Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 06.02.2004) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Limburg (Lahn) vom 6. Februar 2004 – auch hinsichtlich des Angeklagten R. – mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen Falschbeurkundung im Amt zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen beurkundete der als Rechtsanwalt und Notar tätige Angeklagte auf Veranlassung des Mitangeklagten Werner R. am 1. Juli 1999 einen Gesellschaftsvertrag zwischen dem Mitangeklagten und dessen Sohn Thomas R. über die Gründung einer GmbH. In der notariellen Urkunde stellte der Angeklagte fest, daß die genannten Personen vor ihm erschienen und daß sie ihm jeweils von Person bekannt seien.
Tatsächlich nahm der geistig behinderte Sohn des Mitangeklagten an dem Termin nicht teil; er befand sich aufgrund eines schweren Schädel-Hirn-Traumas zum Zeitpunkt der Beurkundung in intensivmedizinischer stationärer Behandlung. Die Beurkundung fand entweder in der Kanzlei des Angeklagten oder in einem Pkw im Hof der Kanzlei statt. Außer dem Angeklagten nahm daran entweder nur der Mitangeklagte Werner R. oder dieser und der – inzwischen verstorbene – G. D. oder eine andere dritte Person teil, die als Thomas R. auftrat. Die Urkunde wurde daher nicht von Thomas R., sondern entweder von seinem Vater oder von der dritten Person mit verstellter Schrift unterzeichnet.
Das Landgericht konnte nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, welche der genannten Sachverhaltsvarianten vorlag. Es konnte ebenfalls nicht feststellen, ob dem Angeklagten für den Fall, daß eine dritte Person erschienen war, bewußt war, daß es sich bei dieser Person nicht um Thomas R. handelte, oder ob er dies irrig annahm; der Tatrichter hat daher letzteres zu Gunsten des Angeklagten angenommen. Die Verurteilung wegen Falschbeurkundung im Amt hat das Landgericht auf die Feststellung gestützt, der Angeklagte habe gewußt, daß er die Identität der möglicherweise als Thomas R. auftretenden Person nicht wie von ihm beurkundet aufgrund eigener Bekanntschaft festgestellt habe; er habe daher vorsätzlich der Wahrheit zuwider beurkundet, sich über die Identität des Thomas R. pflichtgemäß Gewißheit verschafft zu haben.
2. Auf diese Feststellungen konnte der Schuldspruch wegen Falschbeurkundung im Amt gemäß § 348 Abs. 1 StGB nicht gestützt werden. Dies würde, wie das Landgericht im Grundsatz nicht verkannt hat, voraussetzen, daß sich die inhaltlich unrichtige Beurkundung auf eine Tatsache bezieht, die in der Urkunde mit Beweiswirkung für und gegen jedermann festgestellt wird (ständ. Rspr.; vgl. BGHSt 22, 201, 203; 37, 207, 209; 44, 186, 187; 47, 39, 41 f.). Dazu gehören insbesondere solche Tatsachen, deren Angabe gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist; in der Regel nicht dagegen solche Tatsachen, die weder nach dem Gesetz noch nach anderen Vorschriften zwingend anzugeben sind und deren unwahre Kundgabe die Wirksamkeit der Beurkundung nicht berührt (Senatsurteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 88/01 = BGHSt 47, 39, 42).
a) Die Feststellung, auf welche Weise der Notar sich Gewißheit über die Identität der Beteiligten verschafft hat, gehört – anders als die Identität der Personen selbst – nicht zu den rechtlich erheblichen Tatsachen im Sinne von § 348 Abs. 1 Satz 1 StGB.
Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BeurkG soll sich aus der Niederschrift ergeben, ob der Notar die Beteiligten kennt oder wie er sich Gewißheit über ihre Person verschafft hat. Selbst wenn der Notar sich diese Gewißheit nicht verschaffen kann, ist die Niederschrift auf Verlangen der Beteiligten aufzunehmen; in diesem Fall soll gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 BeurkG der Notar den Sachverhalt in der Niederschrift angeben. Hieraus folgt, daß noch nicht einmal der Umstand, daß der Notar sich über die Identität der erschienenen Personen nicht sicher ist, zwingend in die Niederschrift aufzunehmen ist. Dann kann aber, wenn er – wie hier unterstellt – subjektive Gewißheit über die Identität tatsächlich erlangt hat, nicht mit Beweiskraft für und gegen jedermann beurkundet sein, ob er die Person kannte, ob ihm ein Personaldokument vorgelegt wurde oder ob er sich die Gewißheit auf irgendeine andere Weise verschafft hat. Dagegen spricht auch die Irrtumsanfälligkeit dieser Feststellungen.
b) Dies hat das Landgericht nicht zutreffend gesehen. Es hat ausgeführt, die Bedeutung der Identitätsfeststellung erfordere es, die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde „auf die pflichtgemäße Überprüfung der Identität der Beteiligten” zu erstrecken (UA S. 35). Diese Erwägung läßt die kaum lösbare Verbindung zwischen Identitätsprüfung und subjektiver Vorstellung von der Identität außer Betracht: Wenn, wie das Landgericht hier – entgegen einer Vielzahl von Indizien – unterstellt hat, der Notar subjektiv davon überzeugt ist, die Identität einer erschienenen Person zu kennen, so könnte sich sein Vorsatz allenfalls dann auf eine pflichtwidrige Gewinnung dieser Überzeugung beziehen, wenn die Identitätsfeststellung bestimmten formalen Regeln zu folgen hätte. Das ist aber nicht der Fall. Davon geht auch das Landgericht inzident aus: Wenn der Angeklagte den Thomas R. weder persönlich kannte noch sich einen Ausweis vorlegen ließ, so muß er seine Überzeugung, es handele sich bei der erschienenen Person um Thomas R., auf andere, im Urteil nicht genannte Weise gewonnen haben. Nach dem Zusammenhang der Feststellungen drängt sich die Annahme auf, daß der Mitangeklagte Werner R. die – möglicherweise – erschienene dritte Person als seinen Sohn vorstellte. Dies könnte aber grundsätzlich zur Identitätsfeststellung ausreichen und auch die Feststellung rechtfertigen, der Erschienene sei dem Notar „von Person bekannt”. Da der Angeklagte den Mitangeklagten Werner R. persönlich seit langem kannte und dieser das Erscheinen seines Sohnes – möglicherweise – angekündigt hatte, könnte dies auch die Aufnahme der Formulierung in die vorbereitete Urkunde erklären.
Das angefochtene Urteil äußert sich hierzu nicht und läßt daher im Ergebnis offen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die – nach den im übrigen festgestellten Umständen eher fern liegende – Annahme beruht, der Angeklagte sei, wenn denn überhaupt eine dritte Person an dem unter dubiosen Umständen durchgeführten Beurkundungstermin teilnahm, hinsichtlich ihrer Identität gutgläubig gewesen. Mit dieser gleichsam „in der Luft” hängenden Unterstellung zugunsten des Angeklagten hat sich das Landgericht aber zugleich die tatsächlichen Grundlagen für die Verurteilung entzogen, denn wenn der Angeklagte sicher war, die erschienene Person sei Thomas R., so mußte er diese Gewißheit in irgendeiner – von ihm als ausreichend angesehenen – Weise gewonnen haben; in diesem Fall konnte er aber nicht zugleich annehmen, sich diese Gewißheit nicht pflichtgemäß verschafft zu haben.
c) Soweit der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen hat, die Beweiskraft der notariellen Urkunde beziehe sich auch auf die Personenidentität der Erklärenden, so trifft dies den hier vorliegenden Sachverhalt nicht, denn hinsichtlich der unzweifelhaft objektiv falsch beurkundeten Identität der Person handelte der Angeklagte nicht vorsätzlich.
3. Eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1 StPO kommt nicht in Betracht, weil neue Feststellungen möglich sind, welche eine Verurteilung nach § 348 Abs. 1 StGB tragen. Das wäre offensichtlich der Fall, wenn sich in der neuen Verhandlung herausstellte, daß eine dritte Person nicht anwesend war, aber auch dann, wenn der neue Tatrichter unter zusammenfassender Würdigung der Beweisanzeichen zur Feststellung gelangen würde, der Angeklagte habe zumindest billigend in Kauf genommen, daß die – möglicherweise – erschienene Person nicht Thomas R. war.
4. Die Aufhebung war gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten Werner R. zu erstrecken. Diesen hat das Landgericht wegen Urkundenfälschung, wahlweise Anstiftung zur Urkundenfälschung, in Tateinheit mit versuchter mittelbarer Falschbeurkundung, wahlweise Beihilfe zur Falschbeurkundung im Amt, unter Einbeziehung von fünf Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt.
Die Verurteilung wegen Urkundenfälschung oder Anstiftung zur Urkundenfälschung ist von dem Rechtsfehler, der zur Aufhebung des Urteils gegen den Angeklagten L. führt, zwar nicht berührt. Dagegen liegt der tateinheitlichen Verurteilung wegen versuchter mittelbarer Falschbeurkundung oder Beihilfe zur Falschbeurkundung im Amt dieselbe rechtsfehlerhafte Ansicht zugrunde, die Methode der Feststellung der Personenidentität sei eine rechtlich erhebliche Tatsache im Sinne von § 348 Abs. 1 StGB. Wegen des tateinheitlichen Zusammenhangs war die Verurteilung des nicht revidierenden Angeklagten Werner R. daher im Wege der Erstreckung gemäß § 357 StPO insgesamt aufzuheben.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Bode, Otten, Fischer, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2557737 |
NJW 2004, 3195 |
NStZ 2005, 42 |
wistra 2004, 466 |
DNotZ 2005, 213 |
JuS 2005, 278 |
RÜ 2004, 589 |
StraFo 2004, 397 |