Verfahrensgang
LG Detmold (Urteil vom 09.07.2019; Aktenzeichen 21 Js 11/19 21 KLs 14/19) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 9. Juli 2019 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Während der Schuldspruch keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler aufweist, hält der Strafausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Strafrahmenwahl ist in mehrfacher Hinsicht rechtlich zu beanstanden.
Rz. 3
1. Das Landgericht hat der Bemessung der Strafe zunächst den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt und ist nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zur Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 30 Abs. 2 BtMG gelangt. Die Strafkammer hat jedoch nicht den für minder schwere Fälle des § 30 BtMG gesetzlich bestimmten Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe angewendet, sondern hat im Weiteren der Bemessung der Strafe einen Rahmen von sechs Monaten bis elf Jahre und drei Monate zugrunde gelegt. Dabei hat sie, ersichtlich ausgehend vom Regelstrafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG, auf § 49 Abs. 1 StGB verwiesen, was schon deshalb nicht nachvollziehbar und daher rechtsfehlerhaft ist, weil in Bezug auf die Einfuhrtat nach § 30 Abs. 1 BtMG kein vertypter Milderungsgrund vorliegt.
Rz. 4
2. Das Landgericht hat zudem den mit Blick auf § 52 Abs. 2 StGB für die Strafrahmenwahl ebenfalls in Betracht kommenden Strafrahmen für die tateinheitlich verwirklichte Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge rechtsfehlerhaft bestimmt. Das Landgericht ist insoweit von dem nach § 27 i.V.m. § 49 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG von drei Monaten bis elf Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe ausgegangen. Es hat dabei indes die bei Prüfung eines minder schweren Falls gebotene Prüfungsreihenfolge nicht eingehalten.
Rz. 5
Sieht das Gesetz einen besonderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vor und ist – wie hier gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB – auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtabwägung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Strafrahmens danach weiterhin nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 7. März 2017 – 2 StR 567/16 Rn. 6; vom 13. Oktober 2016 – 3 StR 248/16 Rn. 5; vom 17. Oktober 2017 – 3 StR 264/17 Rn. 18).
Rz. 6
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Urteilsgründe teilen lediglich mit, für die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sei „mangels einer Strafrahmenmilderung insoweit entgegenstehender Gesichtspunkte” der gemäß §§ 27, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusetzen (UA 17). Dieser unklaren Formulierung ist bereits nicht zu entnehmen, welche Strafzumessungserwägungen das Landgericht in die gebotene Gesamtabwägung eingestellt hat bzw. ob und ggf. inwieweit es auf die Erwägungen zum minder schweren Fall des § 30 Abs. 2 BtMG Bezug genommen hat. Überdies ist nicht ersichtlich, ob es die Anwendung eines minder schweren Falls im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrunds der Beihilfe erwogen hat.
Rz. 7
3. Die groben Fehler bei Bestimmung des Strafrahmens nötigen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Ein Beruhen der verhängten Strafe auf diesem Rechtsfehler ist angesichts der Diskrepanz zwischen dem angewandten Strafrahmen von sechs Monaten bis elf Jahre und drei Monate und dem möglicherweise in Betracht kommenden Rahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren nicht auszuschließen.
Rz. 8
4. Die Urteilsfeststellungen können bestehen bleiben, da sie von den Fehlern in der Rechtsanwendung, die zur Aufhebung des Strafausspruchs führen, nicht betroffen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288-314 Rn. 77). Das neue Tatgericht kann weitere Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehen.
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Quentin, Bartel, Rommel
Fundstellen
Haufe-Index 13888830 |
NStZ 2020, 7 |
StV 2021, 447 |