Tenor
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Erfaßt die Richtlinie 85/577/EWG des Rates betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vom 20. Dezember 1985 (ABl. Nr. L 372/31 vom 31. Dezember 1985, „Haustürgeschäfterichtlinie”) auch Realkreditverträge (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 Verbraucherkreditgesetz) und kommt ihr in bezug auf das in Art. 5 vorgesehene Widerrufsrecht Vorrang vor der Richtlinie 87/102/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Verbraucherkredit vom 22. Dezember 1986 (ABl. Nr. L 42/48 vom 12. Februar 1987, „Verbraucherkreditrichtlinie”) zu?
2. Für den Fall, daß der Gerichtshof diese Frage bejaht:
Ist der nationale Gesetzgeber durch die Haustürgeschäfterichtlinie gehindert, die in § 7 Abs. 2 Satz 3 Verbraucherkreditgesetz geregelte Befristung des Widerrufsrechts auch in den Fällen anzuwenden, in denen ein Haustürgeschäft die Gewährung eines Realkredits im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 Verbraucherkreditgesetz zum Gegenstand hat und die in Art. 4 der Richtlinie vorgesehene Belehrung unterblieben ist?
Gründe
I.
Die Kläger verlangen von der beklagten Bank Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen sowie Erstattung von Aufwendungen, die bei Durchführung eines Realkreditvertrages entstanden sind (insgesamt 118.443,81 DM); ferner beantragen sie die Feststellung, daß der Beklagten keine Ansprüche aus dem Kreditvertrag zustehen.
Zur Finanzierung des Kaufpreises für eine Eigentumswohnung nahmen die Kläger mit Vertrag vom 28. April/7. Mai 1993 bei der Beklagten ein Darlehen über 150.000 DM auf, das durch eine Grundschuld in derselben Höhe abgesichert wurde.
Mit der im Januar 1998 erhobenen Klage haben die Kläger gemäß § 1 HWiG ihre auf den Abschluß des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen. Sie behaupten, ein ihnen bekannter, freiberuflich auch für die Beklagte tätiger Immobilienmakler habe sie mehrfach unaufgefordert zu Hause aufgesucht und zum Wohnungskauf sowie zur Darlehensaufnahme „überredet”.
Das Landgericht (WM 1998, 1723) hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht (WM 1999, 728) zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
II.
Für das Revisionsverfahren ist in erster Linie die Frage entscheidungserheblich, ob ein Widerrufsrecht nach § 1 HWiG nicht besteht, weil das auf Realkredite anwendbare Verbraucherkreditgesetz im Streitfall die Regelungen des Haustürwiderrufsgesetzes verdrängt (§ 5 Abs. 2 HWiG, § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG). Die Entscheidung hängt davon ab, ob die Haustürgeschäfterichtlinie auch Realkreditverträge erfaßt und ihr in bezug auf das dort vorgesehene Widerrufsrecht (Art. 5) bei Haustürgeschäften der Vorrang vor der Verbraucherkreditrichtlinie einzuräumen ist.
1. Ein Widerrufsrecht der Kläger aus § 7 VerbrKrG ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat und auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen wird, nicht gegeben. Der gewährte Kredit ist von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht und zu den für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt worden; nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG findet § 7 VerbrKrG deshalb keine Anwendung.
2. Ein Widerruf nach § 1 HWiG scheitert nach nationalem deutschen Recht, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, an der Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HWiG. Hiernach sind, wenn ein Geschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 HWiG zugleich die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz erfüllt, nur dessen Vorschriften anwendbar. Ein Widerrufsrecht nach § 1 HWiG besteht daher nicht, wenn der Verbraucher gemäß § 7 VerbrKrG zum Widerruf berechtigt ist (vgl. Senatsurteil vom 3. November 1998 - XI ZR 346/97, WM 1998, 2463, 2464).
