Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung. Inhaltsgleiche Gerichtsvollzieheraufträge. Eine 3/10 Rechtsanwaltsgebühr
Leitsatz (amtlich)
Beauftragt der Rechtsanwalt des Gläubigers im Zwangsvollstreckungsverfahren zunächst einen Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung am Geschäftssitz des Schuldners und anschließend einen anderen Gerichtsvollzieher an dessen Wohnsitz, weil der Geschäftssitz nicht mehr besteht, so stehen beide Einzelmaßnahmen in einem inneren Zusammenhang. Dem Rechtsanwalt steht nur eine 3/10 Gebühr zu, weil der zweite Gerichtsvollzieherauftrag dem Ziel der Befriedigung derselben Forderung des Gläubigers dient und eine inhaltsgleiche Wiederholung des ersten Auftrags darstellt.
Normenkette
BRAGO §§ 57-58
Verfahrensgang
LG Bonn (Beschluss vom 23.03.2004; Aktenzeichen 4 T 48/04) |
AG Bonn |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Bonn v. 23.3.2004 wird auf Kosten der Gläubiger zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 206,25 EUR.
Gründe
I.
Im Juni 2002 beauftragte der Rechtsanwalt der Gläubigerin den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Mobiliarpfändung und der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung bei Fruchtlosigkeit unter der Geschäftsadresse der Schuldnerin in Düren, wo auch der Mahn- und der Vollstreckungsbescheid zugestellt worden waren. Der Gerichtsvollzieher fand ein Geschäftslokal der Schuldnerin unter dieser Anschrift nicht mehr vor. Danach erteilte der Rechtsanwalt einen gleich lautenden Auftrag an den für die Wohnanschrift der Schuldnerin in St. Augustin zuständigen Gerichtsvollzieher. Diese Vollstreckung war erfolgreich; die Schuldnerin zahlte die Forderung in monatlichen Raten von je 2.000 EUR. Als gem. § 788 ZPO mit zu vollstreckende Kosten der Zwangsvollstreckung macht die Gläubigerin für die beiden Aufträge an die Gerichtsvollzieher Gebühren ihres Verfahrensbevollmächtigten i.H.v. jeweils 206,25 EUR (einschließlich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) geltend. Die Gerichtsvollzieherin hat die zweite Gebühr abgesetzt. Sie vertritt den Standpunkt, es liege nur eine Angelegenheit der Zwangsvollstreckung vor, für welche die anwaltliche Gebühr nur einmal entstehe.
Das AG hat die Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen. Die von der Gläubigerin eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG Bonn zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Gläubigerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Das gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kann die Gläubigerin als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung nur eine (3/10) Gebühr ihres anwaltlichen Vertreters gem. § 57 BRAGO geltend machen, weil die beiden Gerichtsvollzieheraufträge im vorliegenden Fall nach § 58 BRAGO nur eine Angelegenheit der Mobiliarvollstreckung darstellten. Die Mobiliarvollstreckung gegen Gewerbetreibende sei zweckmäßigerweise sowohl in deren Geschäftslokal als auch in deren Wohnung durchzuführen. An beiden Orten sei - alternativ oder kumulativ - mit pfändbaren Sachen im Gewahrsam des Schuldners zu rechnen. Sollte die Zwangsvollstreckung nach vergeblichem Mobiliarpfändungsversuch im Offenbarungsverfahren fortgesetzt werden, sei regelmäßig eine Fruchtlosigkeitsbescheinigung sowohl für das Geschäftslokal als auch die Wohnung erforderlich. Die Gläubigerin werde daher den Rechtsanwalt regelmäßig mit der Durchführung der Mobiliarvollstreckung insgesamt beauftragen, auch wenn dieser Auftrag jedenfalls dann nur nacheinander und durch Erteilung mehrerer Vollstreckungsaufträge an den Gerichtsvollzieher zu erfüllen sei, wenn - wie regelmäßig - nur eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels vorliege und Geschäftslokal und Wohnung in die Zuständigkeit verschiedener Gerichtsvollzieher fielen.
2. Die Gläubigerin ist der Meinung, sie könne die Erstattung einer zweiten Anwaltsgebühr i.H.v. 206,25 EUR verlangen. Hintergrund sei, dass der erste Vollstreckungsversuch unter der Geschäftsadresse der Schuldnerin in Düren fruchtlos verlaufen sei und anschließend ein weiterer Gerichtsvollzieher für die Vollstreckung unter der Wohnanschrift der Schuldnerin in St. Augustin habe beauftragt werden müssen. Von einer Angelegenheit i.S.v. § 58 Abs. 1 BRAGO könne nur dann gesprochen werden, wenn sich eine weitere Maßnahme als Fortsetzung der zuerst ergriffenen Maßnahme erweise: Davon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil der erste Vollstreckungsauftrag abgeschlossen gewesen sei, nachdem der Vollstreckungsversuch im Geschäftslokal der Schuldnerin fruchtlos verlaufen sei. Es habe ein weiterer Gerichtsvollzieher für eine Vollstreckung unter der Wohnanschrift der Schuldnerin beauftragt werden müssen. Hätten aber verschiedene Gerichtsvollzieher beauftragt werden müssen, so lägen mehrere Angelegenheiten vor. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass zweckmäßigerweise eine Mobiliarvollstreckung sowohl in dem Geschäftslokal als auch in der Wohnung durchzuführen sei. Eine solche gleichzeitige Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen sei völlig unüblich und würde auch praktisch kaum durchführbar sein, wenn wie im vorliegenden Fall Geschäftslokal und Wohnung in verschiedenen Gerichtsbezirken liegen.
3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist richtig.
Dem Verfahrensbevollmächtigten steht in der Zwangsvollstreckung eine Gebühr nach § 57 Abs. 1 S. 1 BRAGO zu, weil er die Gläubigerin vertreten hat. Jedoch wird seine gesamte Tätigkeit durch die 3/10-Gebühr abgegolten, weil sie i.S.v. § 58 Abs. 1 BRAGO die gleiche Angelegenheit betrifft. Danach gilt jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch sie vorbereiteten Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers als eine Angelegenheit (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Aufl., § 57 Rz. 24, 28). Dazu hat der Senat entschieden, dass grundsätzlich die gesamten zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang stehenden Einzelmaßnahmen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluss der Vollstreckung dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit bilden, wenn die weitere Vollstreckungshandlung die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzt (BGH, Beschl. v. 12.12.2003 - IXa ZB 234/03, BGHReport 2004, 560 = MDR 2004, 776 = Rpfleger 2004, 250; Beschl. v. 24.9.2004 - IXa ZB 15/04, z.V.b.).
So liegt der Fall hier. Beide Einzelmaßnahmen stehen in einem inneren Zusammenhang, weil sie dem Ziel der Befriedigung derselben Forderung der Gläubigerin dienen und der zweite Gerichtsvollzieherauftrag eine inhaltsgleiche Wiederholung des ersten Auftrags an der Wohnanschrift der Schuldnerin darstellt.
Fundstellen
Haufe-Index 1276694 |
BGHR 2005, 400 |
FamRZ 2005, 203 |
NJW-RR 2005, 706 |
JurBüro 2005, 139 |
WM 2005, 183 |
ZAP 2005, 176 |
InVo 2005, 163 |
MDR 2005, 475 |
Rpfleger 2005, 165 |
AGS 2005, 63 |
RENOpraxis 2005, 92 |
RVGreport 2005, 34 |
ZVI 2005, 225 |
RVG-Letter 2005, 9 |