Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 22.08.2002) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 22. August 2002 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten – ohne Strafaussetzung zur Bewährung – verurteilt. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat nur im Hinblick auf die Ablehnung der Strafaussetzung zur Bewährung Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Jugendkammer hat die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, weil „keine besonderen Umstände” vorlägen, die erwarten ließen, daß sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen läßt und er künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird; denn er sei bereits mehrfach einschlägig vorbestraft und die nunmehr von ihm begonnene Therapie stelle keinen „besonderen Umstand” im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB dar, weil er auch früher „trotz verschiedener Therapien” erneut straffällig geworden sei.
Diese – im wesentlichen auf eine ungünstige Prognose (§ 56 Abs. 1 StGB) abstellende – Begründung kann die Versagung der Strafaussetzung nicht tragen.
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte – im Abstand von etwa 10 Metern – vor drei Kindern seine Hose geöffnet, seinen Penis herausgeholt und onaniert, um sich hierdurch sexuell zu befriedigen.
Das Landgericht hat nicht bedacht, daß die Vollstreckung einer – wie hier – wegen einer exhibitionistischen Handlung gemäß § 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB verhängten Freiheitsstrafe trotz ungünstiger Zukunftsprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wenn zu erwarten ist, daß der Täter erst nach einer längeren Heilbehandlung keine weiteren einschlägigen Taten mehr begehen wird (§ 183 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 StGB; vgl. BGH StV 1996, 605 f.; BGHR StGB § 183 Abs. 3 Heilbehandlung, längere 2, 3, 4). Allerdings läßt § 183 Abs. 3 StGB die in § 56 Abs. 2 und 3 StGB genannten weiteren Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung unberührt (BGHSt 28, 357, 359 f.; 34, 150 ff.). In Anbetracht dessen, daß der geständige Angeklagte letztmals im Jahre 1989, also vor 13 Jahren, zu einer (kurzen) Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, er sich seitdem straffrei geführt, nach der hier abgeurteilten Tat „Reue und Scham” empfunden und eine Therapie begonnen hat, liegt es aber eher fern, daß diese Bestimmungen der Strafaussetzung entgegenstehen könnten.
Die Frage der Strafaussetzung muß daher neu geprüft werden.
Unterschriften
Tepperwien, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2565517 |
NStZ-RR 2003, 110 |
NStZ-RR 2003, 73 |
StV 2003, 389 |