Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 20.09.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 20. September 2017
- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes schuldig ist;
- mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schweren Raubes” zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es mangels Erfolgsaussicht abgesehen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Rz. 3
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zu Ungunsten des Angeklagten ergeben. Jedoch war der Schuldspruch dahin zu ändern, dass der Angeklagte statt des „schweren Raubes” des „besonders schweren Raubes” schuldig ist, denn er beging die Raubtat unter Vorhalt eines Messers und damit unter den Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB; die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat verlangt die Kennzeichnung dieser vom Angeklagten verwirklichten Qualifikation (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – 3 StR 566/09, juris Rn. 2 mwN).
Rz. 4
3. Das Urteil hält jedoch der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.
Rz. 5
a) Das Landgericht ist – sachverständig beraten – davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Hang hat, Alkohol im Übermaß zu konsumieren. Sodann hat es das Bestehen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen diesem Hang und der abgeurteilten Tat für zweifelhaft gehalten, weil „tatdynamisch die allgemeine dissoziale Verhaltensbereitschaft […], nicht hingegen die alkoholbedingte Enthemmung, der wichtigste Faktor für die Tatbegehung gewesen sei”. Gleichwohl hat es angenommen, bei dem Angeklagten liege die Gefahr vor, dass er infolge seines Hanges in Zukunft weitere erhebliche Straftaten begehen werde.
Rz. 6
Die Strafkammer hat indes eine Erfolgsaussicht der Behandlung im Sinne des § 64 Satz 2 StGB verneint, und ausgeführt, eine „hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg innerhalb einer maximal zweijährigen Unterbringung könne aus Sicht des Sachverständigen […] nicht bejaht werden”. Das Landgericht ist dem Sachverständigen auch insoweit gefolgt und hat zusätzlich berücksichtigt, dass der Angeklagte nach seinen Angaben nur wenige Tage nach der letzten Alkoholentwöhnungstherapie rückfällig geworden sei.
Rz. 7
b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 8
Soweit die Strafkammer einen symptomatischen Zusammenhang bezweifelt hat, kann sich dieser vorliegend bereits daraus ergeben, dass der Angeklagte die Tat im Rausch beging. Im Übrigen ist es nicht erforderlich, dass „die alkoholbedingte Enthemmung der wichtigste Faktor für die Tatbegehung” war, es reicht aus, wenn der Hang neben anderen Ursachen zur Tatbegehung beigetragen hat (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – 3 StR 418/17, NStZ-RR 2018, 13 mwN). Die Verneinung eines symptomatischen Zusammenhangs lässt sich hier zudem nicht widerspruchsfrei damit in Einklang bringen, dass das Landgericht die Gefahr weiterer erheblicher hangbedingter Straftaten bejaht hat.
Rz. 9
Im Rahmen der Ablehnung der Erfolgsaussicht hat die Strafkammer zudem – unter Referierung der Ausführungen des Sachverständigen, denen sie sich angeschlossen hat – mehrfach darauf abgestellt, dass die Unterbringungs- bzw. Behandlungsdauer auf „maximal” zwei Jahre begrenzt sei. Dies lässt besorgen, dass sie insoweit von einem falschen Maßstab auf der Basis der früher geltenden Rechtslage ausgegangen ist, nach der die Erfolgsaussicht zu verneinen war, wenn die voraussichtlich notwendige Dauer der Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschritt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 1). Dieser ist indes durch die Neufassung von § 64 Satz 2 StGB durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I, S. 1610) die Grundlage entzogen worden. Durch die Neuregelung ist der Zeitraum, innerhalb dessen der Erfolg der Suchtbehandlung mit hinreichend konkreter Aussicht erreicht werden muss, in den Fällen, in denen neben der Maßregel auf eine Freiheitsstrafe erkannt wird, auf die sich aus § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu errechnende Dauer ausgedehnt worden; es sollte durch den Verweis auf § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB ausdrücklich klargestellt werden, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch dann angeordnet werden kann, wenn ausnahmsweise eine notwendige Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren zu prognostizieren ist (BT-Drucks. 18/7244, S. 1, 2, 24 f.). Danach kann die hinreichende Erfolgsaussicht nicht mehr allein damit verneint werden, dass die voraussichtlich notwendige Behandlungszeit die – unverändert gebliebene – zweijährige Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB übersteigt (BGH, Beschlüsse vom 7. September 2017 – 3 StR 307/17, juris Rn. 7; vom 15. März 2017 – 2 StR 581/16, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 3).
Rz. 10
c) Über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb – wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 7. September 2017 – 3 StR 307/17, juris Rn. 10 mwN); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
Unterschriften
Becker, Gericke, Spaniol, RiBGH Dr. Tiemann befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker, Hoch
Fundstellen
Haufe-Index 11606875 |
StV 2019, 263 |