Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 21.01.2011) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 21. Januar 2011 wird
- das Verfahren in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
das vorgenannte Urteil
aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der versuchten Vergewaltigung und der Sachbeschädigung schuldig ist,
bb) im Strafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt wird,
cc) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Strafausspruch, soweit eine Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist, sowie im Ausspruch über die Maßregel.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung sowie wegen Sachbeschädigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die dagegen gerichtete, auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
Rz. 2
1. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend stellt der Senat das Verfahren ein, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe wegen Sachbeschädigung verurteilt worden ist. Da der danach verbleibende Schuldspruch und die insoweit verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten sowie von drei Monaten rechtlicher Überprüfung standhalten, bildet der Senat aus diesen Einzelstrafen – ebenfalls entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – gemäß § 354 Abs. 1 StPO die geringstmögliche neue Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten.
Rz. 3
2. Dagegen können der Maßregelausspruch – und daran anknüpfend – die Entscheidung über die Nichtaussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht bestehen bleiben. Hierzu im Einzelnen:
Rz. 4
a) Das Landgericht hat – sachverständig beraten – die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus damit begründet, bei dem Angeklagten bestehe eine mittelgradige Intelligenzminderung und eine damit im Zusammenhang stehende Störung der Impulskontrolle; die ohnehin schwache Impulskontrolle sei unter dem bei allen Taten bestehenden Alkoholeinfluss weiter herabgesetzt worden, so dass jeweils eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sicher vorgelegen habe. Im Zustand der Alkoholisierung sei der Angeklagte in seiner Fähigkeit, sich aggressiven Impulsen zu widersetzen, erheblich eingeschränkt. Da er seinem Alkoholkonsum unkritisch gegenüberstehe, seien in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten im Sinne der Anlassdelikte zu erwarten.
Rz. 5
Damit ist die Anordnung nach § 63 StGB nicht zu rechtfertigen. Das Landgericht hat den für eine Unterbringung notwendigen dauerhaften Zustand nicht allein in der Minderbegabung des Angeklagten, sondern im Zusammenwirken von Minderbegabung und Alkoholkonsum gesehen. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass in diesen Fällen ein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender Zustand im Sinne des § 63 StGB vorliegen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass der Täter an einer länger dauernden krankhaften geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369). Eine solche länger dauernde krankhafte geistig-seelische Störung ist jedoch nicht belegt. Das gilt auch für das vom Landgericht angenommene Merkmal des Schwachsinns. Nach den Feststellungen verfügte der Angeklagte über einen Intelligenzquotienten von „etwa 70”. Abgesehen davon, dass damit noch nicht einmal der geringste Schweregrad der Behinderung, der Debilität (Bildungsfähige, IQ 50-69), erreicht ist (vgl. LK-Schöch, 12. Aufl., § 20 StGB Rn. 150 mwN), darf sich die Annahme des Eingangsmerkmals nicht auf die Feststellung eines niedrigen Intelligenzquotienten beschränken, sondern bedarf einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit (LK-Schöch aaO Rn. 151 mwN). Die im Urteil mitgeteilten Umstände – der Angeklagte arbeitete in verschiedenen Behindertenwerkstätten und hat seit 1997 einen Betreuer – rechtfertigen für sich die Annahme des Eingangsmerkmals nicht.
Rz. 6
b) Gegen das Urteil bestehen auch insoweit durchgreifende Rechtsbedenken, als das Landgericht die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt damit begründet hat, es bestehe kein Hang im Sinne des § 64 StGB, vielmehr sei das Konsumverhalten des Angeklagten lediglich als schädlicher Alkoholgebrauch zu charakterisieren. Nach den Feststellungen war der Angeklagte indes bei allen vier ihm zur Last gelegten Taten alkoholisiert, bei dem Versuch der Vergewaltigung wurde bei ihm eineinhalb Stunden nach der Tat eine Blutalkoholkonzentration von 1,33 ‰ festgestellt. Die jeweils „mittelgradige Alkoholisierung” des Angeklagten führte im Zusammenwirken mit der mittelgradigen Intelligenzminderung und der damit zusammenhängenden Störung der Impulskontrolle zur erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten. Trotz des in der vom Angeklagten bewohnten Einrichtung bestehenden Alkoholverbots erwarb er von seinem Taschengeld zumeist Bier. Dieser Bierkonsum steht nach Auffassung des Landgerichts einer positiven Prognose und damit der Aussetzung von Maßregel und Freiheitsstrafe zur Bewährung entgegen. All dies spricht dafür, dass der Angeklagte eine ihn treibende oder beherrschende Neigung hat, Alkohol in einem Umfang zu konsumieren, durch welchen Gesundheit, Arbeits- oder Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2010 – 3 StR 91/10; Beschluss vom 31. März 2011 – 1 StR 109/11, NStZ-RR 2011, 242).
Rz. 7
Soweit das Landgericht ergänzend darauf abstellt, die Entwöhnungsbehandlung habe „angesichts der intellektuellen Minderbegabung” des Angeklagten keine hinreichende Erfolgsaussicht, so reicht dies hier angesichts der fehlenden näheren Darlegung zum Geisteszustand des Angeklagten zur Begründung für die Versagung der Maßregel ebenfalls nicht aus.
Rz. 8
c) Nachdem über Zustand, Hang und Gefährlichkeit des Angeklagten erneut zu entscheiden ist und davon auch die Legalprognose im Sinne von § 56 StGB abhängt, hebt der Senat den Strafausspruch insoweit auf, als dem Angeklagten eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung versagt worden ist.
Unterschriften
Becker, Pfister, RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker, Schäfer, Menges
Fundstellen
Haufe-Index 2752675 |
NStZ 2012, 209 |