a) Höchstrichterlich ist bislang für den Geltungsbereich deutschen Rechts nicht geklärt, ob die Konkurrenzregelung in § 5 Abs. 2 HWiG dem Rückgriff auf das Haustürwiderrufsgesetz auch dann entgegensteht, wenn der Kreditvertrag auf einer „Haustürsituation” beruht und die Anwendung von § 7 VerbrKrG – wie im vorliegenden Fall – durch § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen ist.
aa) Ein Teil des Schrifttums ist der Auffassung, das Haustürwiderrufsgesetz werde durch § 5 Abs. 2 HWiG nur dann verdrängt, wenn das vorrangig anzuwendende Gesetz dem Verbraucher einen gleich effektiven Schutz biete (in diesem Sinne vor allem Fischer/Machunsky, HWiG 2. Aufl. Grundlagen Rdn. 80-86, § 5 Rdn. 31; Peters in: Lwowski/Peters/Gößmann, VerbrKrG 2. Aufl. S. 173-175; ders. DZWir 1994, 353, 357; ders. WuB I E 2b. - 6.93; im Ergebnis ebenso Staudinger/Werner, BGB 13. Bearb. § 5 HWiG Rdn. 24, 27; Erman/Klingsporn, BGB 9. Aufl. § 5 HWiG Rdn. 5; Steppeler, VerbrKrG 2. Aufl. S. 209; Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite 3. Aufl. S. 32; Stüsser NJW 1999, 1586, 1589; Spickhoff/Petershagen BB 1999, 165, 169 f.).
bb) Nach überwiegender Ansicht in der Literatur ist das Haustürwiderrufsgesetz zwar in den Fällen des § 3 Abs. 1 VerbrKrG anwendbar, nicht aber in den Fällen des § 3 Abs. 2 VerbrKrG, in denen nur die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes, und zwar ohne Rücksicht auf die zum Vertragsschluß führende Verhandlungssituation, ausgeschlossen wird; in diesen Fällen bestehe weder nach dem Verbraucherkredit- noch nach dem Haustürwiderrufsgesetz eine Widerrufsmöglichkeit (vgl. MünchKomm-Ulmer 3. Aufl. § 5 HWiG Rdn. 15, § 3 VerbrKrG Rdn. 4; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB 13. Bearb. Einl. VerbrKrG Rdn. 41; Bülow, VerbrKrG 3. Aufl. Art. 3 Rdn. 2; Münstermann/Hannes, VerbrKrG Art. 3 Rdn. 887; Scholz, Verbraucherkreditverträge 2. Aufl. Rdn. 310; Gößmann in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 3/745; Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis Rdn. 212; Martis, Verbraucherschutz S. 177 f.; Bruchner in: Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt VerbrKrG 2. Aufl. § 3 Rdn. 103, Art. 3 Rdn. 2; ders. in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 86 Rdn. 58; ders. WM 1999, 825, 835 f.; Schramm/Pamp, Festschrift Schimansky S. 545, 551 ff.; Schönfelder WM 1999, 1495 ff.; ders. WuB IV D. § 1 HWiG 3.99; Hertel WuB IV D. § 1 HWiG 4.98).
cc) In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ist bislang die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HWiG in bezug auf Realkredite im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG stets als abschließend angesehen und daher § 1 HWiG für unanwendbar erachtet worden (vgl. OLG Stuttgart WM 1999, 74, 75 f.; OLG Stuttgart WM 1999, 1419; OLG München WM 1999, 1418 f.).
b) Dieser überwiegenden Auffassung möchte sich der erkennende Senat anschließen:
aa) Daß die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HWiG im Verhältnis zum Verbraucherkreditgesetz nur gelten soll, „soweit” im Einzelfall die (Schutz-)Vorschriften dieses Gesetzes eingreifen, läßt sich dem Gesetzestext nicht entnehmen. Nach dem Wortlaut kommt es allein darauf an, ob ein Rechtsgeschäft überhaupt dem Verbraucherkreditgesetz unterfällt, nicht aber, ob dessen Schutzbestimmungen sämtlich oder nur zum Teil Anwendung finden.
Gemäß § 5 Abs. 2 HWiG sind „nur” die Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes anzuwenden, wenn ein Geschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 HWiG zugleich die „Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz” erfüllt. Mit dem Begriff der „Voraussetzungen” wird auf die persönlichen und sachlichen Bedingungen für das Eingreifen des Gesetzes verwiesen. Sie sind in § 1 Abs. 1 VerbrKrG (persönlicher Anwendungsbereich) bzw. in § 1 Abs. 2 und 3, § 2 VerbrKrG (sachlicher Anwendungsbereich) festgelegt. Demgegenüber betreffen die in § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG angeführten Bestimmungen keine Anwendungsvoraussetzungen des Gesetzes. Die Vorschrift ordnet vielmehr die Nichtanwendung einzelner Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes an, setzt also dessen grundsätzliche Anwendbarkeit auf Realkredite im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG voraus.
bb) Der Ausschluß des Widerrufsrechts nach § 1 HWiG für Kreditverträge im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der die Einräumung einer Widerrufsmöglichkeit als für Realkredite von vornherein unpassend angesehen hat.
Nach dem Regierungsentwurf sollte das Verbraucherkreditgesetz auf zu üblichen Bedingungen gewährte grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite insgesamt nicht anwendbar sein (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 RegE; BT-Drucks. 11/5462, S. 4), weil eine wesentliche Gefährdung der Verbraucherinteressen hier nicht zu befürchten sei. Die Mehrzahl der vorgesehenen Regelungen des Verbraucherkreditgesetzes, darunter vor allem auch das Widerrufsrecht, passe für Realkredite nicht. Die Widerrufsmöglichkeit bedeute eine erhebliche Gefährdung der taggenauen Refinanzierung vieler Realkredite, auf der wiederum deren günstige Verzinsung beruhe. Zudem wirke die grundpfandrechtliche Absicherung warnend, so daß jeder Nachfrager zu besonderer Umsicht gemahnt sei. Ohnehin handele es sich nicht um typische Konsumentenkredite (BT-Drucks. 11/5462, S. 12, 18). Der Bundesrat sowie der Rechtsausschuß des Bundestages erachteten den vollständigen Ausschluß der Realkredite aus dem Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes für nicht sachgerecht; stattdessen sollten lediglich die insoweit nicht passenden Vorschriften – darunter die über den Widerruf – nicht angewendet werden (BT-Drucks. 11/5462, S. 35, vgl. auch S. 41; BT-Drucks. 11/8274, S. 5 f., 20 f.). Mit diesem Inhalt ist das Verbraucherkreditgesetz verabschiedet worden. Der Gesetzgeber hat mit § 5 Abs. 2 HWiG danach nicht lediglich ein doppeltes Widerrufsrecht vermeiden wollen. Die Gegenansicht (vgl. Peters aaO) berücksichtigt nicht hinreichend, daß sich § 5 Abs. 2 HWiG ursprünglich nicht auf das Verbraucherkreditgesetz, sondern auf das damals geltende Abzahlungsgesetz bezog und dieses auf Realkredite keine Anwendung fand (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AbzG). Erst durch das Verbraucherkreditgesetz wurde u.a. in § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG eine den Besonderheiten von Realkrediten Rechnung tragende Regelung geschaffen. Wenn der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 5 Abs. 2 HWiG auch die Absicht hatte, im Anwendungsbereich des Abzahlungsgesetzes ein doppeltes Widerrufsrecht zu vermeiden, so läßt sich daraus für die Rechtslage bei Realkrediten nichts Wesentliches herleiten.
cc) Sinn und Zweck der einschlägigen Normen des Haustürwiderrufs- sowie des Verbraucherkreditgesetzes gebieten keine teleologische Reduktion des § 5 Abs. 2 HWiG in der Weise, daß im Falle von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG der Widerruf nach § 1 HWiG möglich bleibt.
Zwar besagt der Ausschluß des Widerrufsrechts nach dem Verbraucherkreditgesetz noch nichts über die gebotene Entscheidung, wenn in Gestalt des Haustürgeschäfts eine zweite Risikosituation hinzukommt, für die der Gesetzgeber eine eigene Loslösungsmöglichkeit vorgesehen hat (so im Ansatz zu Recht Fischer/Machunsky aaO Grundlagen Rdn. 83). Indes setzen sich die § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG zugrunde liegenden Gesichtspunkte auch gegenüber § 1 HWiG durch, weil die Erwägungen, die insoweit im Zusammenhang mit dem Verbraucherkreditgesetz zum Ausschluß des Widerrufsrechts geführt haben, auch für aufgrund einer „Haustürsituation” abgeschlossene Realkreditverträge zutreffen:
Das Erfordernis der kongruenten (taggenauen) Refinanzierung des Realkredits durch die Bank besteht aus Kostengründen und daher in der Sache unabhängig davon, ob das Darlehen zusätzlich die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts erfüllt. Das – sowohl den Belangen der Kreditinstitute als auch dem Interesse der Verbraucher an einem günstigeren Zinsniveau der Realkredite Rechnung tragende – Kostengefüge würde durch die Zubilligung eines Widerrufsrechts aufgehoben.
Dem Haustürwiderrufs- und dem Verbraucherkreditgesetz liegen zwar verschiedenartige Schutzbereiche zugrunde (vgl. BT-Drucks. 10/2876, S. 10, für das Verhältnis zum Abzahlungsgesetz), mit ihnen werden aber im Grunde keine unterschiedlichen Schutzzwecke verfolgt (so auch Köndgen aaO). Der mit dem Haustürwiderrufsgesetz beabsichtigte Schutz vor Überrumpelung bzw. Überraschung dient ebenso wie der mit dem Widerrufsrecht nach § 7 VerbrKrG angestrebte Übereilungsschutz dem Ziel, den Verbraucher vor dem Risiko unüberlegt eingegangener rechtlicher Verpflichtungen zu bewahren; daß dabei im einen Fall an Sachverhalte angeknüpft wird, in denen der Kunde bei der Vertragsanbahnung bestimmten Vertriebsmethoden (BT-Drucks. 10/2876, S. 7 f.), im anderen Fall der mit der Darlehensaufnahme verbundenen Gefahr wirtschaftlicher Überforderung (BT-Drucks. 11/5462, S. 21) ausgesetzt ist, rechtfertigt keine unterschiedliche Beurteilung. Dann aber muß die dem Ausschluß des Widerrufsrechts durch § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG zugrunde liegende generelle Wertung auch gelten, wenn der Kreditvertrag ein Haustürgeschäft darstellt.
c) Die Verbraucherschutzvorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts erfordern zwar nach Auffassung des erkennenden Senats keine andere Auslegung von § 5 Abs. 2 HWiG; die Entscheidung darüber ist jedoch, da Zweifel bestehen können, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorzubehalten (Art. 234 EGV).
aa) Die Verbraucherkreditrichtlinie vom 22. Dezember 1986 schreibt die Einräumung eines Widerrufsrechts nicht vor. Art. 4 in Verbindung mit Nr. 1 vii) des dort in Bezug genommenen Anhangs, der eine „etwaige Bedenkzeit” fakultativ vorsieht, ist auf grundpfandrechtlich gesicherte Kredite nicht anwendbar (Art. 2 Abs. 3).
