Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 17.12.2018; Aktenzeichen 46 Js 95/16 9 KLs 5/18) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 17. Dezember 2018, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- im Strafausspruch zu Fall III. 2. Anklage-Ziff. 6 der Urteilsgründe;
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubter Ausfuhr eines Grundstoffs, der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision, die er zunächst unbeschränkt eingelegt, sodann aber mit der Revisionsbegründung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Während die unausgeführte Verfahrensrüge nicht in zulässiger Weise erhoben ist, hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Revision ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Zwar begegnet der Schuldspruch im Fall III. 2. Anklage-Ziff. 9 der Urteilsgründe rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat in diesem Fall den Angeklagten, der im Kofferraum eines von ihm geführten Pkw 160 Liter Essigsäureanhydrid von Deutschland über Österreich nach Italien verbrachte, wobei ihm bewusst war, dass es sich hierbei um einen Grundstoff zur Herstellung von Heroin handelt, gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 des Grundstoffüberwachungsgesetzes (GÜG) der unerlaubten Ausfuhr eines Grundstoffs, der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden soll, schuldig gesprochen. Hierbei hat das Landgericht übersehen, dass eine „Ausfuhr” gemäß § 1 Nr. 2 und Nr. 5 GÜG die – hier nicht festgestellte – Verbringung von Grundstoffen aus dem Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem nicht zu diesem Zollgebiet gehörenden Teil des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland voraussetzt (vgl. zu den Begriffen der Ein- und Ausfuhr i.S.d. §§ 1, 3 und 19 GÜG Anders in Erbs/Kohlhaas, § 1 Rn. 4; Volkmer in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 19 GÜG Rn. 23 und 24).
Rz. 3
Der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung steht die Unrichtigkeit des Schuldspruchs aber nicht entgegen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Juni 2016 – 3 StR 124/16, Rn. 28; vom 28. Januar 2016 – 3 StR 347/15, Rn. 35; Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 247/13, NStZ-RR 2013, 349; Quentin in MüKo-StPO, § 318 Rn. 53; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 318 Rn. 17a), weil auf Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 GÜG in den Tatbestandsvarianten „Befördern” und „Besitz” gegeben ist.
Rz. 4
2. Während die Einzelstrafe für das Vergehen nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 GÜG keinen rechtlichen Bedenken begegnet, können die für die Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verhängte Einsatzstrafe und die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben.
Rz. 5
a) Nach den vom Landgericht zu den persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellungen wurde der Angeklagte am 9. Mai 2000 von einem italienischen Gericht wegen Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und am 18. Mai 2015 von einem österreichischen Gericht wegen einer Betäubungsmittelstraftat zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nähere Feststellungen zu diesen ausländischen Vorahndungen hat das Landgericht nicht getroffen. Weitere Vorstrafen hat es nicht festgestellt.
Rz. 6
Bei der Prüfung des anzuwendenden Strafrahmens für die Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat es das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 30a Abs. 3 BtMG verneint und unter Zugrundelegung des nach § 27 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 30a Abs. 1 BtMG die Einsatzstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt. Bei der Ablehnung eines minder schweren Falls nach § 30a Abs. 3 BtMG hat es neben Art und Menge des gehandelten Rauschgifts den „Vorstrafen” des Angeklagten entscheidende Bedeutung beigemessen (UA S. 22).
Rz. 7
b) Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 8
aa) Zwar dürfen bei der Strafzumessung auch rechtskräftige ausländische Vorstrafen berücksichtigt werden, wenn die Tat nach deutschem Recht strafbar wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Februar 2017 – 2 StR 569/16; vom 9. November 2016 – 5 StR 485/16) und die ausländische Verurteilung – würde es sich um eine solche nach deutschem Recht handeln – nicht tilgungsreif wäre; für nicht im Bundeszentralregister eingetragene ausländische Verurteilungen – wie hier – ergibt sich dies aus § 58 BZRG. Liegt Tilgungsreife vor, besteht das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 63 Abs. 4 BZRG (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2011 – 4 StR 425/11, NStZ-RR 2012, 305; siehe auch BGH, Beschluss vom 19. Januar 2015 – 3 StR 588/14; MüKo-StGB/Miebach/Maier, 3. Aufl., § 46 Rn. 231).
Rz. 9
Kommt bei einer dem Tatgericht bekannt gewordenen, zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigungsfähigen ausländischen Vorstrafe in Betracht, dass diese – wäre das Urteil nach innerstaatlichem Recht ergangen – im Falle ihrer Eintragung im Bundeszentralregister tilgungsreif wäre (ohne dass eine Ausnahmeregelung nach § 52 BZRG eingreift), muss es die für die Tilgungsreife erforderlichen Feststellungen treffen und bewerten und dies im Urteil darlegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2012 – 4 StR 277/12, StV 2013, 746, 747; vom 19. Oktober 2011 – 4 StR 425/11, NStZ-RR 2012, 305, 306; vom 1. August 2007 – 5 StR 282/07, NStZ-RR 2007, 368, 369).
Rz. 10
bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die zu den Vorstrafen getroffenen Feststellungen erweisen sich als unzureichend. Dem Senat, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Sachrüge hin zu prüfen hat, ob das Tatgericht ein in Betracht kommendes Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG missachtet hat, ist mangels näherer Feststellungen zu der – mehr als 15 Jahre vor der österreichischen Vorstrafe liegenden und damit mutmaßlich tilgungsreifen (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG) – italienischen Vorstrafe keine belastbare Beurteilung möglich, ob das Landgericht diese strafrechtliche Vorahndung bei der Strafrahmenwahl rechtsfehlerfrei zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt hat. Dies führt zur Aufhebung der für diesen Fall verhängten Einsatzstrafe sowie der Gesamtstrafe.
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Quentin, Feilcke, Bartel
Fundstellen
Haufe-Index 13865874 |
NStZ-RR 2020, 217 |