Entscheidungsstichwort (Thema)
Markenanmeldung E 29 938/7 Wz
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der am 21. Februar 1996 an Verkündungs Statt zugestellte Beschluß des 32. Senats (Marken-Beschwerdesenats VIII) des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt.
Gründe
I. Die Anmelderin hat am 24. August 1990 das nachstehend abgebildete Bildzeichen für die Waren Etikettiermaschinen; Handetikettiergeräte, Etiketten, Papierlaminate, Schichtstoffe aus Papier und Kunststoff in Form von vorgeschnittenen Bändern zu Informationszwecken angemeldet:
Die Prüfungsstelle für Klasse 7 Wz des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen Fehlens der Unterscheidungskraft und wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen.
Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin den Zeitrang ihrer Anmeldung auf den 1. Januar 1995 verschoben. Das Bundespatentgericht hat die Beschlüsse des Deutschen Patentamts auf die Beschwerde der Anmelderin aufgehoben und die Sache zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung, auf die die Anmelderin ihre Anmeldung hilfsweise gestützt hat, an das Deutsche Patentamt zurückverwiesen. Die weitergehende Beschwerde der Anmelderin hat es zurückgewiesen.
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, die als Bildzeichen angemeldete zweidimensionale Abbildung sei zwar als solche dem Markenschutz zugänglich, ihr fehle jedoch für die angemeldeten Waren jegliche Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so daß sie nur im Falle der Verkehrsdurchsetzung eingetragen werden könne.
Dem unbefangenen Betrachter stelle sich das angemeldete Zeichen als eine etikettenartige Umrahmung oder Einfassung dar, die dem Verkehr in gleicher oder ähnlicher Form häufig begegne und die er nicht als Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen auffasse, aus dem die betreffenden Waren stammten. Hinzu komme, daß es sich bei der etikettenartigen Umrahmung um eine einfache zeichnerische Wiedergabe der Ware „Etiketten” handele, für die die Anmelderin u.a. den Markenschutz begehre. Auch die übrigen im Verzeichnis aufgeführten Waren stünden mit der angemeldeten Darstellung in engstem Zusammenhang. Als einfache und naturgetreue Wiedergabe der Ware „Etiketten” bzw. als bildliche Bestimmungsangabe bei den zur Herstellung und Anbringung solcher Etiketten dienenden weiteren Waren sei das angemeldete Bildzeichen nicht geeignet, individualisierend als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen zu wirken. Die Formgebung sei auch nicht die einzige Möglichkeit, die Ware „Etiketten” mit einem Herkunftshinweis zu versehen; dies gelte erst recht für die anderen Waren des Verzeichnisses.
Schließlich führten die von der Anmelderin angeführten Eintragungen im Ausland nicht zu einer anderen Beurteilung. Ohnehin komme eine Indizwirkung bezüglich der Schutzfähigkeit an sich nur ausländischen Eintragungen fremdsprachiger Wörter zu. Die angeführten Entscheidungen aus anderen Staaten der Europäischen Union beträfen im übrigen andere Sachverhalte.
Da erhebliche Anhaltspunkte dafür sprächen, daß sich die angemeldete Darstellung zumindest für einen Teil der beanspruchten Waren als Kennzeichen der Anmelderin im Verkehr durchgesetzt habe, sei die Sache zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patentamt zurückzuverweisen.
III. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Nachdem die Anmelderin den Prioritätstag von sich aus auf den 1. Januar 1995 verschoben hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob das angemeldete Zeichen auch unter Geltung des Warenzeichengesetzes hätte eingetragen werden müssen. Vielmehr finden allein die Bestimmungen des Markengesetzes Anwendung (vgl. § 156 MarkenG).