bb) Die Haustürgeschäfterichtlinie vom 20. Dezember 1985, die in Art. 5 Abs. 1 ein Rücktrittsrecht des Verbrauchers vorschreibt, nimmt zwar Realkredite nicht ausdrücklich aus (Art. 3 Abs. 2 a) betrifft nur Verträge über den Bau, den Verkauf und die Miete von Immobilien sowie Verträge über andere Rechte an Immobilien), schließt es aber auch nicht aus, bei bestimmten Vertragstypen für Haustürgeschäfte kein Widerrufsrecht vorzusehen. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission für eine Haustürgeschäfterichtlinie aus dem Jahre 1977 (ABl. Nr. C 22/6 vom 29. Januar 1977) enthielt in Art. 2bis eine Bestimmung, daß die Richtlinie nicht Sonderbestimmungen für Vertragstypen entgegenstehe, die außerhalb kommerzieller Einrichtungen ausgehandelte Vereinbarungen betreffen und „Ausnahmen zu den Verpflichtungen darstellen, die in der vorliegenden Richtlinie enthalten sind”. Ausdrücklich aufgeführt wurde insoweit der Bereich des Verbraucherkredits. In den geänderten Richtlinienvorschlag aus dem Jahre 1978 (ABl. Nr. C 127/6 vom 1. Juni 1978) wurde diese Vorschrift nicht übernommen, nachdem der Wirtschafts- und Sozialausschuß dazu ausgeführt hatte, es sei äußerst verwirrend, wenn der Art. 2bis eine Zeitlang gelte und sich die Rechtslage dann durch neue Richtlinien ändere; vom rechtlichen Standpunkt aus enthalte Art. 2bis ohnehin „keine zusätzlichen Elemente” und solle deshalb gestrichen werden (ABl. C 180/39 vom 28. Juli 1977, dort Nr. 2.7.1. und 2.7.2.). Der Richtliniengeber ging mithin davon aus, daß Verbraucherkreditgeschäfte durch die zeitlich nach der Haustürgeschäfterichtlinie erlassene Verbraucherkreditrichtlinie eigenständig geregelt werden konnten und sollten, auch soweit es sich um Haustürgeschäfte handelte. Der nationale Gesetzgeber war deshalb nach Ansicht des erkennenden Senats durch die Haustürgeschäfterichtlinie nicht gehindert, für auf einer „Haustürsituation” beruhende Realkreditverträge ein Widerrufsrecht auszuschließen.
III.
Sollte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die erste der vorgelegten Fragen bejahen und damit ein Widerrufsrecht der Kläger anzunehmen sein, kommt es für die Entscheidung im vorliegenden Revisionsverfahren darauf an, ob das Widerrufsrecht entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG mit Ablauf eines Jahres nach Abgabe der auf den Abschluß des Realkreditvertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erlischt oder ob dem die Haustürgeschäfterichtlinie, die eine Befristung des Widerrufsrechts bei fehlender Belehrung nicht vorsieht, entgegensteht. Wegen der auch insoweit möglichen Zweifel ist die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs notwendig.
Im Schrifttum (vgl. Fischer/Machunsky aaO Grundlagen Rdn. 83; Peters aaO S. 175) wird vereinzelt die Auffassung vertreten, eine entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG komme nicht in Betracht, es seien ausschließlich die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes anzuwenden, die bei fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht dessen Befristung nicht vorsehen.
Dieser Auffassung möchte sich der erkennende Senat nicht anschließen. Es wird dabei nämlich übersehen, daß Realkredite im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG Kreditgeschäfte sind, die grundsätzlich dem Verbraucherkreditgesetz unterfallen. Da der Gesetzgeber das Widerrufsrecht für Realkredite als unpassend angesehen hat, liegt es nahe, das Widerrufsrecht auch bei Realkreditgeschäften, die in einer „Haustürsituation” abgeschlossen worden sind, für die aber das Verbraucherkreditgesetz die speziellere Regelung ist, zeitlich zu begrenzen, wie es in § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG vorgesehen ist. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß das Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz darauf beruht, daß die Art der Vertragsanbahnung nur hingenommen werden kann, wenn dem überrumpelten Verbraucher eine Lösungsmöglichkeit eingeräumt wird. Bei einer Widerrufsfrist von einem Jahr besteht ausreichend Gelegenheit, auf die „Haustürsituation” zu reagieren (vgl. dazu Schramm/Pamp, Festschrift Schimansky S. 545, 561 f.).
Unterschriften
Nobbe, Dr. Bungeroth, Dr. van Gelder, Dr. Müller, Dr. Joeres
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 30.11.1999 durch Bartholomäus, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen