Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 09.11.2017) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. November 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes des Tatertrages angeordnet. Die Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg; einer Entscheidung über die ebenfalls erhobene Sachbeschwerde bedarf es daher nicht.
Rz. 2
1. Der Beschwerdeführer beanstandet mit Recht eine Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO.
Rz. 3
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Rz. 4
Kurz vor Beginn der Hauptverhandlung fand auf Initiative der Verteidigung ein Rechtsgespräch zwischen der Vorsitzenden der Strafkammer, dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft sowie den Verteidigern des Beschwerdeführers und der Mitangeklagten über die Möglichkeiten einer Verständigung nach § 257c StPO statt. Hinsichtlich des Beschwerdeführers stellte die Vorsitzende für den Fall eines Geständnisses eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren bis zu vier Jahren und sechs Monaten in Aussicht. Der Staatsanwalt lehnte eine Verständigung auf dieser Grundlage ab, da seiner Auffassung nach die schuldangemessene Strafe „eher bei fünf Jahren” zu finden sei. Auf Nachfrage des Verteidigers des Beschwerdeführers erklärte er, im Falle einer Strafobergrenze von fünf Jahren einer Verständigung zustimmen zu können. Die Vorsitzende kündigte an, das Gesprächsergebnis mit den weiteren Mitgliedern der Strafkammer zu erörtern.
Rz. 5
In der Hauptverhandlung teilte die Vorsitzende mit, dass nach einem Rechtsgespräch mit den Verteidigern und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft eine Verständigung in Betracht komme, die für den Beschwerdeführer im Falle eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe zwischen vier und fünf Jahren vorsah. Die von ihr zu Beginn des Vorgespräches in Aussicht gestellte Strafobergrenze von vier Jahren und sechs Monaten sowie die insoweit ablehnende Stellungnahme der Staatsanwaltschaft erwähnte die Vorsitzende nicht. Anschließend schlug die Strafkammer eine Verständigung vor, die dem in der Hauptverhandlung mitgeteilten Ergebnis des Rechtsgespräches entsprach. Der Beschwerdeführer stimmte dem Vorschlag zu und räumte in der Folge die Anklagevorwürfe ein.
Rz. 6
b) Die Mitteilung über das Rechtsgespräch genügt nicht den Informationspflichten nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Denn die Vorsitzende hat lediglich das Ergebnis des Vorgespräches mitgeteilt, nicht aber ihren anfänglichen Vorschlag und den hierzu vertretenen (ablehnenden) Standpunkt der Staatsanwaltschaft (vgl. BVerfGE 133, 168, 217; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 216/16, NStZ 2017, 363, 364). Dass an dem Gespräch lediglich die Vorsitzende der Strafkammer teilgenommen hat, nimmt ihm nicht den Charakter einer die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO auslösenden Erörterung über die Möglichkeit einer Verständigung nach §§ 202a, 212 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2017 – 3 StR 470/14, NStZ 2016, 221, 222; Beschluss vom 12. Juli 2016 – 1 StR 136/16).
Rz. 7
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils. Nach der insoweit von der herkömmlichen Dogmatik zum Beruhen (§ 337 StPO) abweichenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Niemöller NStZ 2015, 489, 490, 494) kann der Senat nicht ausschließen, dass der Schuldspruch auf der Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO beruht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173 f.; vom 23. Mai 2016 – 2 BvR 2477/15).
Rz. 8
3. Ergänzend bemerkt der Senat:
Rz. 9
Um die Aufhebung materiell-rechtlich fehlerfreier Urteile allein wegen einer Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zu vermeiden, empfiehlt es sich, den über ein Verständigungsgespräch (alsbald) zu fertigenden, den Erfordernissen des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO genügenden Aktenvermerk (§ 202a Satz 2, § 212 StPO) in der Hauptverhandlung zu verlesen und als Anlage zum Sitzungsprotokoll zu nehmen.
Unterschriften
Mutzbauer, Sander, Berger, RiBGH Prof. Dr. Mosbacher ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer, Köhler
Fundstellen
Haufe-Index 11927326 |
NStZ-RR 2018, 355 |
AO-StB 2019, 21 |
StRR 2018, 2 |
StV 2019, 375 |
StraFo 2018, 521 |
ZWH 2018, 239 |
ZWH 2018, 244 |