Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 09.11.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 9. November 2017, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Hiergegen richtet sich, soweit er verurteilt worden ist, die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
Rz. 2
Das Rechtsmittel hat nur zum unterbliebenen Maßregelausspruch nach § 64 StGB Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 3
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Jedoch hat das Urteil keinen Bestand, soweit das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat.
Rz. 5
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts konzentrierte sich die Freizeitgestaltung des 1979 geborenen Angeklagten ab 1999 zunehmend auf den Konsum von Cannabis. Nachdem er diesen Konsum mit Beginn seines Dienstes in der Bundeswehr noch intensiviert hatte, nahm er seit 2003/2004 Anabolika zum Muskelaufbau und konsumierte zusätzlich vermehrt Alkohol. Von Anfang 2017 bis zu seiner Festnahme im vorliegenden Verfahren konsumierte der Angeklagte täglich Kokain und an Wochenenden zusätzlich Amphetamin. Als Gegenleistung für die Unterstützung des Mitangeklagten bei dem abgeurteilten Tatgeschehen erhoffte er sich finanzielle Zuwendungen, die er zumindest auch zum Erwerb von Kokain verwenden wollte, da er (seit Ende 2015) ausschließlich von Sozialleistungen lebte und Schulden in Höhe von 35.000 EUR hatte.
Rz. 6
Das Landgericht hat – insoweit dem Sachverständigen folgend – einen Hang im Sinne des § 64 StGB bejaht. Die abgeurteilte Tat habe auch Symptomcharakter, da sich der Angeklagte von der Unterstützung des Mitangeklagten einen finanziellen Gewinn erhofft und der Kokainkonsum beim Angeklagten zu einer „Haltlosigkeit” und zur Bereitschaft geführt habe, das Risiko einer Straftat einzugehen. Seine Betäubungsmittelabhängigkeit sei für die von ihm begangene Straftat daher zumindest mitursächlich. Die Gefahr erheblicher weiterer Taten sei indes, so das Landgericht abweichend von der Prognose des Sachverständigen, nicht „zweifelsfrei (zu) begründen”. Trotz der seit mehreren Jahren bestehenden Abhängigkeit von Kokain liege lediglich eine vier Jahre alte, nicht einschlägige Voreintragung vor. Die Strafkammer befürworte jedoch eine Rehabilitationsbehandlung im Sinne des § 35 BtMG.
Rz. 7
2. Diese Ausführungen des Landgerichts halten nicht in jeder Hinsicht rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 8
a) Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer einen Hang des Angeklagten zum Konsum berauschender Mittel im Übermaß sowie das Vorliegen einer Symptomtat bejaht. Ein Hang im Sinne des § 64 StGB liegt in der vom Landgericht mit sachverständiger Hilfe festgestellten psychischen Abhängigkeit des Angeklagten von Kokain und Cannabis (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 27. April 1989 – 4 StR 157/89, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 1). Der für die Unterbringung nach § 64 StGB ferner erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen Hang und abgeurteilter Tat findet im vorliegenden Fall seine Grundlage bereits allein in der Feststellung im Urteil, der Angeklagte habe den Lohn für seine Unterstützung des Mitangeklagten zumindest auch für den Erwerb von Kokain zum Eigenkonsum einsetzen wollen (vgl. dazu i. E. Senat, Beschluss vom 30. September 2003 – 4 StR 382/03, NStZ-RR 2004, 78, 79 mwN). Auf die weiteren Erwägungen der Strafkammer zur möglichen Mitursächlichkeit einer allgemeinen, konsumbedingten Disposition des Angeklagten zur Begehung von Straftaten kommt es deshalb nicht an.
Rz. 9
b) Jedoch sind die Ausführungen des Landgerichts zur Gefahrprognose widersprüchlich und daher durchgreifend rechtsfehlerhaft.
Rz. 10
Ersichtlich sieht die Strafkammer den Angeklagten als therapiebedürftig an, wie schon der Hinweis auf § 35 BtMG zeigt. Danach ist die Annahme, es bestehe nicht die Gefahr, der Angeklagte werde infolge seines Hanges künftig erhebliche rechtswidrige Taten, insbesondere Beschaffungstaten, begehen, nicht nachvollziehbar, zumal sich die Gefahr in der abgeurteilten Tat geradezu exemplarisch dokumentiert hat. Der vom Landgericht allein herangezogene Umstand, der Angeklagte sei trotz der über mehrere Jahre hinweg bestehenden Abhängigkeit von Betäubungsmitteln nur einmal straffällig geworden, noch dazu vor vier Jahren und nicht einschlägig, ist deshalb in diesem Zusammenhang für sich allein nicht tragfähig.
Rz. 11
3. Da das Landgericht selbst von einer hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges ausgegangen ist, muss über die Maßregelanordnung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) insgesamt neu entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht. Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht vom Rechtsmittelangriff nicht ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 364).
Rz. 12
4. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
III.
Rz. 13
Mit Blick darauf, dass das Landgericht in den Urteilsgründen eine Rehabilitationsbehandlung des Angeklagten im Sinne von § 35 BtMG befürwortet hat, weist der Senat rein vorsorglich darauf hin, dass die Unterbringung nach § 64 StGB einer etwaigen Maßnahme nach § 35 BtMG vorgeht. Hieran hat sich auch durch die Neufassung des § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I, S. 1327) nichts geändert. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 13. November 2007 – 3 StR 452/07, NStZ-RR 2008, 73 f.; vom 10. März 2010 – 2 StR 34/10, StV 2010, 678; vom 22. Februar 2011 – 4 StR 5/11 und vom 5. April 2016 – 3 StR 554/15, NStZ-RR 2016, 209, 210).
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Bender, Quentin
Fundstellen
Dokument-Index HI11927323 |