Leitsatz (amtlich)
Zur Beschwerdebefugnis naher Angehöriger des Betreuten hinsichtlich der Auswahl des Betreuers (hier verneint für die Ablehnung des Begehrens der Tochter, den bestellten Betreuer zu entlassen und ihr selbst die Betreuung zu übertragen).
Normenkette
FGG §§ 20, 69g, 69i, 57
Verfahrensgang
OLG Köln |
LG Köln |
AG Wermelskirchen |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 6. Ferienzivilkanner das Landgerichts Köln vorn 21. August 1995 wird auf Kosten der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 5.000 DM.
Gründe
I.
Der am 31. Oktober 1903 geborenen Betroffenen wurde auf Anregung ihrer Tochter, der Beteiligten zu 3, am 3. April 1992 ein Betreuer bestellt. Zu diesem Zeitpunkt erklärte sich die Beteiligte zu 3 außerstande, die Betreuung selbst zu übernehmen. Der Aufgabenkreis der Betreuung wurde in der Folge mehrfach erweitert. Seit dem 19. April 1993 umfaßt er neben der gesamten Vermögenssorge mit Einwilligungsvorbehalt auch die Zuführung zur stationaren medizinischen Behandlung und die Sicherstellung der häuslichen Versorgung. Insoweit werden die Betreuungsaufgaben von der Beteiligten zu 1 wahrgenommen, die einem katholischen Betreuungsverein angehört. Soweit es um die Geltendmachung von Ansprüchen auf Sozialhilfe und gegenüber Verwandten geht, ist seit dem 21. Juni 1994 die Beteiligte zu 2, eine Rechtsanwältin, zur Betreuerin bestellt.
Am 28. Oktober 1994 beantragte die Beteiligte zu 3, die Betreuung unter Ablösung der Beteiligten zu 1 ihr selbst zu übertragen. Zur Begründung verwies sie auf ihren gesetzlichen Vorrang als nahe Angehörige. Nach dem Tode ihres Ehemannes am 19. August 1993 sei sie nunmehr in der Lage und bereit, die Betreuung ihrer Mutter zu übernehmen.
Das Amtsgericht bestellte der Betroffenen einen Verfahrenspfleger, der sich gegen einen Betreuerwechsel aussprach. Die Betroffene ließ durch einen anwaltlichen Bevollmächtigten mitteilen, daß sie den Wunsch ihrer Tochter unterstütze. Der Betreuungsverein und die Beteiligte zu 1 hielten, eine Entlassung nicht für gerechtfertigt. Nach persönlicher Kontaktaufnahme mit der Betroffenen, die zwischenzeitlich in. einem Altenheim lebt, wies das Amtsgericht durch Beschluß vorn 17. Juli 1995 den Antrag auf Betreuerwechsel zurück und erweiterte zugleich den Aufgabenkreis der Beteiligten zu 1 auf die Aufenthaltsbestimmung und die Wohnungsauflösung.
Hiergegen ließ die Beteiligte zu 3 Beschwerde einlegen, mit der sie ihren Antrag auf Übertragung der Betreuung auf sich weiterverfolgte. Das Landgericht wies das Rechtsmittel zurück, weil die Voraussetzungen des § 1908b BGB nicht vorlagen.
Der hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde der Beteiligten zu 3 „Lochte das Oberlandesgericht stattgeben und die Sache wegen Verletzung der Aufklärungspflicht aus § 12 FGG an das Landgericht zurückverweisen. Es sieht sich daran durch den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vorn 31. August 1995 (3Z DR 239/95 – BayObLGZ 1995, 305) gehindert, in dem die Beschwerdebefugnis eines nahen Angehörigen gegen die Ablehnung seines Antrags, den bestellten Betreuer zu entlassen und ihm selbst die Betreuung zu übertragen, verneint worden ist. Deshalb hat es die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist zulässig mit der Folge, daß der Senat gemäß § 28 Abs. 3 FGG über die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 zu entscheiden hat (vgl. etwa Senatsbeschluß BGHZ 120, 305, 307). In der Sache teilt er im Ergebnis die Rechtsauffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts; infolgedessen ist die weitere Beschwerde unbegründet, weil die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 3 schon wegen Fehlens einer Beschwerdebefugnis hätte verworfen werden müssen.
