Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 19.09.2023; Aktenzeichen 613 KLs 11/23)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19. September 2023

a) in den Fällen II.5 und II.9 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte jeweils des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist, und

b) aufgehoben

aa) in den Fällen II.7 und II.10 der Urteilsgründe mit den Feststellungen,

bb) in den Fällen II.5 und II.9 in dem Ausspruch über die Einzelstrafen,

cc) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,

dd) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit diese einen Betrag von 6.311,15 Euro   übersteigt.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen und wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition (Fall II.10) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Rz. 2

1. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt in den Fällen II.5 und II.9 zur Änderung des Schuldspruchs.

Rz. 3

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der Angeklagte in beiden Fällen jeweils mit 1 kg Cannabis (Wirkstoffgehalt 15 % THC und 5 % THC).

Rz. 4

b) Der jeweilige Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kann keinen Bestand haben. Denn am 1. April 2024 ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109), was der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen hat; nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis nicht mehr dem BtMG, sondern allein dem - milderen - KCanG (BGH, Beschluss vom 24. April 2024 - 5 StR 136/24; vgl. insoweit zur nicht geringen Menge und zur Tenorierung BGH, Beschluss vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24). Das vom Landgericht insoweit festgestellte Tatgeschehen ist nunmehr als Handeltreiben mit Cannabis (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) zu würdigen. Dass sich die Taten auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN).

Rz. 5

Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

Rz. 6

c) In den von der Schuldspruchänderung betroffenen Fällen haben die Einzelstrafen keinen Bestand, weil der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 KCanG gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG milder ist. Der Wegfall der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

Rz. 7

Die Feststellungen zu den Strafaussprüchen sind von der Aufhebung nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und gegebenenfalls durch solche ergänzt werden, die zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehen.

Rz. 8

2. Auch die Schuldsprüche in den Fällen II.7 und II.10 halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rz. 9

a) Im Fall II.7 vermittelte der Angeklagte nach den Feststellungen ein Drogengeschäft über 10 kg Amphetamin, nahm den Kaufpreis entgegen und übergab diesen an den Verkäufer; einen Vermittlungslohn erhielt der Angeklagte nicht.

Rz. 10

Diese Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Ein solches Handeltreiben setzt eine eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit voraus (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256, 262). Es handelt derjenige eigennützig, der von einem Streben nach Gewinn geleitet wird oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder - objektiv messbar - immateriell bessergestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. Februar 2023 - 4 StR 507/22, NStZ-RR 2023, 210, 211 mwN).

Rz. 11

Hier lässt sich indessen auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen, dass der ohne Aussicht auf Provision tätig gewordene Angeklagte in Erwartung eines sonstigen persönlichen Vorteils gehandelt hätte.

Rz. 12

b) Im Fall II.10 trug der Angeklagte nach den Feststellungen - wie er wusste - ohne waffenrechtliche Erlaubnis auf öffentlicher Straße eine ungeladene Selbstladepistole. Diese war nur eingeschränkt schussfähig, weil beim vom Sachverständigen durchgeführten Funktionsbeschuss nur eine von vier in das Magazin geladenen Patronen störungsfrei verfeuert werden konnte; zudem habe „die Magazinsicherung sowie die Mechanik der Spann-/Entspannhebelvorrichtung nicht funktioniert“.

Rz. 13

Diese Feststellungen belegen nicht die Strafbarkeit wegen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe im Sinne von § 52 Abs. 1 Nr. 2b WaffG. Es bleibt unklar, ob der beschriebene Mangel die Halbautomatik betraf und es sich bei der Waffe daher nur um eine Schusswaffe im Sinne der eine mildere Strafe androhenden Regelung von § 52 Abs. 3 Nr. 2a WaffG handelte.

Rz. 14

3. Die Einziehungsentscheidung nach §§ 73, 73c StGB hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand, weil die Feststellungen lückenhaft sind.

Rz. 15

Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte durch die abgeurteilten Taten insgesamt 11.500 Euro erlangt hat (§ 73 Abs. 1 StGB) und dass das bei ihm aufgefundene Bargeld von 5.188,85 Euro - auf dessen Herausgabe der Angeklagte verzichtet hat - nicht aus den abgeurteilten Taten stammte. Handelte es sich um legales Vermögen des Angeklagten, hätte der Verzicht dazu geführt, dass der staatliche Zahlungsanspruch nach § 73c StGB in Höhe des Betrages erloschen und die Einziehung des Wertes des Tatertrages insoweit ausgeschlossen wäre. Angesichts des allein festgestellten Bezuges von Arbeitslosengeld kommt aber in Betracht, dass der Angeklagte dieses Bargeld durch oder für andere rechtswidrige Taten im Sinne des § 73a StGB erlangt hatte; dann bliebe die angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen von dem Verzicht unberührt.

Rz. 16

4. In den Fällen II.7 und II.10 hat der Senat die Feststellungen aufgehoben, um dem neuen Tatgericht rechtsfehlerfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Im Übrigen werden die Feststellungen von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

Gericke   

Köhler   

Resch

von Häfen        

RiBGH Prof. Dr. Werner ist

urlaubsbedingt gehindert

zu unterschreiben.

Gericke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16325846

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