2. Mit Recht ist das Bundespatentgericht davon ausgegangen, daß die angemeldete zweidimensionale Abbildung i.S. von § 3 Abs. 1 MarkenG markenfähig ist, daß aber einem Zeichen, das sich in einer bloßen Abbildung der Ware erschöpft, für die der Schutz in Anspruch genommen wird, auch bei Anlegung des gebotenen großzügigen Prüfungsmaßstabes (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 12/6581, S. 70 = Sonderheft BlPMZ S. 64) im allgemeinen die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche (konkrete) Unterscheidungskraft fehlen wird. Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Autofelge” (Beschl. v. 10.4.1997 - I ZB 1/95, GRUR 1997, 527, 529 = WRP 1997, 755) ausgeführt hat, ist die naturgetreue Wiedergabe des im Warenverzeichnis genannten Erzeugnisses häufig nicht geeignet, die Ware ihrer Herkunft nach zu individualisieren. Soweit die zeichnerischen Elemente eines Zeichens lediglich die typischen Merkmale der in Rede stehenden Ware darstellen und keine über die technische Gestaltung der Ware hinausgehenden Elemente aufweisen, wird dem Zeichen im allgemeinen die konkrete Eignung fehlen, die gekennzeichneten Waren von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. auch BGH, Urt. v. 19.3.1971 - I ZR 102/69, GRUR 1972, 122, 123 - Schablonen; Beschl. v. 20.9.1984 - I ZB 9/83, GRUR 1985, 383 - BMW-Niere; BGHZ 130, 187, 195 - Füllkörper; einschränkend Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 8 Rdn. 46).
3. Die Rechtsbeschwerde wendet sich aber zu Recht gegen die Annahme des Bundespatentgerichts, dem angemeldeten Zeichen fehle jegliche Unterscheidungskraft für die beanspruchten Waren (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG); ein Markenschutz komme daher nur in Betracht, wenn sich das Zeichen im Verkehr durchgesetzt habe (§ 8 Abs. 3 MarkenG). Die Rechtsbeschwerde rügt mit Erfolg, die angefochtene Entscheidung setze sich nicht hinreichend mit dem Vorbringen der Anmelderin auseinander, dem zufolge die bloße Abbildung der in Rede stehenden Etiketten für die angesprochenen Verkehrskreise einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft darstelle. Auf der Grundlage dieses Vorbringens kann dem angemeldeten Bildzeichen weder für Etiketten noch für die anderen Waren des Warenverzeichnisses das – für die Eintragung des Zeichens ausreichende – Mindestmaß an Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
a) Für die Frage, ob dem angemeldeten Zeichen eine hinreichende Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zukommt, ist – wovon auch das Bundespatentgericht ausgegangen ist – auf die Verkehrsauffassung abzustellen, d.h. auf die Auffassung der mit den Waren des Verzeichnisses angesprochenen inländischen Verkehrskreise (vgl. BGH, Beschl. v. 8.6.1989 - I ZB 17/88, GRUR 1989, 666, 667 - Sleepover; Beschl. v. 5.5.1994 - I ZB 6/92, GRUR 1994, 803, 804 - TRILOPIROX, jeweils zu § 4 Abs. 2 Nr. 1 WZG; Fezer, Markenrecht, § 8 Rdn. 32; Ingerl/Rohnke aaO § 8 Rdn. 25; Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl., § 8 Rdn. 14). Der angefochtenen Entscheidung läßt sich nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen, ob das Bundespatentgericht insofern das Vorbringen der Anmelderin berücksichtigt hat (§ 84 Abs. 2 Satz 1, § 73 Abs. 1 MarkenG).
Die Anmelderin hat hierzu im Beschwerdeverfahren vorgetragen, daß Abnehmer der Etiketten und der anderen Waren, für die Schutz beansprucht werde, nicht die Endverbraucher, sondern die jeweiligen Zwischen- oder Einzelhändler seien, die sich der von ihr angebotenen Etikettiergeräte, Etiketten und Etikettenbänder zur Preiskennzeichnung bedienten (Schriftsatz v. 10.3.1995, S. 6/7 = GA 21/22). Zwar hat das Bundespatentgericht in anderem Zusammenhang (vgl. S. 9 des angefochtenen Beschlusses) von den inländischen Einzelhändlern als dem angesprochenen Verkehr gesprochen; bei der Behandlung der Frage der Unterscheidungskraft hat es indessen auf den unbefangenen Betrachter abgestellt, für den sich die angemeldete Abbildung als eine auch sonst übliche etikettenartige Umrahmung oder Einfassung darstelle. Der unbefangene Betrachter, mit dem eher der Endverbraucher als der die Waren der Anmelderin nachfragende Kaufmann angesprochen ist, wird jedoch im allgemeinen die Etiketten erst zur Kenntnis nehmen, wenn sie mit der Kennzeichnung des Händlers und mit dem Preis versehen sind. Für ihn ist die betriebliche Herkunft der Etiketten ohne Belang.