1. Für die Beschwerdebefugnis in Betreuungssachen sieht das Gesetz – unbeschadet des auch hier geltenden § 20 FGG – Sonderregelungen in den §§ 69g, 69i FGG vor. In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 69g FGG heißt es, daß den in Abs. 1 der Vorschrift genannten Angehörigen des Betroffenen gegen die dort einzeln aufgeführten Entscheidungen ein Beschwerderecht in eigenem Namen einzuräumen sei, andererseits aber der Kreis der beschwerdeberechtigten Verwandten und Verschwägerten im Verhältnis zu § 57 FGG eingeschränkt werde (vgl. BT-Drucks. 1114528 S. 179). Dadurch werden verfahrensrechtliche Folgerungen aus § 1897 Abs. 5 BGB gezogen, wonach nahe Angehörige bei der Auswahl des Betreuers einen gewissen Vorrang genießen. Die Beteiligte zu 3 gehört als Tochter der Betroffenen zu dem Personenkreis des § 69g Abs. 1 FGG. Die von ihr angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts fällt aber nicht unter den abschließenden Katalog der Bestimmung. Dieser umfaßt die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts und die ablehnenden Entscheidungen in diesem Rahmen. Zwar können nahe Angehörige gegen die erstmalige Bestellung eines Betreuers Beschwerde auch mit dem Ziel einlegen, die eigene Person an die Stelle des ausgewählten Betreuers zu setzen, weil es sich dabei um eine zulässige Teilanfechtung der die Bestellung und Auswahl umfassenden Einheitsentscheidung nach § 69 Nr. 2 FGG handelt (vgl. BT-Drucks. aaO 8. 120; ebenso KG FamRZ 1995, 1442; OLG Schleswig FamRZ 1995, 432; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 451; OLG Karlsruhe BtPrax 1994, 214; Jürgens Betreuungsrecht § 69g FGG Rdn. 11; Kemper FuR 1994, 267, 269; a.A.: OLG Oldenburg FamRZ 1995, 432; Palandt/Diederichsen BGB 55. Aufl. § 1897 Rdn. 22). Hier geht es aber nicht um einen solchen Fall – bei der Betreuerbestellung im April 1992 war die Beteiligte zu 3 noch nicht zur Übernahme der Betreuung bereit und in der Lage –, sondern um die Ablehnung einer Entlassung der Beteiligten zu 1 gemäß § 1908b BGB und gegebenenfalls die, Bestellung eines neuen Betreuers gemäß § 1908c BGB.
Die Beschwerdebefugnis hinsichtlich derartiger nachfolgender Entscheidungen regelt jedenfalls teilweise § 69i FGG. Durch die Verweisung in Abs. 8 der Vorschrift auf § 69g Abs. 1 FGG ergibt sich, daß dem in Bezug genommenen Personenkreis dankt ein Beschwerderecht zusteht, wenn das Amtsgericht einen bestellten Betreuer aus wichtigem Grunde entlassen, bei der Auswahl des neuen Betreuers aber.den Beschwerdeführer übergangen hat (vgl. OLG Hamm FWtZ 1993, 988, 989; Jürgens aaO § 69i Rdn. 21). Dabei macht die ausdrückliche Anführung des § 1908c BGB deutlich, daß die Entlassung ausgesprochen sein muß und nicht, wie im vorliegenden Fall, abgelehnt wurde. 5 1908b BGB, der die Voraussetzungen einer Entlassung des Betreuers regelt, wird in 5 69i Abs. 7 FGG genannt, ohne daß hier aber ausdrücklich oder durch eine Verweisung die Beschwerdebefugnis geregelt wird. Daraus wird zutreffend geschlossen, daß gegen die Ablehnung einer Entlassung des Betreuers sich die Beschwerdeberechtigung allein nach 5 20 FGG richtet. (vgl. Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 69g Rdn. 10; Jürgens aaO § 1908b BGB Rdn. 12; Kemper aao 5. 275). Nach dieser Bestimmung sind zweifelsfrei beschwerdebefugt der Betroffene selbst, ggf. durch seinen gemäß § 67 FGG bestellten Verfahrenspfleger, und der Betreuer, wenn eine von ihm gewünschte Entlassung abgelehnt worden ist. Ein Beschwerderecht Dritter aus § 57 Nr. 9 FGG scheidet aus, weil, wie eingangs ausgeführt, das Gesetz insoweit eine einschränkende Sonderregelung geschaffen hat (vgl. BayobLGZ 1993, 234, 235 m.w.N.); auch ist § 57 FGG in der Verweisungskette des § 69e FGG nicht genannt (vgl. Keidel/Kuntze aaO).
