Verfahrensgang

OLG Hamm (Beschluss vom 12.02.1998)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. Februar 1998 (nicht: 1997) wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Wert: 600 DM.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wurde am 23. August 1983 während der im Jahre 1987 geschiedenen Ehe des Beklagten geboren. Das Sorgerecht für den Kläger wurde bei der Scheidung der Mutter übertragen. Anläßlich der Scheidung trafen die Eheleute am 25. Juni 1986 eine notarielle Vereinbarung, in der sich der Beklagte u.a. zu Unterhaltszahlungen von monatlich 500 DM für den Kläger verpflichtete; für den Fall einer Unterhaltsabänderung sollte „jeweils Unterhalt in gesetzlicher Höhe nach den gerichtsgebräuchlichen Tabellen geschuldet sein”. Dem Beklagten war bei Abschluß der Vereinbarung bekannt, daß er nicht der Erzeuger des Klägers war. Eine von ihm im Frühjahr 1994 erhobene Klage auf Feststellung der Nichtehelichkeit des Klägers wurde wegen Nichteinhaltung der Frist des § 1594 BGB abgewiesen.

Ab März 1997 stellte der Beklagte seine Unterhaltszahlungen für den Kläger ein. Dieser nimmt den Beklagten im Wege der Stufenklage zunächst auf Auskunft über seine Einkommensverhältnisse in Anspruch, um den ihm gebührenden Unterhalt nach Maßgabe der Tabellensätze berechnen zu können. Der Beklagte hält sich nicht für verpflichtet, dem Kläger weiterhin Unterhalt zu zahlen und zu diesem Zweck die begehrte Auskunft zu erteilen. Er macht geltend, ihm sei bei Abschluß der notariellen Vereinbarung nicht bekannt gewesen, wer der Erzeuger des Klägers sei. Inzwischen sei der leibliche Vater bekannt; der Kläger pflege persönlichen Umgang mit ihm und könne ihn auf Unterhalt in Anspruch nehmen.

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat den Beklagten antragsgemäß in der ersten Stufe zur Auskunftserteilung verurteilt. Gegen das Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Nach Festsetzung des Streitwerts für die Berufung auf 600 DM durch Beschluß vom 20. Januar 1998 hat das Oberlandesgericht die Berufung durch Beschluß vom 12. Februar 1997 (richtig: 1998) als unzulässig verworfen, da die Berufungssumme des § 511 a ZPO nicht erreicht sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen.

1. Nach § 511 a Abs. 1 ZPO ist die Berufung unzulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.500 DM nicht übersteigt. Richtet sich die Berufung gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft und zur Vorlage von Unterlagen, so bemißt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, sowie gegebenenfalls nach einem etwaigen besonderen Geheimhaltungsinteresse des zur Auskunft Verurteilten (BGH Großer Senat für Zivilsachen BGHZ 128, 85).

2. Das Berufungsgericht hat in seinem Streitwertbeschluß vom 20. Januar 1998 zutreffend ausgeführt, daß der Aufwand, der für den Beklagten mit der Vorbereitung und Erteilung der Auskunft verbunden sei, sehr gering zu bewerten sei. Das wird auch von der sofortigen Beschwerde nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

3. Die sofortige Beschwerde macht jedoch geltend: Im vorliegenden Fall müsse eine ausreichende Beschwer des Beklagten unabhängig von der konkreten Bezifferung bereits deshalb bejaht werden, weil die Anfechtung der unstreitig nicht bestehenden Vaterschaft des Beklagten lediglich an der nach Auffassung des Beklagten verfassungswidrigen Gesetzesregelung des § 1594 BGB gescheitert sei. Der Beklagte sei von der Mutter des Klägers dahingehend falsch informiert worden, daß sie nicht wisse, wer der Vater des Klägers sei. Tatsächlich sei dieser von vorneherein bekannt gewesen. Weil dies dem Beklagten verschwiegen worden sei, habe er zunächst die Ehelichkeit des Klägers nicht angefochten. Vor diesem Hintergrund seien die Regelungen der §§ 1593, 1594 BGB verfassungswidrig und verletzten den Beklagten in seinen Grundrechten aus Art. 2 i.V.m. Art. 1 GG. Unter den gegebenen besonderen Umständen müsse eine Unterhaltspflicht und folglich auch eine Auskunftspflicht des Beklagten von vorneherein ausscheiden und eine Beschwer auch unabhängig von dem konkreten Aufwand für die Auskunftserteilung jedenfalls bejaht werden.

4. Dem kann nicht gefolgt werden.

Soweit die sofortige Beschwerde mit dem Argument, der Beklagte solle „als bloßer Scheinvater dem mit ihm nicht verwandten Kläger Informationen zu seinem Einkommen erteilen”, etwa ein besonderes Geheimhaltungsinteresse – als Bestandteil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts – ansprechen will, wäre ein solches Interesse zu verneinen. Denn es geht dem Beklagten nicht darum, wegen der besonderen Art der verlangten Auskünfte von deren Erteilung und damit von der Offenbarung bestimmter „sensibler” Informationen befreit zu werden. Er stellt vielmehr letztlich seine Unterhaltspflicht nach §§ 1601, 1603 Abs. 2 BGB und nur im Zusammenhang hiermit die Auskunftspflicht nach § 1605 BGB in Frage. Das hierdurch berührte finanzielle Interesse bleibt indessen bei der Wertbemessung außer Betracht, weil es durch die Verurteilung zur Auskunft, die für den Grund des Hauptanspruchs keine Rechtskraft schafft, nicht beeinflußt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 3. Februar 1988 – IVb ZB 205/87 und vom 25. Januar 1995 – XII ZB 157/94 = BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 4 und 29).

Im übrigen sind die von der sofortigen Beschwerde geltend gemachten Gründe aber auch nicht zutreffend.

Da der Beklagte die Anfechtungsfrist des § 1594 BGB nicht gewahrt hat, ist er – sowohl im öffentlichen als auch im privaten Interesse des Klägers, dessen rechtliche Stellung als eheliches Kind durch § 1593 BGB geschützt werden soll – gehindert, irgendwelche Rechtsfolgen aus der nichtehelichen Abstammung des Klägers herzuleiten. Die Interessen des Klägers und das öffentliche Interesse haben insoweit Vorrang vor den Interessen des Beklagten als Scheinvater an einer Befreiung von der Unterhaltspflicht gegenüber dem Kläger (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 99, 236, 240, 241 m.w.N.). Die Gründe, aus denen der Beklagte nach seinem – allerdings entgegen § 511 a Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht glaubhaft gemachten – Vortrag die Wahrung der Anfechtungsfrist nach § 1594 BGB versäumt hat, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Interessen des Scheinvaters sind, auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, hinreichend dadurch gewahrt, daß er die Ehelichkeit eines Kindes innerhalb von zwei Jahren nach Kenntniserlangung von den für die Nichtehelichkeit sprechenden Umständen anfechten kann. Innerhalb dieser Frist kann von dem Scheinvater eine endgültige Entscheidung darüber erwartet werden, ob er die Ehelichkeit des Kindes anfechten will oder nicht, einschließlich der Überlegungen, wie sich seine Entschließung für die Beteiligten, also für die Mutter des Kindes, für dieses und für ihn, den Scheinvater, selbst auswirken wird (vgl. BVerfGE 38, 241, 253). Da die Anfechtungsklage allein der Klärung der Abstammung des Kindes von dem anfechtenden Scheinvater dient (vgl. Senatsbeschluß vom 23. März 1988 – IVb ZB 100/87 = BGHR BGB § 1593 Umgangsrecht 1), spielt die Person des tatsächlichen Erzeugers im Zusammenhang mit der Wahrung der Frist des § 1594 BGB keine maßgebliche Rolle. Auch wenn dieser dem Scheinvater – was nicht selten der Fall sein dürfte – nicht bekannt ist, richtet sich der Beginn der Anfechtungsfrist nach dem Zeitpunkt, von dem an der Scheinvater Kenntnis von den Umständen erlangt, die gegen seine (eigene) Vaterschaft sprechen.

Ob der Beklagte von der Mutter des Klägers etwa durch Täuschung darüber, daß sie nicht wisse, wer der Erzeuger sei, an der rechtzeitigen Erhebung einer Anfechtungsklage gehindert worden ist, berührt die Rechtsbeziehungen zwischen ihm und dem Kläger einschließlich der Unterhaltsverpflichtung nach §§ 1601 ff. BGB nicht und kann dem Kläger demzufolge nicht entgegengehalten werden.

 

Unterschriften

Blumenröhr, Krohn, Gerber, Sprick, Weber-Monecke

 

Fundstellen

Haufe-Index 1383892

FamRZ 1998, 1577

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