Normenkette
BtMG §§ 29, 29a; StGB §§ 52-53
Verfahrensgang
LG Hannover (Entscheidung vom 03.12.2021; Aktenzeichen 70 KLs 11/21) |
Tenor
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 3. Dezember 2021 gewährt (§ 44 Satz 1, § 45 StPO).
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass er wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, verurteilt wird; die für Fall II.2.2 verhängte Einzelstrafe entfällt.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Das auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Den Verfahrensbeanstandungen bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausgeführten Gründen der Erfolg versagt.
Rz. 3
2. Die auf die Sachrüge hin gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils führt zur Korrektur des Schuldspruchs, weil die Feststellungen lediglich sechs selbständige Taten des Angeklagten belegen; im Übrigen hat sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Rz. 4
a) Das Landgericht hat in den Fällen II.2.1 und II.2.2 der Urteilsgründe folgende Feststellungen getroffen:
Rz. 5
Der Angeklagte bestellte am 6. April 2020 für sich und den „EncroChat“-Nutzer „c. “ bei seinem Lieferanten fünf Kilogramm Marihuana der Sorte „Kush“, davon waren drei Kilogramm für den gewinnbringenden Weiterverkauf des Angeklagten und zwei Kilogramm für einen solchen durch „c. “ bestimmt. Das Marihuana wurde am frühen Nachmittag desselben Tages an den Angeklagten ausgeliefert; zwei Kilogramm übergab er sodann auf Geheiß von „c. “ dessen Abnehmer. Schon zuvor um 11:05 Uhr hatte der Angeklagte zwei Kilogramm von den für ihn bestimmten Rauschmitteln an den „EncroChat“-Nutzer „d. “ weiterverkauft. Die Übergabe an diesen erfolgte am selben Tag gegen 19:20 Uhr (Fall II.2.1). Im Zuge dessen übergab der Angeklagte weitere 250 Gramm Marihuana der Sorte „Haze“, die noch in seinem Bestand vorhanden waren und die er um 18:52 Uhr mittels Chat an „d. “ verkauft hatte (Fall II.2.2).
Rz. 6
Das Landgericht hat die Fälle II.2.1 (zwei Jahre Freiheitsstrafe) und II.2.2 (ein Jahr und vier Monate Freiheitsstrafe) rechtlich jeweils als selbständige Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) bewertet, davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Rz. 7
b) Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 8
aa) Das Landgericht ist auf der Grundlage seiner rechtsfehlerfreien Feststellungen im Ausgangspunkt zutreffend von zwei Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgegangen. Denn eine Bewertungseinheit ist hier nicht gegeben. Zwar werden sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712; vom 28. Mai 2018 - 3 StR 88/18, NStZ 2020, 42). Dabei ist jedoch entscheidend, dass sich die Bemühungen des Täters auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 1997 - 3 StR 586/96, NStZ 1997, 344). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Betäubungsmittel weder aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 2 StR 619/07, NStZ 2008, 470) noch zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint wurden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2012 - 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121, 122; vom 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10 Rn. 5). Auch der bloße gleichzeitige Besitz zweier aus verschiedenen Liefervorgängen stammender Handelsmengen vermag zwei selbständige Fälle des Handeltreibens nicht zu einer Bewertungseinheit im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zu verbinden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. April 2015 - 3 StR 642/14; Beschlüsse vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712; vom 28. Mai 2018 - 3 StR 88/18, NStZ 2020, 42).
Rz. 9
bb) Dem Landgericht ist allerdings aus dem Blick geraten, dass der Angeklagte gleichzeitig Betäubungsmittel aus unterschiedlichen Vorräten übergab. Dies führt jedenfalls zu einer Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen und verknüpft so die Fälle II.2.1 und II.2.2 zur Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10; vom 16. September 2014 - 3 StR 413/14; vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 8).
Rz. 10
c) Der auf eine entsprechende Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO gestützten Änderung des Schuldspruchs steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte auch bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Wegfall der für Fall II.2.2 verhängten Strafe (§ 349 Abs. 4 StPO) lässt hier den Ausspruch über die Gesamtstrafe unberührt. Der Senat kann namentlich mit Blick auf die in den Fällen II.1 und II.5 verhängten Strafen von zwei Jahren und vier Monaten und drei Jahren ausschließen, dass die Strafkammer ohne die entfallende Strafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal die Bewertung des Konkurrenzverhältnisses den Unrechts- und Schuldgehalt regelmäßig nicht berührt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 25. Juni 2019 - 3 StR 130/19 Rn. 9 mwN).
Rz. 11
3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise zu entlasten.
Sander |
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Feilcke |
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RiBGH Dr. Tiemann ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. |
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Sander |
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Wenske |
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von Schmettau |
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Fundstellen
Haufe-Index 15287459 |
NJW 2022, 3373 |