2. Für die Beteiligte zu 3 ist eine Beschwerdebefugnis nach § 20 FGG nicht gegeben. Ein formelles Antragsrecht auf Entlassung des bestellten Betreuers im Sinne von § 20 Abs. 2 FGG steht ihr nicht zu; ein Entlassungsbegehren von ihrer Seite ist bloße Anregung an das Gericht, gemäß § 1908b BGB einzuschreiten. § 20 Abs. 1 FGG setzt voraus, daß durch die angegriffene Entscheidung in ein subjektives Recht des Beschwerdeführers eingegriffen wird (vgl. Senatsbeschluß vorn 18. Januar 1989 – IVb ZB 208/87 – FamRZ 1989, 369, 370). Da erst die Entlassung des bestellten Betreuers den Weg für die Berücksichtigung des in § 1897 Abs. 5 BGB statuierten Vorrangs naher Angehöriger bei der Auswahl des Betreuers freimacht, kann für ein Recht i.S. von 5 20 Abs. 1 FGG nicht auf diesen Vorrang abgestellt werden; vielmehr kommt es darauf an, ob das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 1908b BGB den Angehörigen ein Recht auf Entlassung gibt. Das ist zu verneinen (ebenso Palandt/Diederichsen aaO § 1908b Rdn. 1 BGB im Anschluß an LG Manchen I BtPrax 1995, 149; OLG Düsseldorf FWtZ 1995, 483; s.a. Staudinger/Bienwald BGB 12. Aufl. 5 1897 Rdn. 47).
Das Betreuungsrecht hat die frühere Vormundschaft über Volljährige und die Gebrechlichkeitspflegschaft abgelöst. Soweit es um die Entlassung eines Vormundes geht, entspricht es einhelliger Auffassung, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1886 BGB eine Verpflichtung des Gerichts zur Entlassung nur gegenüber dem Mündel besteht. Infolgedessen wird ein Beschwerderecht Dritter, auch der nach § 1779 Abs. 2 Satz 3 BGB bevorrechtigten nahen Verwandten, gegen die Ablehnung einer Entlassung nur unter den Voraussetzungen des – hier nicht anwendbaren – § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG angenommen, ein solches aus § 20 Abs. 1 FGG hingegen verneint (vgl. BayObLG OLGE 10, 33; KG JW 1935, 2157; OLG Bremen OLGZ 1968, 68, 69; OLG Schleswig JR 1949, 389; OLG Hamm FamRZ 1966, 46; Keidel/Kahl aaO § 20 Rdn. 77; Soergel/Damrau BGB 12. Aufl. § 1886 Rdn. 12 f). Da jeder Anhalt dafür fehlt, daß dies für die Betreuung anders geregelt werden sollte, liegt es nahe, den Grundsatz, daß eine Verpflichtung des Gerichts zur Entlassung des Vormunds nur im Verhältnis zum Mündel besteht, auf den entsprechenden Fall im Rahmen der Betreuung zu übertragen. Zwar wird in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 1908b BGB u.a. erwogen, daß ein Betreuerwechsel auch dann im Interesse des Betreuten liegen könne, wenn ein naher Verwandter, der zuvor wegen Krankheit oder aus anderen Gründen die Betreuung nicht hat übernehmen können, nunmehr zur Verfügung stehe (vgl. BT-Drucks. S. 153). Abgesehen davon, daß die generell zu beurteilende Beschwerdebefugnis nicht an einem derartigen Sonderfall des wichtigen Grundes für eine Entlassung ausgerichtet werden kann, geht es auch dabei letztlich um das Wohl des Betreuten. In diesem Bereich liegende Belange können aber im Beschwerdewege vom Betreuten selbst geltend gemacht werden, der nach § 66 FGG ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit und auch gegen den Willen eines gemäß § 67 FGG bestellten Verfahrenspflegers (vgl. Keidel/Kuntze aaO § 66 Rdn. 5) das Rechtsmittel einlegen kann.
