Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 12.06.2023; Aktenzeichen 67 KLs 2/23) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 12. Juni 2023, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte schuldig ist des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen sowie des Besitzes von Grundstoffen entgegen § 3 des Grundstoffüberwachungsgesetzes in Tateinheit mit der Verabredung eines Verbrechens des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
b) mit den jeweils zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben
- in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen II.6. bis II.12. der Urteilsgründe,
- im Gesamtstrafenausspruch,
- im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit diese einen Betrag von 9.000 €, für den der Angeklagte als Gesamtschuldner haftet, übersteigt.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen sowie wegen dem Besitz von Grundstoffen, die zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden sollen entgegen § 3 des Grundstoffüberwachungsgesetzes in Tateinheit mit der Verabredung eines Verbrechens des Verbrechens des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu vier Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 15.055 € als Allein- und in Höhe von 9.000 € als Gesamtschuldner angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Senat stellt den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich klar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 1985 - 4 StR 447/85, NJW 1986, 1116; vom 15. November 2022 - 3 StR 340/22, NStZ-RR 2023, 51). Im Übrigen hat die umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht, ebenso wenig zu den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II.2., II.3. und II.5. der Urteilsgründe.
Rz. 3
2. Indes haben die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.6. bis II.12. der Urteilsgründe und in der Folge der Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand.
Rz. 4
a) In den Fällen II.8., II.9. und II.10. der Urteilsgründe setzt sich die Strafkammer mit seinen Feststellungen zur gehandelten Heroinmenge von jeweils 25 Gramm in Widerspruch zu seiner Beweiswürdigung in diesen Fällen, aus der sich der Verkauf von jeweils nur 20 Gramm Heroin ergibt. Dieser Widerspruch wird durch die Urteilsgründe nicht aufgelöst und lässt besorgen, dass die Strafkammer der Strafzumessung die größere, tatsächlich aber nicht gegebene Betäubungsmittelmenge zugrunde gelegt hat.
Rz. 5
b) Rechtsfehlerhaft ist auch, dass die Strafkammer in den Fällen II.6. bis II.12. der Urteilsgründe bei der Strafrahmenwahl strafschärfend gewertet hat, „dass die berücksichtigungsfähigen Wirkstoffmengen den für die Bestimmung einer ‚nicht geringen Menge‘ maßgeblichen Grenzwert […] in den Fällen 6, 8, 9 und 10 jeweils um das 3,01-fache, im Fall 7 um das 1,92-fache, im Fall 11 um das 2,39-fache und im Fall 12 um das 3,13-fache überschreiten.“
Rz. 6
aa) Zwar hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei die Wirkstoffmengen der in Rede stehenden Betäubungsmittel festgestellt und zutreffend jeweils auf die Gesamtheit dieser Wirkstoffmengen abgestellt, durch die der Grenzwert zur nicht geringen Menge überschritten ist; maßgeblich ist insoweit die Summe der Wirkstoffmengen (zur Berechnung vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2023 - 6 StR 242/23 Rn. 3 mwN). Auch die Berechnung lässt keinen Fehler zu Lasten des Angeklagten erkennen. Bei Heroin beträgt der Grenzwert der nicht geringen Menge 1,5 g Heroinhydrochlorid; liegt - wie hier - als Wirkstoff eine bestimmte Menge Heroinbase vor, ist jener Wert, um den Anteil an Heroinhydrochlorid zu erhalten, mit dem Faktor 1,1 zu multiplizieren (vgl. Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, BtMG, 10. Aufl., § 29a Rn. 82 mwN; Weber/Kornprobst/Maier/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29a Rn. 128).
Rz. 7
bb) Die Strafkammer hat aber nicht erkennbar bedacht, dass nicht jede über dem Grenzwert liegende Wirkstoffmenge als strafschärfender Umstand gegen die Annahme eines minder schweren Falles spricht. Je geringer die Überschreitung des Grenzwerts ist, desto näher kann die Annahme eines minder schweren Falles liegen. Eine nur geringe Grenzwertüberschreitung wird deshalb ein Kriterium für die Annahme eines minder schweren Falles sein, während eine ganz erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen spricht (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2017 ‒ 2 StR 294/16, BGHSt 62, 90, 93; Beschlüsse vom 11. September 2019 - 2 StR 68/19, NStZ-RR 2020, 24; vom 16. Januar 2019 ‒ 2 StR 488/18 Rn. 5). Eine nicht erhebliche Überschreitung stellt jedenfalls keinen bestimmenden Strafschärfungsgrund dar (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2019 ‒ 2 StR 488/18 Rn. 6: Überschreitung des Grenzwerts um etwas mehr als das Dreifache; BGH, Beschluss vom 11. September 2019 ‒ 2 StR 68/19, NStZ-RR 2020, 24: Überschreitung um das 2,5-fache).
Rz. 8
cc) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafzumessung auf den Rechtsfehlern beruht. Das zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht wird auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob eine von der Strafkammer bislang im Rahmen der Gesamtstrafenbildung zugunsten des Angeklagten angenommene „sinkende Hemmschwelle“ bereits bei den Einzelstrafen zu berücksichtigen ist.
Rz. 9
3. Auch die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen unterliegt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang der Aufhebung.
Rz. 10
Zwar hat die Strafkammer - zu Fall II.2. der Urteilsgründe - rechtfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte - zusammen mit einem Nichtrevidenten - 9.000 € aus dem Verkauf von Amphetaminöl erlangt hat. Im Übrigen aber ist die Einziehungsentscheidung schon rechnerisch nicht nachvollziehbar. Überdies entzieht der oben 2.a) aufgezeigte Rechtsfehler der die Fälle II.8., II.9. und II.10. der Urteilsgründe betreffenden Einziehungsanordnung die Grundlage und im Fall II.5. der Urteilsgründe bleibt nach den Urteilsgründen unklar, ob der Angeklagte den vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 6.210 € oder aber nur die vom Nichtrevidenten D. genannten 500 € erlangt hat.
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RiBGH Prof. Dr. Krehl ist urlaubsabwesend und an der Unterschrift gehindert. |
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Meyberg |
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Grube |
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Schmidt |
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Fundstellen
Haufe-Index 16187554 |
StV 2024, 427 |