Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Doppelbelastung bei Vermögensabschöpfung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zieht das Landgericht sowohl den Wert der Taterträge, die der Angeklagte durch seine Betrugstaten erlangt hat, als auch die durch die Nichtabgabe von Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen jeweils ersparten Aufwendungen im Hinblick auf die erzielten Taterträge ein, unterläge damit ein höherer als der insgesamt zugeflossene Betrag der Einziehung. Dies wäre mit der Rechtsprechung des BVerfG nicht zu vereinbaren, wonach es durch Besteuerung und Vermögensabschöpfung nicht zu einer doppelten Belastung des Täters kommen darf. Das gilt auch dann, wenn Zahlungen auf eine Einziehungsanordnung in anderen Veranlagungszeiträumen steuerlich wieder in Ansatz gebracht werden können.

 

Normenkette

StGB §§ 73, 73c; AO § 370 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 5 Nr. 8

 

Verfahrensgang

LG Rostock (Entscheidung vom 18.03.2022; Aktenzeichen 18 KLs 61/14)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 27.06.2023; Aktenzeichen 1 StR 436/22)

BGH (Beschluss vom 14.06.2023; Aktenzeichen 1 StR 436/22)

BGH (Beschluss vom 24.05.2023; Aktenzeichen 1 StR 436/22)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten H.    wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 18. März 2022 im Einziehungsausspruch dahin abgeändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.254.951,40 Euro angeordnet ist, wovon er in Höhe von 1.098.934,05 Euro als Gesamtschuldner haftet; in Höhe eines Betrages von 249.744,16 Euro entfällt die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen. Von den im Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten, die die Einziehung des Wertes von Taterträgen betreffen, hat die Staatskasse 1/6 zu tragen; die insoweit angefallenen Gerichtsgebühren werden um 1/6 ermäßigt.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten H.    und die Revisionen der Angeklagten K., S.   und Sc.     gegen das vorbezeichnete Urteil werden als unbegründet verworfen.

3. Der Angeklagte H.   hat die weiteren Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die übrigen Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten H.     wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, gewerbsmäßiger Kennzeichenverletzung und gewerbsmäßiger Verletzung von Unionsmarken sowie wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, wovon drei Monate der Freiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Darüber hinaus hat es bei ihm die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.504.695,56 Euro angeordnet, wovon er in Höhe von 1.098.934,05 Euro als Gesamtschuldner haftet. Schließlich hat die Strafkammer die Einziehung von sichergestellten Tatmitteln und eine Maßregel nach § 61 Ziff. 6, § 70 StGB angeordnet. Die hiergegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten H.      erzielt lediglich hinsichtlich der Einziehung des Wertes von Taterträgen den aus der Beschlussformel ersichtlichen (teilweisen) Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Rz. 2

Die Angeklagten K., S.    und Sc.     hat das Landgericht wegen (teilweiser) Beteiligung (§ 27 StGB) an den Taten des Angeklagten H.    zu zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafen (K.     und S.    ) bzw. einer Freiheitsstrafe (Sc.    ) verurteilt, jeweils eine Kompensationsentscheidung wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung getroffen, die Einziehung des Wertes von Taterträgen und teilweise (K.    und Sc.     ) Maßregeln nach § 61 Ziff. 6, § 70 StGB angeordnet. Die hiergegen von diesen Angeklagten eingelegten Revisionen bleiben aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

Rz. 3

1. Lediglich die gegen den Angeklagten H.     getroffene Einziehungsentscheidung hinsichtlich der Höhe des Wertes von Taterträgen bedarf - wie das Landgericht ausgeführt hat (UA S. 801) - der Abänderung. Entsprechend § 354 Abs. 1 StPO verringert der Senat den Betrag um 249.774,16 Euro selbst und lässt die Einziehungsentscheidung insoweit entfallen.

Rz. 4

Das Landgericht hat sowohl den Wert der Taterträge, die der Angeklagte durch seine Betrugstaten erlangt hat, als auch die durch die Nichtabgabe von Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen jeweils in den Veranlagungsjahren 2010 und 2011 ersparten Aufwendungen im Hinblick auf die erzielten Taterträge eingezogen. Damit unterläge ein höherer als der insgesamt zugeflossene Betrag der Einziehung. Dies wäre mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu vereinbaren, wonach es durch Besteuerung und Vermögensabschöpfung nicht zu einer doppelten Belastung des Täters kommen darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 4/87 u.a., BVerfGE 81, 228, 239 f.). Das gilt auch dann, wenn Zahlungen auf eine Einziehungsanordnung in anderen Veranlagungszeiträumen steuerlich wieder in Ansatz gebracht werden können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. März 2022 - 1 StR 515/21 Rn. 14; vom 10. August 2021 - 1 StR 399/20 Rn. 41 und vom 5. September 2019 - 1 StR 99/19 Rn. 10 jeweils mwN).

Rz. 5

2. Mit Blick auf die der Einziehungsanordnung zugrundeliegenden Wertverhältnisse gebietet es die Billigkeit angesichts des insoweit erzielten Teilerfolgs, den Angeklagten teilweise von seinen notwendigen Auslagen und Gerichtsgebühren zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO, § 465 Abs. 2 StPO analog, vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2021 - 1 StR 423/20).

Jäger     

Bellay     

Wimmer

Allgayer     

Munk     

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15686157

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge