Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 05.11.2007) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 5. November 2007 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Vollziehung von einem Jahr und neun Monaten der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet wird.
Der Angeklagte hat die Kosten seiner Revision und die der Nebenklägerin durch dieses Rechtsmittel im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch, zum Strafausspruch, zum Maßregelausspruch und hinsichtlich des Ausspruchs, dass ein Teil der verhängten Strafe vor der Unterbringung in der Entziehungsanstalt zu verhängen ist, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Hinsichtlich der Dauer des Vorwegvollzugs kann die Entscheidung des Landgerichts, bei der es sich am Zeitpunkt einer möglichen Zweidrittelentlassung orientiert hat, indes nicht bestehen bleiben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Rz. 2
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 8. April 2008 Folgendes ausgeführt:
„1) Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in der am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327 ff.; im folgenden n.F.) soll das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Eine abweichende Entscheidung zur Vollstreckungsreihenfolge ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eher die Erreichung eines Therapieerfolgs erwarten lässt (vgl. Fischer, StGB 55. Auflage § 67 Rdn. 10, 12 m.w.N.). Liegen – wie hier – keine Gründe vor, die gegen eine Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr. Dieser Teil ist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB n.F. so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Erledigung der Hälfte der Strafe gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist (vgl. Senat Beschluss vom 8. Januar 2008 – 1 StR 644/07).
2) Das Landgericht hat – sachverständig beraten – eine für eine Therapie erforderliche Dauer der Unterbringung von sechs Monaten zugrunde gelegt, so dass die Dauer des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB n.F. ebenfalls auf ein Jahr und neun Monate festzusetzen ist. Nach dessen Vollstreckung und einer sechs Monate dauernden Unterbringung ist mit zwei Jahren und drei Monaten die Hälfte der verhängten, sich insgesamt auf vier Jahre und sechs Monate belaufenden Freiheitsstrafe erledigt (vgl. BGH Beschluss vom 15. November 2007 – 3 StR 390/07).
3) Die so berechnete Dauer des Vorwegvollzugs beantrage ich analog § 354 Abs. 1 StPO festzusetzen (vgl. BGH Beschluss vom 15. November 2007 – 3 StR 390/07). Das Revisionsgericht ist – verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG NStZ 2001, 187, 188; Beschluss vom 1. März 2000 – 2 BvR 2049/99) – nicht nur in den in § 354 Abs. 1 StPO bezeichneten Fällen, sondern auch bei vergleichbaren Sachverhalten berechtigt, in der Sache selbst zu entscheiden und Fehler des Tatrichters bei der Anwendung der Gesetze zu korrigieren, wenn eine solche Entscheidung ohne Änderung oder Ergänzung der tatrichterlichen Feststellungen getroffen werden kann und keine dem Tatrichter vorbehaltenen Wertungen oder Beurteilungen enthält. Da vorliegend der Strafausspruch keinen Rechtsfehler aufweist und die zur Therapie erforderliche Dauer der Unterbringung rechtsfehlerfrei von der sachverständig beratenen Kammer festgestellt worden ist (vgl. hierzu Senat Beschluss vom 12. Februar 2008 – 1 StR 657/07), handelt es sich bei der Bemessung der Dauer des Vorwegvollzugs um einen auf den unter 1) aufgezeigten zwingenden Vorgaben des § 67 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 StGB n.F. beruhenden reinen Rechenvorgang. Jedwede Beeinträchtigung von Rechten des Angeklagten dadurch, dass das Revisionsgericht die Dauer des Vorwegvollzugs selbst feststellt, ist ausgeschlossen. Vielmehr wird durch diese Vorgehensweise eine überflüssige, den Belangen der Rechtspflege sowie dem Beschleunigungsgebot zuwider laufende Verlängerung des Verfahrens und der auf den Vorwegvollzug anzurechnenden Untersuchungshaft (vgl. Fischer, StGB 55. Auflage § 67 Rdn. 9 m.w.N.) vermieden, die im Falle einer Zurückverweisung und Entscheidung erst nach neuer Hauptverhandlung eintreten würde.”
Rz. 3
Dem tritt der Senat bei und entscheidet deshalb wie vom Generalbundesanwalt beantragt.
Rz. 4
Der geringe Teilerfolg der Revision gibt keinen Anlass, den Angeklagten von einem Teil der Kosten seines Rechtsmittels zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Wahl, Boetticher, Kolz, Hebenstreit, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2560297 |
R&P 2008, 232 |