Tenor
Für die mit der Strafaussetzung zur Bewährung erstmalig zu treffenden Nebenentscheidungen (§§ 56 a bis 56 d StGB) in den Vollstreckungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf 220 VRs 10717/94 und 60 VRs 468/00 ist das Amtsgericht Düsseldorf zuständig.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Düsseldorf hat den Verurteilten wegen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz am 1. Juni 1994 und 8. Juli 1999 zu Freiheitsstrafen von fünf und vier Monaten verurteilt, die bis auf Strafreste von 51 und 23 Tagen vollstreckt sind. Ab dem 29. Oktober 2001 wurde die weitere Vollstreckung dieser beiden Reststrafen und einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom 8. Juni 2001 unter Anrechnung der Therapiezeit auf die Strafe gemäß § 35 BtMG zurückgestellt. Der Verurteilte wurde für eine Drogenentwöhnungstherapie aus der Justizvollzugsanstalt Aachen entlassen. Nach Abschluß der Therapie hat das Amtsgericht Düsseldorf die Vollstreckung der beiden Strafreste mit Beschlüssen vom 29. Mai und 29. Juli 2002 gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG zur Bewährung ausgesetzt. Die in dem erstgenannten Beschluß getroffenen Anordnungen über die Dauer der Bewährungszeit, die Unterstellung unter die Aufsicht eines Bewährungshelfers und weitere Weisungen hat das Amtsgericht auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft am 30. Juli 2002 aufgehoben und damit seine Zuständigkeit für diese Anordnungen verneint. In dem anderen Beschluß wurden entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft keine Nebenentscheidungen zur Ausgestaltung der Bewährungszeit getroffen.
Die Staatsanwaltschaft hat sodann beide Verfahren der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Aachen mit dem Antrag vorgelegt, die Bewährungszeit festzusetzen und den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers zu unterstellen. Die Strafvollstreckungskammer hat sich für unzuständig erklärt, die erstmaligen Anordnungen zur Ausgestaltung der Bewährungszeit zu treffen und die Sachen dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Entscheidung über die mit der Strafaussetzung zusammenhängenden erstmaligen Anordnungen nach den §§ 56 a bis 56 d obliegen dem Amtsgericht Düsseldorf.
Als Gericht des ersten Rechtszugs ist das Amtsgericht nach dem ordnungsgemäßen Abschluß der Drogentherapie zuständig für die Entscheidung über die Aussetzung der beiden Restfreiheitsstrafen zur Bewährung (§ 36 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 BtMG). Dies ist zwischen der Strafvollstreckungskammer und dem Amtsgericht auch nicht streitig.
Das Amtsgericht Düsseldorf als Gericht des ersten Rechtszugs ist aber nicht nur für die isolierte Entscheidung über die Strafaussetzung selbst zuständig, sondern auch für die damit untrennbar zusammenhängenden Nebenentscheidungen gemäß §§ 56 a bis 56 d StGB. Für die Aussetzungs- und Anrechnungsentscheidungen (§ 36 Abs. 1 bis 3 BtMG) gelten die §§ 56 a bis 56 g StGB entsprechend (§ 36 Abs. 4 BtMG). Die erstmalige Bestimmung der Bewährungszeit (§ 56 a Abs. 1 StGB) und die Anordnungen nach §§ 56 b bis 56 d StGB sind notwendiger und untrennbarer Bestandteil der dem Amtsgericht obliegenden Aussetzungsentscheidung. Das Gericht des ersten Rechtszugs setzt die Vollstreckung der nach der Drogentherapie und deren Anrechnung verbliebenen Reststrafe zur Bewährung aus, sobald dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG). Ob dem Verurteilten in diesem Sinne eine günstige Prognose gestellt werden kann, kann nicht losgelöst von den ergänzenden und stützenden Maßnahmen im Sinne der §§ 56 b bis 56 d StGB beurteilt werden. Gerade bei den wegen Drogendelikten verurteilten Probanden ist eine günstige Prognose in aller Regel nur dann gerechtfertigt, wenn ihre Lebensführung für die Dauer der individuell zu bestimmenden Bewährungszeit mit ergänzenden Weisungen und/oder Auflagen sowie der Bestellung eines Bewährungshelfers begleitet und überwacht wird. Das Gericht des ersten Rechtszugs kann somit eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Aussetzungsentscheidung nicht unabhängig davon treffen, über welchen Zeitraum von dem Verurteilten welche Auflagen und Weisungen erfüllt werden sollen und welche Hilfestellung erforderlich sind, um eine Gefährdung der Allgemeinheit soweit wie möglich auszuschließen. Die erstmaligen Entscheidungen nach §§ 56 a bis 56 d StGB sind deshalb notwendiger Bestandteil der Aussetzungsentscheidung, nicht aber durch ein anderes Gericht hiervon getrennt und unabhängig zu treffende Folgeentscheidungen (so aber OLG Düsseldorf JMBl. NRW 2002, 113; NStE Nr. 12 zu § 36 BtMG). Dies entspricht auch der Regelung in § 268 a Abs. 1 StPO, daß bei der Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe zugleich mit dem Urteil der Bewährungsbeschluß mit den Anordnungen nach §§ 56 a bis 56 d StGB zu verkünden ist (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. § 268 a Rdn. 1). Diese erstmaligen Anordnungen können daher nicht einem anderen Richter übertragen werden als dem, der über die Strafaussetzung selbst zu befinden hat.
Eine Begrenzung der Zuständigkeitszuweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs ergibt sich deshalb auch nicht daraus, daß § 36 Abs. 5 Satz 1 BtMG nur auf die (Aussetzungs- und Anrechnungs-)Entscheidungen nach § 36 Abs. 1 bis 3 BtMG Bezug nimmt, nicht aber auf dessen Absatz 4. Die in § 36 Abs. 4 BtMG für entsprechend anwendbar erklärten §§ 56 a bis 56 g StGB betreffen sowohl Anordnungen, die zugleich mit der Strafaussetzung zu treffen sind (Dauer der Bewährungszeit, Auflagen, Weisungen, Bestellung eines Bewährungshelfers), als auch nachträgliche Entscheidungen (Verlängerung der Bewährungszeit, Änderung von Auflagen und Weisungen, Widerruf der Strafaussetzung und den Straferlaß, vgl. §§ 56 a Abs. 2, 56 e, 56 f, 56 g StGB). Soweit es sich um die der Aussetzungsentscheidung nachfolgende Bewährungsaufsicht und nachträgliche Entscheidungen handelt, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehen, hat der Senat zwar bereits wiederholt entschieden, daß sich die gerichtliche Zuständigkeit insoweit auch bei einer nach § 36 BtMG bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung nicht nach der Sonderregegelung in § 36 Abs. 5 Satz 1 BtMG richtet, sondern nach der allgemeinen Regelung in § 462 a StPO, so daß in diesen Fällen nach dem Vollzug von Strafhaft die Strafvollstreckungskammer zuständig ist (vgl. BGHSt 37, 338; BGH, Beschl. vom 10. April 2002 – 2 ARs 88/02; BGH NStZ-RR 2001, 343; 1996, 53; NStZ 2001, 110). Zu den nachträglichen Entscheidungen in diesem Sinne gehören aber aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht die zusammen mit der Aussetzungsentscheidung erstmalig zu treffenden Anordnungen gemäß §§ 56 a bis 56 d StGB. Diese Nebenbestimmungen sind notwendiger Bestandteil der Aussetzungsentscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs und keine nachträglichen oder „Folgeentscheidungen” im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 36 Abs. 5 Satz 1 BtMG.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, Otten, Roggenbuck
Fundstellen