Dem nachvollziehbaren Vorbringen der Anmelderin zufolge ist der Handel daran interessiert, daß die Etiketten keine Beschriftung o.ä. aufweisen, damit sie mit einem Kennzeichen des Händlers und mit dem Preis der zu kennzeichnenden Ware versehen werden können. Der Handel ist es daher – so hat die Anmelderin vorgetragen – gewohnt, Etiketten bezüglich ihrer Herkunft allein oder vor allem nach ihrer äußeren Form zu unterscheiden, und sieht – trotz der einfachen Rahmendarstellung – in der zeichnerischen Wiedergabe einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft des jeweiligen Etiketts.
b) Die Bereitschaft der angesprochenen Verkehrskreise, die äußere Form des Etiketts als Herkunftshinweis zu verstehen, kann auch davon bestimmt sein, daß andere Möglichkeiten, auf oder an der Ware einen Herkunftshinweis anzubringen, nicht ohne weiteres bestehen. Das Bundespatentgericht hat einen „Kennzeichnungsnotstand”, auf den sich die Anmelderin berufen hatte, nicht als gegeben angesehen und dies damit begründet, es sei nicht einzusehen, daß derartige Etiketten von vornherein nur zur Aufnahme fremder Aufdrucke des etikettierenden Handels, nicht dagegen auch dazu geeignet wären, eine – zurückhaltend angebrachte – Kennzeichnung der Anmelderin aufzunehmen. Für die Frage der Unterscheidungskraft kommt es indessen nicht darauf an, ob weitere Möglichkeiten der Kennzeichnung – etwa auf der Trägerfolie, von der die Etiketten abgezogen werden – bestehen. Maßgeblich ist allein, ob die angesprochenen Verkehrskreise in Ermangelung von Aufdrucken u.ä. – ausnahmsweise – in der äußeren Form der Etiketten einen Herkunftshinweis erblicken. Daß ein solches Verständnis besteht, muß im Streitfall deshalb in Betracht gezogen werden, weil für den etikettierenden Handel der unbedruckte Zustand der Etiketten im Hinblick auf den Verwendungszweck ohne weiteres verständlich ist und sich die Etiketten der verschiedenen Anbieter – wenn sie sich nicht mehr auf der Trägerfolie befinden – in erster Linie, wenn nicht ausschließlich, nach der äußeren Form unterscheiden lassen.
c) Soweit das Bundespatentgericht die spezielle zeichnerische Ausgestaltung der angemeldeten Abbildung mit den wellenförmigen Rändern als zum Wesen der betreffenden Etiketten gehörend angesehen hat, ist im Hinblick auf die von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang erhobene Rüge des Verstoßes gegen die Denkgesetze auf folgendes hinzuweisen: Das Bundespatentgericht hat mit dieser Erwägung erkennbar nicht den Eindruck erwecken wollen, die wellenförmigen Ränder der in Rede stehenden Etiketten seien von der Art der Ware vorgegeben und beruhten auf dem Bestimmungszweck der Etiketten. Auch eine zweidimensionale Abbildung einer Ware ist dem Markenschutz von vornherein nicht zugänglich, wenn sie sich in der Darstellung von Merkmalen erschöpft, die durch die Art der Ware bedingt oder zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG). Wie sich aus dem Hinweis auf die „Füllkörper”-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 130, 187, 195) entnehmen läßt, bezieht sich die von der Rechtsbeschwerde beanstandete Formulierung lediglich darauf, daß eine Abbildung, die sich auf die Wiedergabe der wesentlichen Gestaltungsmerkmale der mit dem begehrten Markenschutz zu erfassenden Ware beschränkt, häufig nicht als ein Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstanden wird. Ob dies auch im Streitfall zutrifft, bedarf allerdings – wie dargelegt – noch der Klärung.
d) Begegnet bereits die Annahme des Bundespatentgerichts durchgreifenden Bedenken, dem angemeldeten Zeichen fehle hinsichtlich der Etiketten jegliche Unterscheidungskraft, kann die Versagung der Eintragung hinsichtlich der anderen Waren des Warenverzeichnisses (Etikettiermaschinen, Handetikettiergeräte, Papierlaminate, Schichtstoffe aus Papier und Kunststoff) erst recht keinen Bestand haben. Denn die Begründung, das Zeichen sei hinsichtlich dieser Waren nichts anderes als eine einfache Bestimmungsangabe, so daß es auch insoweit jeglicher Unterscheidungskraft entbehre, beruht auf der – rechtsfehlerhaft getroffenen – Feststellung, der Verkehr erkenne in der äußeren Form der Etiketten keinen Herkunftshinweis.
IV. Nach alldem ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 MarkenG).
Unterschriften
Erdmann, Mees, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.11.1998 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen