Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 23.01.2014) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 23. Januar 2014 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Maßregel entfällt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten schuldig gesprochen „der vorsätzlichen Körperverletzung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit Bedrohung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen, des schweren räuberischen Diebstahls, der vorsätzlichen Körperverletzung und der vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung”. Es hat ihn hierwegen unter Einbeziehung einer anderweit erkannten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug von sechs Monaten der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe angeordnet. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zum Wegfall der Maßregelanordnung; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Schuld- und Strafausspruch halten materiell-rechtlicher Überprüfung stand.
Rz. 3
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB. Der Generalbundesanwalt hat seinen hierauf bezogenen Aufhebungsantrag wie folgt begründet:
„a) Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Willen des Beschwerdeführers die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff ausgenommen sein soll.
Eine Beschränkung der Revision nach § 344 Abs. 1 StPO ist nur zulässig, soweit die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils – losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil – tatsächlich und rechtlich unabhängig beurteilt werden können, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen. Weiter muss gewährleistet sein, dass die nach Teilanfechtung stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 1995 – 1 StR 595/14, BGHSt 41, 57, 59). Eine Revisionsbeschränkung unter Ausklammerung des Maßregelausspruchs ist nach diesen Maßstäben unwirksam, wenn zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, der von der Maßregelfrage nicht getrennt werden kann; die Feststellung einer Symptomtat ist unerlässliche Voraussetzung der Maßregelanordnung (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Januar 2010 – 4 StR 504/09, NStZ-RR 2010, 171 f.; BGH, Urteil vom 18. Juli 2012 – 2 StR 605/11 m.w.N.). Der Angeklagte, der mit der Sachrüge auch den Schuldspruch angreift, kann mit der erklärten Rechtsmittelbeschränkung nicht wirksam auf die Anfechtung der Anordnung der Unterbringung verzichten (BGH, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 397/13, NStZ-RR 2014, 58).
b) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Anordnung dieser Maßregel kommt nur in Betracht, wenn die Therapie voraussichtlich innerhalb der Höchstfrist des § 67d Abs. 1 S. 1 StGB, mithin innerhalb von zwei Jahren, erfolgreich abgeschlossen werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 11. März 2014 – 4 StR 36/14 sowie vom 27. März 2013 – 4 StR 60/13 und vom 17. Juli 2012 – 4 StR 223/12 jeweils m.w.N.). Die Feststellung der sachverständig beratenen Strafkammer zu der erwarteten Therapiedauer von insgesamt ‚5 oder mehr Jahren’ (wobei zunächst eine ‚schätzungsweise ein Jahr’ dauernde Behandlung der Psychose erforderlich ist, an die sich dann die ‚mehrjährige Entwöhnungsbehandlung’ anschließen kann, UA S. 48) belegt dies nicht.
Die Auffassung der Kammer, bei der Zwei-Jahres-Frist des § 67d Abs. 1 S. 1 StGB handele es sich um eine ‚Grundfrist, die sich in den Grenzen des § 67 Abs. 4 S. 1 StGB um den durch Unterbringung abzugeltenden Teil der Strafe verlängert’, geht fehl. Die hiermit angesprochene Verlängerung der Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe (soweit auf sie die Zeit des Maßregelvollzugs nach § 67 Abs. 4 StPO anzurechnen ist) greift nach dem eindeutigen Wortlaut des § 67d Abs. 1 S. 3 StGB nur bei einem Vorwegvollzug der Maßregel vor der Strafe ein. Ein solcher Fall liegt nach § 67 Abs. 2 S. 2 StGB jedoch nicht vor.
Auch im Übrigen lässt sich § 67d Abs. 1 S. 3 StGB nicht entnehmen, der Gesetzgeber halte Unterbringungen über zwei Jahre hinaus in Einzelfällen für therapeutisch sinnvoll. § 67d Abs. 1 S. 3 StGB knüpft die Höchstfristverlängerung nicht an die tatrichterliche Prognose, eine die Zweijahresfrist des § 67d Abs. 1 S. 1 StGB überschreitende Therapie werde ausnahmsweise erfolgreich sein, sondern will ausschließlich Systembrüche korrigieren, die sich aus der Vollstreckungsreihenfolge ergeben können (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12 unter Rn. 5 m.w.N.; BGH, Urteil vom 11. März 2010 – 3 StR 538/09; vgl. auch Senat, Beschluss vom 17. Juli 2012 – 4 StR 223/12, Rn. 6 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die hier zitierte Rechtsprechung des 3. Senats).”
Rz. 4
Dem schließt sich der Senat an.
Rz. 5
3. Trotz dieses Teilerfolges der Revision hält es der Senat nicht für unbillig, den Angeklagten mit den vollen Rechtsmittelkosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2003 – 1 StR 451/03, StraFo 2004, 36).
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Mutzbauer, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 7481938 |
NStZ-RR 2015, 43 |
NStZ-RR 2015, 5 |