Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorschnelle Aufgabe von Übermittlungsversuchen bei Sendung von Telefaxschreiben
Leitsatz (amtlich)
Scheitert der Versuch, die Berufungsbegründung per Telefax an das Berufungsgericht zu übersenden, und lässt sich nicht ausschließen, dass der Grund hierfür ist, dass das Empfangsgerät mit anderen Telefaxsendungen belegt ist, darf der Berufungsführer seine Übermittlungsversuche nicht vorschnell aufgeben (im Anschluss an BGH Beschl. v. 11.1.2011 - VIII ZB 44/10 - juris).
Normenkette
ZPO §§ 233, 522 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 18.11.2010; Aktenzeichen 11 S 290/10) |
AG Köln (Entscheidung vom 04.06.2010; Aktenzeichen 145 C 266/09) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Köln vom 18.11.2010 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert: 3.988 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Verlustes verschiedener Kunstgegenstände in Anspruch.
Rz. 2
Das AG hat die Klage abgewiesen. Nachdem der Kläger hiergegen rechtzeitig Berufung eingelegt hatte, hat das LG antragsgemäß die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 13.9.2010 verlängert. Die Berufungsbegründung ist beim LG am 14.9.2010 eingegangen.
Rz. 3
Der Kläger hat seinen am 18.9.2010 beim LG eingegangenen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist damit begründet, dass eine Übersendung der Berufungsbegründung per Telefax am 13.9.2010 nicht möglich gewesen sei. Die Übermittlung habe um 16.28 Uhr per Telefax erfolgen sollen. Mit der Übersendung sei die Auszubildende seines Prozessbevollmächtigten betraut gewesen. Die Sendeprotokolle hätten den "Code 01: Teilnehmer antwortet nicht" ergeben. Da der Kontakt nicht zustande gekommen sei, habe die Auszubildende zweimal vergeblich versucht, beim LG anzurufen. Bei jedem dieser Anrufe sei zunächst das akustische Signal "alle Abrufplätze sind belegt" gekommen. Anschließend sei das Anrufzeichen ertönt, danach sei jedes Mal das Besetztzeichen ertönt. Sein Prozessbevollmächtigter sei davon ausgegangen, dass sowohl die Telefaxleitung als auch die Telefonleitung beim Empfänger "zusammengebrochen" sei bzw. dass jemand versucht habe, "mehrere hundert Seiten" per Telefax zu übersenden. Jedenfalls sei der Anschluss blockiert gewesen. Eine andere Möglichkeit, den Schriftsatz zu übermitteln, habe der Prozessbevollmächtigte gegen 17.30 Uhr nicht mehr gesehen.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe seine Sendeversuche nicht bereits um 17.30 Uhr einstellen dürfen, obwohl er nach eigenem Vorbringen nicht habe ausschließen können, dass das Empfangsgerät lediglich durch eine überlange Sendung blockiert gewesen sei. Er hätte daher in den verbleibenden Stunden bis 24.00 Uhr wiederholt versuchen können, das Schriftstück zu versenden.
II.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt, insb. eine Zulassung nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen und die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.
Rz. 6
1. Die Berufung war gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger sie entgegen § 520 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig begründet hat. Das LG hat die Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.9.2010 verlängert. Die Berufungsbegründung ist jedoch erst am 14.9.2010 beim LG eingegangen.
Rz. 7
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nicht ausgeschlossen werden kann.
Rz. 8
a) Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Partei muss die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft machen (§ 236 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offen bleibt, dass die Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war (Senatsbeschluss v. 18.3.1998 - XII ZB 144/97 - juris Rz. 5).
Rz. 9
Zwar weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass der Nutzer mit der Wahl einer Telefaxübertragung bei ordnungsgemäßer Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan hat, wenn er so rechtzeitig mit der Übertragung beginnt, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss vor 24.00 Uhr zu rechnen ist (BGH Beschlüsse v. 20.12.2007 - III ZB 73/07 - juris Rz. 4; v. 1.2.2001 - V ZB 33/00 - NJW-RR 2001, 916). Wird die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze durch Telefax durch ein Gericht eröffnet, dürfen die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf die Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Das gilt im Besonderen für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht. Denn in diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumung in der Sphäre des Gerichts (BGH Beschl. v. 11.1.2011 - VIII ZB 44/10 - juris Rz. 8).
