Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 06.12.2016) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 6. Dezember 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 30 Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen. Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils weisen wie auch die Einziehungsentscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 3
2. Das Urteil kann jedoch nicht bestehen bleiben, soweit die Strafkammer von der Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.
Rz. 4
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte in den Jahren 2007 bis 2010 obdachlos und hat während dieser Zeit Alkohol getrunken und Drogen (Cannabis, Amphetamin) konsumiert. Der Obdachlosigkeit ist er mit Hilfe seines Bewährungshelfers entkommen; er wohnt seit Mitte des Jahres 2016 in einem Übergangswohnheim für Obdachlose. Die Strafkammer geht auf Grund der Angaben des Angeklagten davon aus, dass er noch gelegentlich Betäubungsmittel konsumiert, überwiegend Amphetamin, aber auch Cannabis und LSD. Für den Tatzeitraum zwischen Januar und November 2014 stellt das Landgericht fest, dass der Angeklagte täglich 2 bis 3 Gramm Amphetamin zu sich genommen habe, wobei bereits eine gewisse Gewöhnung an die Substanz eingetreten sei und diese Menge nur noch eine geringe Wirkung zeige.
Rz. 5
a) Die Strafkammer hat einen Hang im Sinne des § 64 StGB mit der Erwägung verneint, bei dem Angeklagten liege eine bloße Neigung vor, alkoholische Getränke und auch Betäubungsmittel zu sich zu nehmen, aber kein Hang, da es an handlungsleitenden Auswirkungen des Rauschmittelmissbrauchs fehle. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
Das Landgericht geht von einem zu engen Verständnis des Begriffs des Hangs aus. Angesichts der Feststellungen der Strafkammer zum Konsumverhalten des Angeklagten liegt es nahe, dass bei ihm noch immer eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung gegeben ist, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 246). Es ist angesichts der Lebensumstände des Angeklagten auch davon auszugehen, dass er – wie es die Rechtsprechung darüber hinaus verlangt – aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint, wovon beim Vorliegen von Beschaffungskriminalität – wie hier – ausgegangen werden kann (vgl. BGH StV 2008, 76). Dass sich gegenüber dem Tatzeitraum im Jahre 2014 trotz der Lösung aus dem Obdachlosenmilieu eine durchgreifende Änderung des Einflusses von Betäubungsmitteln auf den Angeklagten ergeben hätte, lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht entnehmen.
Rz. 7
b) Das Landgericht hat die Erfolgsaussichten einer Therapie mit der Erwägung verneint, der Angeklagte konsumiere seit über neun Jahren mehr oder wenig häufig Alkohol und Betäubungsmittel. Einer ihm mit Beschluss aus dem Jahre 2010 auferlegten stationären Drogen- und Alkoholtherapie habe er mehr als sechs Jahre später noch keine Folge geleistet, was seine Weigerung an der ernsthaften Teilnahme an einer Therapie eindrucksvoll belege. Diese Verneinung der Erfolgsaussicht, mag sie noch belegen, dass es angesichts einer Therapieunwilligkeit des Angeklagten aktuell an der konkreten Erfolgsaussicht fehlt, greift zu kurz und ist deshalb rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Das Landgericht hätte sich schon angesichts des Umstands, dass der Angeklagte, wenn auch unter dem Eindruck der bevorstehenden Hauptverhandlung, drei Mal ein Suchthilfezentrum aufgesucht hatte, mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob eine Therapiebereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung geweckt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 2 StR 180/09).
Rz. 8
c) Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5; BGH NStZ-RR 2008, 107). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
Unterschriften
Krehl, Eschelbach, Bartel, Grube, Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 10966306 |
StraFo 2017, 376 |