Der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts, ein Beschwerderecht naher Angehöriger in Fällen der vorliegenden Art sei aus Art. 6 Abs. 1 GG abzuleiten, vermag der Senat nicht beizutreten. Die zum Beleg herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 33, 236, 239) betrifft eine Beschwerde gegen die erstmalige Bestellung eines Gebrechlichkeitspflegers; bei der entsprechenden Fallgestaltung in Betreuungssachen folgt, wie ausgeführt, die Beschwerdebefugnis naher Angehöriger schon aus § 69g Abs. 1 FGG. Der Begründung des Regierungsentwurfs zur Anhörungsvorschrift des § 68a FGG ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber verfassungsrechtliche Gesichtspunkte bedacht hat. Dort heißt es, daß bei Ehegatten, Eltern und Kindern eigene Rechte aus Art. 6 Abs. 1 GG ins Gewicht fielen, die durch Betreuungsmaßnahmen empfindlich betroffen werden könnten. Diese Rechte müßten mit den Belangen des Betroffenen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Art. 6 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG ließen Raum für die Erwägung, daß das Interesse auch enger Familienangehöriger an einer Beteiligung im Betreuungsverfahren dann zurücktreten müsse, wenn dies die Belange des Betroffenen beeinträchtige (vgl. BT-Drucks. aaO S. 174). Auf dieser Abwägung beruht die Regelung, daß in dem die Entlassung eines bestellten Betreuers betreffenden Verfahren die Anhörung naher Angehöriger des Betroffenen nicht vorgesehen ist; das folgt daraus, daß § 69i Abs. 7 FGG nicht auf § 68a Satz 3 FGG verweist (vgl. MünchKomm/Schwab 3. Aufl. § 1908b Rdn. 25). Daraus kann weiter abgeleitet werden, daß der Gesetzgeber – entsprechend den bei der Vormundschaft geltenden Grundsätzen – ein Beschwerderecht dieses Personenkreises gegen die Ablehnung einer Entlassung des Betreuers nicht gewollt hat, und zwar aus Gründen des Wohls des Betreuten. Der Differenzierung, daß ein Beschwerderecht bei der erstmaligen Bestellung des Betreuers zu bejahen ist, bei der Ablehnung von dessen Entlassung hingegen nicht, stehen hinreichende Sachgründe zur Seite. Ist ein Betreuer einmal bestellt, hat das in § 1897 Abs. 5 BGB statuierte Vorzugsrecht naher Angehöriger bei der Auswahl eines Betreuers an Gewicht verloren. Ein Betreuerwechsel hat sich in dieser Situation vornehmlich am Wohl des Betreuten zu orientieren, wobei es besonders auf Fragen der Eignung, der Kontinuitat der Betreuung und des persönlichen Verhältnisses zwischen Betreuer und Betreutem ankommt. Die Mehrzahl der Betroffenen sind ältere Menschen, deren familiäre Bindungen schon gelockert sein können. Soweit es darum geht, daß eine Heimpflege des Betreuten durch eine häusliche Pflege ersetzt werden soll, kann das auch durchgeführt werden, ohne daß der Angehörige, der die häusliche Pflege übernehmen will, die Rechtsstellung eines Betreuers erhält. Dazu kann das Gericht, soweit die häusliche Pflege dem Wohl des Betreuten entspricht, gegenüber dem bestellten Betreuer notfalls ein entsprechendes Weisungsrecht ausüben (§ 1837 i.V. mit § 1908i BGB). Erst wenn derartige Mittel versagen, soll nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit allgemein eine Entlassung des Betreuers ausgesprochen werden (vgl. BT-Drucks. aaO S. 153). Schließlich ist die Gefahr zu bedenken, daß bei Anerkennung eines Beschwerderechts in den hier erörterten Fällen wiederholte und dem Wohl des Betreuten abträgliche gerichtliche Auseinandersetzungen über die Betreuerauswahl entstehen können.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Zysk, Hahne, Gerber
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 157 |
NJW 1996, 1825 |
FGPrax 1996, 107 |
Nachschlagewerk BGH |
JuS 1996, 750 |