Verfahrensgang
LG Ansbach (Urteil vom 21.12.2020; Aktenzeichen KLs 1023 Js 3177/20 1023 Js 3177/20) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten M. gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 21. Dezember 2020 wird
- das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall 8 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
- das Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen sowie der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, und
- in den Aussprüchen über die Strafen betreffend die Fälle 1 bis 3, 5 bis 7 und 9 mit den Feststellungen, über die Gesamtstrafe sowie über die Dauer des Vorwegvollzugs aufgehoben, auch soweit sie den Mitangeklagten S. betreffen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten S. hat es wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Strafkammer hat zudem jeweils die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe angeordnet. Die Revision des Angeklagten M. hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Aus prozessökonomischen Gründen stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte M. im Fall 8 der Urteilsgründe wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde. Die Verfahrenseinstellung hat die Änderung des Schuldspruchs sowie den Wegfall der für diese Tat festgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Folge.
Rz. 3
2. a) Die Strafaussprüche in den Fällen 1 bis 3 und 5 bis 7 sind aufzuheben, weil die Strafkammer den für den Schuldumfang und damit für die Bemessung der Strafe bestimmenden Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel (st. Rspr; vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Mai 2016 – 3 StR 138/16; vom 5. Juni 2019 – 2 StR 287/18, StV 2020, 384, 386) nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat.
Rz. 4
Die Feststellung der Strafkammer, das Marihuana habe – mit Ausnahme von Fall 4 – jeweils einen Wirkstoffgehalt von mindestens 5 % THC aufgewiesen (UA S. 10), basiert auf einer Schätzung, die sie auf „erfahrungsgemäße Mindestwerte” gestützt hat. Eine Schätzung ist in den Fällen 2 und 3 indes nicht zulässig, weil aufgrund der Sicherstellung von Pflanzenmaterial davon auszugehen ist, dass der Wirkstoffgehalt konkret hätte bestimmt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2020 – 1 StR 600/19; Sander, Festschrift Eisenberg, 2019, S. 497, 505). In den übrigen Fällen ist zwar gegen eine Schätzung nichts zu erinnern (vgl. BGH, aaO); allerdings fehlt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts eine ausreichende Darlegung der Schätzgrundlagen.
Rz. 5
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass für den Schuldumfang in Fall 2 der Wirkstoffgehalt der gesamten Erntemenge von 27 kg zu berücksichtigen ist, während für denjenigen in Fall 3 die Menge an Wirkstoff maßgebend ist, die mit dem Anbau der 627 Marihuanapflanzen erzielt werden sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 – 2 StR 187/20).
Rz. 6
b) Keinen Bestand hat auch die Strafe im Fall 9 der Urteilsgründe. Die Strafkammer hat zugunsten des Angeklagten M. lediglich berücksichtigt, dass ein Teil des Rohopiums dem Eigenkonsum diente. Dessen Umfang hat es jedoch nicht bestimmt. Dies wäre aber schon deswegen erforderlich gewesen, weil im Hinblick auf die sichergestellte Menge und die täglichen Konsummengen ein nahezu ausschließlicher Eigenverbrauch nahegelegen hätte.
Rz. 7
c) Die Aufhebung der Strafaussprüche zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich; damit entfällt auch die Grundlage für die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs (§ 67 Abs. 2 StGB).
Rz. 8
d) Der Senat erstreckt die Aufhebung gemäß § 357 StPO – soweit es ihn betrifft – auf den Mitangeklagten S., weil die zur Aufhebung nötigenden Rechtsfehler sich auch auf ihn ausgewirkt haben und er nach Befragung über seinen Verteidiger der Anwendung des § 357 StPO nicht widersprochen hat (vgl. BGH, Urteile vom 28.Oktober 2004 – 5 StR 276/04; vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07; Beschluss vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14; Basdorf in Festschrift für Meyer-Goßner 2001, S. 665, 678).
Rz. 9
e) Eine Erstreckung der Aufhebung auf die weitere Verurteilte K. kam dagegen nicht in Betracht, weil sie der Anwendung des § 357 StPO widersprochen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2013 – 5 StR 475/13; Basdorf, aaO S. 679).
Unterschriften
Sander, Schneider, König, Fritsche, von Schmettau
Fundstellen
Dokument-Index HI14487936 |