10
Demgegenüber stellt die Belegung des Telefaxgerätes durch andere eingehende Sendungen keine technische Störung dar und ist daher grundsätzlich nicht als Wiedereinsetzungsgrund zu qualifizieren (vgl. BGH Beschl. v. 11.1.2011 - VIII ZB 44/10 - juris Rz. 9; BVerfG NJW 2007, 2838; BVerfG Beschl. v. 28.11.2007 - 1 BvR 2755/07 - juris Rz. 3; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 233 Rz. 52a; a.A. jedenfalls für den Fall, dass die Leitung bis zum Fristablauf nicht mehr frei wird, Roth NJW 2008, 785). Hierbei handelt es sich vielmehr um einen Umstand, dem der Absender zur Vermeidung eines Verschuldensvorwurfs durch geeignete Vorkehrungen, insb. durch Einplanung einer gewissen Zeitreserve, Rechnung tragen muss, um ggf. durch Wiederholung der Übermittlungsvorgänge einen Zugang des zu übermittelnden Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten. Es gereicht ihm deshalb zum Verschulden, wenn er seine Übermittlungsversuche vorschnell aufgibt und die für ihn nicht aufklärbare Ursache der Übermittlungsschwierigkeiten dem Empfangsgericht zuschreibt (BGH Beschl. v. 11.1.2011 - VIII ZB 44/10 - juris Rz. 9).
Rz. 11
b) Gemessen hieran hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zu Recht zurückgewiesen.
Rz. 12
aa) Dabei kann dahinstehen, ob ein Absender aus dem Umstand, dass nach mehrmaligem Wählen der Telefaxnummer jeweils ein Freizeichen zu vernehmen ist, auf einen Defekt des Empfangsgeräts schließen darf (vgl. dazu BGH Beschl. v. 11.1.2011 - VIII ZB 44/10 - juris Rz. 10). Denn nach dem Vortrag des Klägers, wonach möglicherweise jemand versucht habe, "mehrere hundert Seiten" per Telefax zu übersenden, ist es nicht ausgeschlossen, dass das Empfangsgerät des Gerichts tatsächlich durch andere eingehende Sendungen belegt war. Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegten Sendeberichte stehen dem nicht entgegen. Nach dem dort aufgeführten "Code 01: Teilnehmer antwortet nicht" ist es nicht ausgeschlossen, dass die Leitung besetzt war.
Rz. 13
bb) Demgegenüber lässt der Umstand, dass der wiederholte Versuch der Auszubildenden gescheitert war, mit der Posteingangsstelle des LG telefonisch Kontakt aufzunehmen, keinen sicheren Rückschluss darauf zu, dass das Telefaxgerät des Gerichts nicht benutzbar war, zumal die Telefonate nach 17.00 Uhr erfolgt waren, also zu einer Zeit, in der erfahrungsgemäß solche Stellen nicht mehr besetzt sind.
Rz. 14
cc) Soweit sich die Rechtsbeschwerde auf den vom Kläger erstmals in seiner - später zurückgenommenen - Gehörsrüge gehaltenen Vortrag beruft, wonach sein Prozessbevollmächtigter selbst kurz nach 19.00 Uhr vergeblich bei der Telefonzentrale des LG angerufen hat, kann dahinstehen, ob dieser Vortrag überhaupt zu berücksichtigen ist. Jedenfalls wäre ein solcher Anruf aus den oben genannten Gründen nicht ausreichend, ein Verschulden auszuschließen. Vielmehr hätte auch der Prozessbevollmächtigte selbst versuchen müssen, die Berufungsbegründung per Telefax an das Gericht zu übersenden. Ob von ihm im Rahmen des § 233 ZPO verlangt werden kann, diese Versuche ggf. bis 24.00 Uhr fortzusetzen, kann dahinstehen. Denn jedenfalls liegt in dem Umstand, dass der letzte Übermittlungsversuch per Telefax vor 17.30 Uhr erfolgt war, ein vorschnelles Aufgeben im oben genannten Sinne.
Fundstellen
Haufe-Index 2692317 |
DB 2011, 1333 |
DB 2011, 6 |