungen des vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 46b Abs. 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB gegeben waren.
Rz. 5
a) Da sowohl bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG als auch bei der Zumessung der konkreten Jugendstrafe der äußere Unrechtsgehalt der Tat insofern von Belang ist, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Schwere der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226), ist zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld des Täters das Tatunrecht am Maßstab der gesetzlichen Strafandrohungen des Erwachsenenstrafrechts heranzuziehen. Deren Höhe hängt aber unter anderem davon ab, ob vertypte Milderungsgründe wie der des § 46b Abs. 1 StGB vorliegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2016 – 3 StR 125/16, Rn. 6; vom 17. Dezember 2014 – 3 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 155, 156).
Rz. 6
b) Die Jugendkammer hat zwar sowohl im Rahmen ihrer Erörterungen zu § 17 Abs. 2 JGG als auch – durch Verweisung – im Rahmen der im Jugendstrafrecht ebenfalls bedeutsamen Prüfung eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. November 1987 – 3 StR 482/87, BGHR JGG § 18 Abs. 1 Satz 3 minder schwerer Fall 3; vom 21. August 2012 – 4 StR 157/12, NStZ-RR 2013, 50; vom 5. Juni 2013 – 2 StR 189/13, NStZ-RR 2013, 291; vom 8. Januar 2014 – 3 StR 318/13, NStZ 2014, 409; vom 17. Dezember 2014 – 3 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 155) dem Angeklagten zugutegehalten, dass er „bereits im Ermittlungsverfahren Aufklärungshilfe bezüglich der Tatbeteiligung des Angeklagten R. geleistet” habe. Sie hat jedoch nicht erwogen, ob diese „Aufklärungshilfe” bei vergleichender Beurteilung der Taten nach Erwachsenenstrafrecht die besonderen Voraussetzungen für eine fakultative Strafrahmenmilderung nach § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllte. Damit hat sie sich gleichzeitig den Blick darauf verstellt, dass bei Annahme der Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB zu prüfen gewesen wäre, ob wegen Vorliegens dieses vertypten Milderungsgrundes ein minder schwerer Fall im Sinne allgemeinen Strafrechts (§ 250 Abs. 3 StGB) gegeben wäre.
Rz. 7
3. Da die übrigen vom Landgericht herangezogenen Umstände der Taten und der Persönlichkeit des Angeklagten bereits die Bejahung der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG tragen, schließt der Senat aus, dass die Verhängung einer Jugendstrafe auf dem Rechtsfehler beruht. Trotz der moderaten Strafe kann der Senat jedoch nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Bewertung eine etwas mildere Jugendstrafe verhängt hätte. Er hebt das Urteil daher im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe auf.
Rz. 8
Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen insbesondere zu der geleisteten Aufklärungshilfe treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Unterschriften
Sander, Schneider, König, von Schmettau, Fritsche
Fundstellen
Haufe-Index 14264262 |
NStZ 2021, 372 |