Tenor
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, nach der für die Annahme vollendeten Handeltreibens auch ernsthafte Verhandlungen über den Erwerb von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln ausreichen.
Gründe
Der Senat sieht in seiner Mehrheit keinen Grund zu einer Änderung bei der Auslegung des Handeltreibensbegriffs im Betäubungsmittelrecht.
Eine Neuorientierung bei der Auslegung des Begriffs des Handeltreibens im Betäubungsmittelgesetz von Verfassungs wegen ist nicht geboten. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluß des 2. Senats, mit der eine Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG gerügt wurde, nicht angenommen. Zur Begründung ist in der Kammerentscheidung ausgeführt, daß die von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung des Begriffs, nach der etwa weder eine gesicherte Lieferquelle noch Verfügungsgewalt des Täters für die Annahme vollendeten Handeltreibens erforderlich ist und der Tatbestand auch dann erfüllt ist, wenn es nicht zur Anbahnung bestimmter Geschäfte oder gar zum Abschluß eines Vertrags und dessen Erfüllung gekommen ist, nicht über den Wortsinn der §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hinausgeht (Beschluß vom 24. Oktober 1999 – 2 BvR 1906/99). Dies wird vom anfragenden Senat offenbar auch nicht anders gesehen, wenn er auch dem von Teilen des Schrifttums erhobenen Einwand, die Auslegung trage dem Bestimmtheitsgrundsatz nur unzureichend Rechnung, Gewicht beimißt.
Einzuräumen ist allerdings, daß die unterschiedslose Anwendung des Strafrahmens für das vollendete Delikt dem unterschiedlichen Unrechtsgehalt der verschiedenen als vollendetes täterschaftliches Handeltreiben erfaßten Begehungsweisen nicht immer gerecht wird. Angesichts der Definition des Handeltreibens als jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit ist die Abgrenzung von täterschaftlichem Handeltreiben und Teilnahmehandlungen – insoweit sind jedoch von der Rechtsprechung einige Abgrenzungskriterien entwickelt worden (ganz untergeordnete Rolle, keinen Einfluß auf die Durchführung des Geschäfts einerseits – Selbständigkeit im Hinblick auf die Durchführung des Transports andererseits) – insbesondere aber die vom Gesetz gewollte Abgrenzung zwischen Vollendung/Versuch/Vorbereitungshandlung problematisch.
Nach Auffassung des Senats erscheint die im Anfragebeschluß vorgeschlagene Katalogisierung verschiedener „handelstypischer” Tätigkeiten aber nicht geeignet, diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Zu Recht ist in der Literatur darauf hingewiesen worden, daß dieser Weg nur zu einer neuen Typisierungskasuistik führen werde, ohne daß damit ein einheitliches Kriterium zur Eingrenzung des Begriffs des Handeltreibens gefunden worden ist (Gaede, Anm. zum Anfragebeschluß StraFo 2003, 391). Zudem sind die einzelnen aufgeführten Tätigkeiten ihrerseits begründungsbedürftig, z. B. „feilbieten”, „sonstiges in Verkehrbringen”. Auch überzeugt die vorgeschlagene Asymmetrie zwischen Einkaufs- und Verkaufshandlungen nicht. Der Einkauf ist die Voraussetzung für den Verkauf und von daher für das geschützte Rechtsgut, die Volksgesundheit, nicht weniger gefährlich (vgl. auch Roxin, Anm. zum Anfragebeschluß StV 2003, 619, 620).
Wenn eine Rechtsprechungsänderung zur Auslegung des Begriffs des Handeltreibens überhaupt angestrebt werden sollte – was auch nach Auffassung des Senats wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache nur durch eine Entscheidung des Großen Senats erfolgen sollte – hielte der Senat eine grundsätzliche Neudefinition des Begriffs des Handeltreibens für unumgänglich. Ob dabei zur Eingrenzung des Begriffs das Abstellen auf den (bürgerlich-rechtlich nichtigen) Vertragsabschluß oder auf den Umsatz, das Näherbringen des Rauschgifts an den Konsumenten (so Roxin StV 1992, 517; 2003, 619, 621; Harzer StV 1996, 336, 337) – beide Möglichkeiten werden vom anfragenden Senat erwogen – ein geeignetes Kriterium wäre, bedarf hier keiner Entscheidung. In jedem Fall hätte eine solche Änderung der Auslegung weitgehende Konsequenzen, die – soweit sie überhaupt schon überblickt werden können – keinesfalls als in jeder Hinsicht wünschenswert angesehen werden können (vgl. Weber NStZ 2004, 66 f.).
Der Senat hält deshalb in seiner Mehrheit eine solche Rechtsprechungsänderung nicht für geboten. Die weite Auslegung entspricht – wie auch der anfragende Senat nicht verkennt – der geschichtlichen Entwicklung und dem Willen des Gesetzgebers nach einer möglichst lückenlosen Erfassung aller Aktivitäten auf dem Gebiet des Betäubungsmittelhandels. Dem Einwand, nach der gegenwärtigen Praxis würden bereits typische Vorbereitungs- oder Versuchshandlungen als vollendetes Handeltreiben erfaßt, kann durch eine restriktivere Handhabung bei der Anwendung des Begriffs in Grenzfällen Rechnung getragen werden.
Der Senat sieht danach auch keine Notwendigkeit, die Sache an den Großen Senat für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 4 GVG vorzulegen.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, Otten, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2557644 |
NJW-Spezial 2004, 89 |
RÜ 2004, 317 |
StraFo 2004, 251 |