Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 01.07.2019; Aktenzeichen 424 Js 20532/17 16 KLs) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. Juli 2019 aufgehoben
- im Fall II.1.b (Anklagepunkt 5) der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen,
- soweit eine Festsetzung der Tagessatzhöhe im Fall II.1.c (Anklagepunkt 10) der Urteilsgründe unterblieben ist,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, schwerer räuberischer Erpressung in zwei tateinheitlichen Fällen und Verschaffens falscher amtlicher Ausweise zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Es hat die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und den Angeklagten im Übrigen freigesprochen. Dieser wendet sich mit seiner Revision, die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt ist, gegen die Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; darüber hinaus ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die erhobenen Verfahrensrügen haben insgesamt keinen Erfolg.
Rz. 3
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts gilt dies für die Beanstandung, das Landgericht habe unter Verstoß gegen §§ 249, 261 StPO im Urteil vier überwachte Telefonate verwertet, ohne dass diese in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien, bereits deshalb, weil der Nachweis des geltend gemachten Verfahrensverstoßes eine Rekonstruktion des Inhalts der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung voraussetzte. Die Telefongespräche können anders als durch Inaugenscheinnahme oder Verlesen ihrer Verschriftungen Gegenstand der Hauptverhandlung geworden sein, namentlich durch die Angaben der zu aufgezeichneten Gesprächen vernommenen Ermittlungsbeamten. Eine Aufklärung des Inhalts von Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung ist dem Revisionsgericht jedoch verschlossen (vgl. allgemein zum Rekonstruktionsverbot BGH, Beschlüsse vom 29. November 2011 – 3 StR 281/11, NStZ 2012, 344; vom 3. Juli 2019 – 4 StR 459/18, juris; KK/Ott, StPO, 8. Aufl., § 261 Rn. 191 f.).
Rz. 4
2. Im Fall II.1.b (Anklagepunkt 5) tragen die Feststellungen nicht den Schuldspruch wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei tateinheitlichen Fällen.
Rz. 5
a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen suchten in einem Tatzeitraum von drei Monaten der Angeklagte und weitere Personen die beiden Geschädigten mehrfach in deren Wohnung auf, um von diesen unter Gewaltanwendung oder durch Drohung mit Gewalt Geld oder Wertgegenstände herauszuverlangen. Zwei andere Täter schlugen die Angegangenen bei verschiedenen Gelegenheiten und zogen deren Ausweispapiere ein, um die Abhängigkeit zu verstärken und ein Untertauchen zu erschweren. In Kenntnis dieser Umstände und unter Ausnutzung der Angst der Geschädigten verlangte der Angeklagte von ihnen, bestimmte Gegenstände für ihn zu entwenden. Tatsächlich erhielt er von dem Geschädigten R. eine unbekannte Menge an Rasierern und Messern, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erbringen.
Rz. 6
b) Dem ist nicht zu entnehmen, dass der Geschädigte eine Vermögensverfügung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB vornahm, indem er entweder eigene Vermögenswerte preisgab oder solche, deren Schutz er wahrnehmen konnte oder wollte (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 125). Nach den Urteilsgründen liegt nahe und ist zumindest nicht auszuschließen, dass er lediglich unmittelbar zuvor gestohlene Sachen an den Angeklagten übergab. In einer solchen Konstellation wäre durch die Tat weder sein eigenes Vermögen betroffen noch eine „Dreieckserpressung” gegeben, da diese ein Näheverhältnis zwischen dem Genötigten und der im Vermögen geschädigten Person voraussetzt (s. BGH aaO S. 125 f.; Beschlüsse vom 8. Januar 2020 – 4 StR 548/19, NStZ 2020, 286 Rn. 4; vom 6. Mai 2014 – 5 StR 170/14, NStZ-RR 2014, 246; vom 27. November 2008 – 2 StR 421/08, NStZ-RR 2009, 106, 107). Stattdessen könnte etwa eine Strafbarkeit wegen Nötigung in Tateinheit mit Anstiftung zum Diebstahl in Betracht kommen (vgl. zu weiteren Konstellationen BGH, Urteil vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 125). Angesichts der nur pauschalen Feststellungen ist dem Senat insoweit allerdings eine abschließende Bewertung verwehrt.
Rz. 7
Unabhängig davon fehlt es an einer – tateinheitlich begangenen – vollendeten schweren räuberischen Erpressung zum Nachteil des Geschädigten K. schon deshalb, weil sich aus den Urteilsgründen eine von ihm auf Veranlassung des Angeklagten vorgenommene Handlung nicht ergibt.
Rz. 8
c) Da das Landgericht die rechtliche Problematik nicht näher in den Blick genommen hat, ist nicht auszuschließen, dass insoweit noch ergänzende Feststellungen möglich sind.
Rz. 9
3. Mit der Aufhebung des Urteils im Fall II.1.b entfällt zugleich die dafür festgesetzte Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Dies hat die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge. Indes werden die ihr zugehörigen Feststellungen von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb aufrechterhalten bleiben. Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch treten.
Rz. 10
4. Die Strafkammer hat im Fall II.1.c (Anklagepunkt 10) der Urteilsgründe eine Geldstrafe von sechzig Tagessätzen verhängt, ohne die Tagessatzhöhe zu bestimmen. Da deren Festsetzung auch bei Bildung einer Gesamtstrafe erforderlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2020 – 3 StR 393/19, juris Rn. 3; vom 14. Mai 1981 – 4 StR 599/80, BGHSt 30, 93, 96), hat sie das neue Tatgericht nachzuholen.
Unterschriften
Schäfer, Wimmer, Berg, Anstötz, Erbguth
Fundstellen
Dokument-Index HI14067135 |